Wiener Wärmespeicher mit Hochdruck-Technologie
Ein riesiger, 45 Meter hoher Hochdruck-Wärmespeicher, bestehend aus zwei zylinderförmigen Stahlbehältern mit Kuppeln am Dach, optimiert seit Kurzem die Wien Energie-Fernwärme-Produktion. Der Speicher ging Anfang Dezember in Wien Simmering in Betrieb. Er soll ermöglichen, dass Wärme zeitlich unabhängig von der Erzeugung verbraucht werden kann und zwar dann, wenn sie tatsächlich benötigt wird. Der Speicher deckt den jährlichen Wärmebedarf von rund 20.000 Haushalten ab und spart durch die Optimierung von Produktion und Speicherung jährlich rund 11.000 Tonnen CO2 ein. „Das ist von der Größenordnung etwa das, was 5000 Mittelklasse-Pkw pro Jahr emittieren“, erzählt die Wien Energie-Geschäftsführerin Susanna Zapreva der futurezone. Die gespeicherte und wieder entnommene Wärmemenge soll im Jahr rund 145.000 Megawattstunden betragen.
Stabilität im Netz
An kalten, tristen und windstillen Wintertagen, an denen wenig Sonne scheint und kaum ein Lüftchen weht, kann die gespeicherte Wärme aus dem Speicher herangezogen werden. „Durch den Wärmespeicher wurde eine Versorgungssicherheit für das gesamte Strom- und Wärmenetz in Wien geschaffen“, sagt Zapreva. Dadurch wolle man etwa das verhindern, was in Deutschland gängige Praxis ist. Dort muss man beispielsweise die Windkraftwerke im Norden an stürmischen Tagen einfach abschalten, weil es keine ausreichenden Speichermöglichkeiten für die erzeugte Energie gibt. „In so eine Situation wollen wir gar nicht erst kommen. Wir versuchen daher Schritt für Schritt das gesamte Netz so auszubauen, dass es innovativ und nachhaltig für die Zukunft ist.“ Langfristig betrachtet soll dabei auch Solarthermie, also die Umwandlung von Sonnenenergie in thermische Energie, eine Rolle spielen. „Wir werden auf solche Technologien setzen und haben hier bereits intern ein Projekt am Laufen“, so Zapreva.
Der neu eröffnete Hochdruck-Wärmespeicher, dessen Erfindung und Errichtung rund 20 Millionen Euro gekostet hat, stellt zudem eine Weltneuheit dar. Er ist der erste Speicher dieser Art, der hohen Temperaturen und einem hohen Druck von rund 15 Bar standhalten muss. „In unserem 1153 Kilometer langen Fernwärme-Netz gibt es Höhenunterschiede von bis zu 150 Metern. Daher ist es erforderlich, dass das heiße Wasser mit hohem Druck transportiert wird. Diese Anforderung ergibt sich aus der Topografie“, erklärt Zapreva.
Simulation der Zustände
Bis zu 2200 Stunden pro Jahr kann der neuartige Speicher be- und auch wieder entladen werden. Die Wärme, die zur Speicherung herangezogen wird, stammt dabei aus den insgesamt drei Kraft-Wärme-Kraftwerken am Standort Simmering. „Aufgrund der Tatsache, dass es der erste Speicher dieser Art ist, analysieren wir im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der TU Wien mögliche Betriebszustände“, erzählt die Wien Energie-Geschäftsführerin. Das funktioniert folgendermaßen: Das komplexe Speichersystem wird in einem Prozess-Simulations-Programm abgebildet. Dabei werden vorübergehende Betriebszustände simuliert. Die Erkenntnisse aus dieser Forschung können den Technikern vor Ort dabei helfen, auf Prozesse in Echtzeit rasch zu reagieren.
„In die Luft fliegen kann der Hochdruck-Speicher nicht, es besteht keine Explosionsgefahr. Auch das Netz ist permanent unter diesem Druck. Da kann sicherheitstechnisch nichts passieren“, so Zapreva. Mit der Forschung könne man jedoch messen, wie man die Be- und Entladezeiten beschleunigen kann, damit fossiler Brennstoff eingespart werden könne, so Zapreva.
Bei Wien Energie geht man davon aus, dass sich die 20 Millionen Euro an Kosten für das innovative Projekt nach acht Jahren amortisiert haben. „Die Lebensdauer des Speichers ist mit 20 bis 40 Jahren relativ lang.“ Auf die Frage, warum sich außer Wien noch keine Stadt der Welt an ein derartiges Projekt herangetraut hat, weiß die Wien Energie-Geschäftsführerin keine Antwort. „Es gab jetzt in den vergangenen Wochen Anfragen aus Frankreich und der Schweiz zu unserem Speichermodell. Prinzipiell gehe ich auch davon aus, dass es in Wärmenetzen mit ähnlichen Rahmenbedingungen jederzeit umgesetzt werden kann. Wir sind stolz darauf, dass Wien hier eine Vorreiterrolle hat und wir damit Akzente für urbane Technologien setzen.“