Assassin’s Creed Unity im Test: Revolution hübsch verpackt
Nach Mittelalter, Renaissance, dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg sowie dem goldenen Piratenzeitalter ist die beliebte Videospielreihe “Assassin’s Creed” mit Unity nun bei der französischen Revolution angekommen. Zumindest steht das so auf der Verpackung - geht man nach den Hauptcharakteren, könnte man meinen, Paris war im 18. Jahrhundert eine britische Kolonie. Mehr als nur einmal tönt es “Bloody Hell!” aus den Lautsprechern, hin und wieder hört man sogar leichtes Cockney statt französischem Akzent heraus.
Gut, man sollte nicht kleinlich sein, schließlich verspricht der neue Ubisoft-Titel ein Superlativ nach dem anderen: riesige Menschenmassen, mehr Waffen, ein realistisches Paris des 18. Jahrhunderts sowie Koop-Missionen für bis zu vier Spieler. Eine Revolution für das Spiel während der Revolution. Die futurezone hat sich durch das englischsprachige Paris gekämpft.
In Unity schlüpft der Spieler in die Rolle des in Versailles geborenen Arno Dorian. Arno muss bereits früh im Spiel mehrere Schicksalschläge hinnehmen, die seinen Weg zur Bruderschaft der Assassinen ebnen. Wie auch in den Vorgängern bleibt der Zeitreise-Plot erhalten. Tatsächlich befindet sich der Spieler in der Gegenwart und steuert über den Animus die historische Figur und muss Informationen suchen, die die bösen Pläne der Templer vereitlen. Die Animus-Geschichte hält sich erstmals in der Reihe dezent im Hintergrund. Alle drei Kapitel melden sich die Kollegen aus der Gegenwart und helfen beim Sprung über eine längere Zeitperiode oder beheben “technische Probleme”. Diese Übergänge sind überraschend unterhaltsam gestaltet, lästiges Herumwandern in den Abstergo-Büros gibt es nicht.
Besser schleichen statt metzeln
Das Metzeln großer Gegnermassen durch Tastenhämmern und Endlos-Kombos gehört der Vergangenheit an, das Kampfsystem ist deutlich taktischer und fordernder. Auf Knopfdruck wird pariert, ein Angriff eingeleitet oder ausgewichen. Die Gegner denken mit und reagieren recht clever auf die Angriffe des Spielers, vor allem bei großen Gruppen ab vier Gegnern ist man rasch verloren. Hier hilft oftmals die Rauchbombe, um in der Verwirrung zu fliehen. Damit man sich nicht in einen schier ausweglosen Kampf begibt, gibt das Spiel den Schwierigkeitsgrad direkt über dem Lebensbalken des Gegners an.
Unity bringt mehr RPG-Elemente ein als seine Vorgänger. Der Spieler kann nun im Store aus einem großen Sortiment an Waffen und Kleidungsstücken auswählen, die seine Werte verbessern. Das ist auch der einzige Weg, an neue Waffen zu kommen, gegnerische Waffen können nicht mehr aufgehoben werden. Die Waffen lassen sich mit den im Spiel gesammelten “Helix Credits” durch “Hacken” verbessern, zudem kann der Spieler mit Missionspunkten neue Fähigkeiten kaufen. So lässt sich mit “Thick Skin” die Gesundheitsleiste von Arno vergrößern, aber auch neue Attacken können erlernt werden.
Wer sich bessere Ausrüstung wünscht, muss dafür arbeiten. Im Fall von Assassin’s Creed bedeutet das Nebenmissionen. So abwechslungsreich diese auch in den Vorgängern sein mögen, in Unity fragt man sich hin und wieder, ob den Entwicklern die Ideen ausgegangen sind. So muss man beispielsweise den Leibwächter für eine Herzogin spielen, die das Grab ihres Sohnes besuchen möchte. Wer sich einen ereignisreichen Spaziergang erwartet, wird enttäuscht: Im Schneckentempo bewegt sich die Herzogin voran, der Spieler spaziert fast fünf Minuten neben ihr, bis tatsächlich ein Angriff erfolgt.
Das lahme Tempo setzt sich fort, hin und wieder blieb das Spielermodell der Herzogin sogar an einem Hindernis hängen und der Spieler muss sie durch Schieben aus der misslichen Lage befreien. Spannung kommt während der knapp 15 Minuten nie auf. Leider setzt sich dieses Muster fort, in vielen Nebenmissionen kommen zudem Schauplätze zum Einsatz, die man bereits von der Kampagne kennt. Die Unterschiede zwischen den Nebenmissionen und Kampagne sind meist gering. Mal muss man etwas stehlen, dann wieder eine Person ausschalten - es läuft immer auf eine ähnliche Vorgehensweise hinaus, bei der viele Gegner getötet werden müssen. Das langweilt auf Dauer.
Ein Spiel vom Kaliber von Assassin’s Creed steht und fällt mit der Geschichte. Es mag sein, dass das Spielprinzip “Klettern - Laufen - Abstechen” für manchen Spieler Motivation genug ist, doch meist will man bei einer Spielzeit von 20 Stunden und mehr von einer interessanten Geschichte unterhalten werden. Leider ist die Geschichte Unitys größter Schwachpunkt. Erstmals seit dem ersten Assassin’s Creed ist Corey May, der zuvor auch an “Prince of Persia” mitarbeitete, nicht an der Entwicklung der Geschichte beteiligt. Stattdessen wurde Travis Stout, der bislang nur für das Zombie-Spiel “State of Decay” als Autor in Erscheinung trat, verpflichtet.
Hoffnungsschimmer
Auch das Tempo der Handlung gleicht einer ziemlich unbefriedigenden Achterbahnfahrt. Da geht Arno unfassbar lange einer scheinbar komplexen Verschwörung nach, nur um dann plötzlich durch einen sehr spannenden, neuen Handlungsstrang unterbrochen zu werden, der dann viel zu jäh endet. Derartige Momente tun weh, denn das Spiel deutet hier zeitweise an, was möglich gewesen wäre. Bis zum Ende geben diese Momente immer wieder Hoffnung, dass die rund 15 Stunden lange Geschichte doch noch Fahrt aufnehmen könnte, aber leider passiert das nicht.
Unity ist einer der schönsten Next-Gen-Titel auf dem Markt, auch wenn das Szenario nicht derart beeindruckende und farbenreiche Motive wie in der Karibik-Welt von Black Flag zulässt. Ubisoft hat dennoch ein wunderschönes Paris des 18. Jahrhunderts nachgebaut, das zum Erkunden einlädt. Die Bezirke sind gut voneinander unterscheidbar, das wohlhabende Versailles bietet deutlich mehr Prunk als die armen Randbezirke von Paris. Vor allem die historischen Bauwerke, beispielsweise Notre Dame, die Bastille oder das Pantheon wurden detailverliebt gestaltet und stechen hervor.
Mit Unity hat Ubisoft die Weichen für die Zukunft gestellt und viele Mechanismen des Spiels vereinfacht. Das ist erfrischend und zeigt, dass man zumindest gewillt ist, neue Dinge auszuprobieren. Auch die technische Inszenierung ist beeindruckend, die gewaltigen Menschenmassen sowie die detaillierten Gesichtsanimationen reizen endlich die Next-Gen-Konsolen aus. Leider hat Ubisoft aber bei all dem hübschen Aufputz das Wesentliche vergessen: Eine spannende Geschichte zu erzählen.
Mindestens 15 Stunden irrt man durch das zugegeben hübsche Paris, weiß aber eigentlich nie so recht den Grund dafür. Das ist leider kein Problem, das sich mit einem Patch lösen lässt, hoffentlich aber bei einem Nachfolger. So kann man das Spiel nur eingefleischten Assassin’s Creed-Fans empfehlen, jedem anderen Neueinsteiger sei der hervorragende Vorgänger Black Flag ans Herz gelegt.