Wettrennen im Social Web
Das Wettrennen zweiter Pop-Musiker um einen YouTube-Rekord hat in den vergangenen Wochen zu einem kollektiven Klick-Wahn der jeweiligen Fan-Basis geführt. Lady Gaga steht nun als Siegerin fest: Sie ist der erste Mensch, der eine Milliarde Views auf dem Online-Video-Portal YouTube erreicht hat. Justin Bieber hat das Rennen demnach verloren. Während Lady Gaga die Milliarden-Marke geknackt hat, hält der 16-jährige Teenieschwarm bei derzeit etwas mehr als 963 Millionen Views.
Der YouTube-Wettkampf ist nur eine von vielen Rivalitäten, die mit dem stetigen Wachstum von Social Networks entstanden sind. Die Kategorien werden dabei ständig neu erfunden. Auf Youtube galt bisher meist das beliebteste einzelne Video als Popularitäts-Währung. In der Kategorie führt Justin Bieber allerdings haushoch. Damit gilt für den Moment also die Gesamt-Anzahl der Sichtungen aller Videos eines Künstlers als Schlachtfeld.
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YouTube ist nur einer der großen Austragungsorte jener Quantitäts-Wettkämpfe, bei denen Fans ihre Lieblinge konkret unterstützen und ihre Verehrung in mehrstellige Views-, Fans- oder Follower-Summen umwandeln können. Die Währungen des Social Web erreichen dabei fantastisch hohe Beträge. "Jeder sechste Mensch der Erde hat, rein statistisch, schon mal ein Video von Lady Gaga auf der Internetplattform YouTube aufgerufen", verkündete etwa der Nachrichtensender //n-tv// nach Lady Gagas Milliarden-Durchbruch.
Führung auf mehreren Plattformen
Je mehr Plattformen vom unterstützten Star beherrscht werden, desto glücklicher scheinen die Fans zu sein. Der Star wiederum dankt es den Fans mit Lob und Anfeuerung für die kollektive Anstrengung und verstärkt damit ein Gruppen-Gefühl. Lady Gaga hält derzeit nicht nur die Marke der insgesamt meisten YouTube-Views, sondern ist auch beliebteste lebende Person auf Facebook und hat die meisten Follower auf Twitter. Der Zugriffs-Counter "Twitaholic" attestiert Stefani Joanne Angelina Germanotta, wie Lady Gaga mit bürgerlichem Namen heißt, derzeit über 6,9 Millionen Follower am Kurzblog-Dienst.
Ihre Top-Position auf Twitter hat Gaga erst vor wenigen Monaten erobert. Am 22. August schlug sie Musiker-Kollegin Britney Spears mit damals noch 5,69 Millionen Followern. Spears selbst hatte nur drei Monate das Vergnügen, auf Platz eins dieser Wertung zu stehen. Davor saß Schauspieler Ashton Kutcher auf dem Twitter-Thron. Kutcher wiederum hat bewiesen, dass er ein Experte auf dem Gebiet der fachgerechten Inszenierung von Wettkämpfen im Social Web ist.
Kutcher vs. CNN
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Twitter hatte noch völlig andere Dimensionen, als Kutcher im April 2009 den TV-Sender CNN zu einem Wettkampf aufrief, welches von beiden Twitter-Profilen zuerst eine Follower-Anzahl von einer Million erreichen würde. "CNN Breaking News" wurde zu dem Zeitpunkt von einer Privatperson betrieben, die CNN-Nachrichten twitterte und dadurch das bis dahin beliebteste Twitter-Profil erschaffen hatte. Kurz vor dem Millionen-Wettkampf hatte CNN den Account-Betreiber unter Vertrag gestellt. Kutcher rief seine Fans zum Mitmachen auf und stellte zusammen mit CNN einen Wetteinsatz auf. Sollte er gewinnen, würde er 10.000 Moskitonetze zum Welt-Malaria-Tag spenden. Bei Verlust der Wette wären es immerhin 1.000 Netze.
Am 17. April 2009 gewann Kutcher das Rennen. Den Fans wurde neben der symbolischen Belohnung auch noch eine Show geboten. Mit hunderten Anhängern pilgerte Kutcher zur CNN-Zentrale nach Atlanta, wo er in alter Punk"d-Manier - Kutcher war ehemaliger Star einer so betitelten MTV-Streiche-Sendung - ein Plakat mit seinem Twitter-Name "aplusk" über dem CNN-Logo aufrollte. Danach wurden CNN-Boss Ted Turner Törtchen vor die Haustür geliefert und mit einer eigens aufgestellten Glocke symbolisch angeläutet und davongelaufen.
Bieber und die Massen
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Der Anfang Oktober 2010 entbrannte Wettkampf zwischen Lady Gaga und Justin Bieber kann als Revanche für ein Ereignis gesehen werden, dass sich Mitte Juli zugetragen hat. Damals überholte das Musik-Video zu Biebers Hit "Baby" Lady Gagas Musikclip zu "Bad Romance" als meistgesehenes Video aller Zeiten auf YouTube. Damals stellte der Zähler 246 Millionen Views fest. Mittlerweile sind es über 368 Millionen Views für dasselbe Video. Auf Twitter beschäftigen Botschaften von und über Justin Bieber zeitweise bis zu drei Prozent der Server-Kapazitäten, wie Anfang 2009 bekannt wurde. Bieber hält derzeit bei 5,86 Millionen Followern. Dagegen stehen 6,9 Millionen "Little Monsters", wie Lady Gaga ihre Fans nennt, hinter Biebers Konkurrentin.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auf diesem Terrain der nächste Wettkampf geschlagen wird. Vorrausgesetzt, Bieber heizt seine Fan-Massen weiter an. Er selbst weiß, welche Risiken enthusiasmierte Fans bergen. Bei einem Massenansturm von über 5.000 Teenagern vor einem Auftritt in Sydney wurden zahlreiche Menschen verletzt. Das Konzert musste abgesagt werden. Bei einem übereifrigen Fan-Empfang am Flughafen in Neuseeland wurde selbst Biebers Mutter - die Videos von ihrem Sohn auf YouTube gestellt und dessen Karriere damit quasi verursacht hat - von fanatischen Anhängern zu Boden geschlagen.
Vermeintliche Nähe zum Star
Bieber scheint die Sache mit der Fan-Bindung allerdings sehr ernst zu nehmen. Sein Tweet-Output erreicht an manchen Tagen zehn Botschaften und mehr, die dann wiederum von Millionen Anhängern kommentiert und re-tweetet werden. Das gekonnte Spiel mit Nähe und Distanz ist einer der Hauptfaktoren für die Wahrnehmung als Star, das wissen auch Biebers Berater. Einerseits soll der Star eine gewisse Alltäglichkeit, ein Naheverhältnis zum gewöhnlichen Sterblichen, aufweisen und Empathie für irdische Sorgen und Ängste aufweisen. Andererseits kommt der Fan, so viele Merchandising-Artikel, Konzertkarten und CDs er auch kauft, niemals wirklich an den Verehrten heran.
Die Distanz bewirkt ein verklärtes Bild, das dem Star eine übermenschliche, abgehobene Aura verleiht. Durch Social Networks ist es so einfach wie noch nie, ein Näheverhältnis zum einzelnen Fan herzustellen. Schließlich bekommt dieser unter anderem Botschaften direkt auf sein Smartphone geliefert, die der Star Millisekunden zuvor persönlich abgeschickt hat. Zumindest scheint es so, genauso wie es ein vermeintlich Spaß-motiviertes Kräftemessen unter Fans ist, ihrem Liebling noch mehr Follower, noch mehr Views und noch mehr Fans auf Facebook-Gruppen zu verschaffen.
Nicht nur Fans formieren sich
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Dass es auch anders geht, musste FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor nicht allzu langer Zeit erfahren. Anfang Februar 2010 vereinte sich im Zuge eines Trends auf Facebook dessen Gegnerschaft in bemerkenswerter Anzahl. Der Trend lautete, eine Anti-Gruppe zu Personen zu gründen, die einem möglichst irrelevanten Gegenstand zu mehr "Freunden" verhelfen sollten. "Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als HC Strache?" lautete der Name der Anti-Gruppe zum FPÖ-Chef.
Die Frage im Gruppen-Titel konnte man schon sehr bald mit "Ja" beantworten. Innerhalb weniger Stunden wurden Straches "Freunde" zahlenmäßg überboten. Derzeit hält der Ziegelstein bei 176.000 Fans, während Strache knapp 70.000 näher stehen. Die politische Gegnerschaft spielte den Vergleich im Social Web mit süffisanten Kommentaren gegen Strache aus. Wem die Diskussion über einen solchen Wettkampf im Netz im Endeffekt jedoch mehr nützt, steht auf einem anderem Blatt.
(David Kotrba)
[[261:side///"We reached 1 Billion views on youtube little monsters! If we stick together we can do anything. I dub u kings and queens of youtube! Unite!" Lady Gaga per Twitter zu ihrer YouTube-Milliarde.//]]
[[264:side///"Victory Is Ours", Ashton Kutcher zu seinem Wettkampf-Sieg gegen CNN per Twitter.//]]
[[262:side///"Well I just need to say thank u.†Justin Bieber zu Platz Eins für "Baby" per Twitter.//]]
[[263:side///Vom Ziegelstein geschlagen: H.C. Strache//]]