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FIFA 15 im Test: Frustrierender Realismus

Weihnachten, Ostern, Sommerferien, FIFA-Release: Manche Dinge bleiben jedes Jahr gleich. Auch dieses Jahr bringt Electronic Arts eine neue Ausgabe seiner Fußball-Simulation FIFA auf den Markt, die insgesamt 22. Version. Seit dem ersten FIFA hat sich viel verändert, doch in den letzten Jahren wurde EA Stagnation vorgeworfen. Der wohl größte Fortschritt war der Full HD-Modus mit 60 fps auf Next-Gen-Konsolen, spielerisch blieb aber vieles beim Alten.

Mit FIFA 15 verspricht EA “mehr Emotion” und eine bessere Präsentation, doch auch am Spielerischen wurde geschraubt. Die futurezone hat den neuen Titel auf der PlayStation 4 getestet.

Hübscher dank mehr Dreck

FIFA 14 war eines der wenigen “Highlights” zum Start der Next-Gen-Konsolen, vor allem in optischer Hinsicht. Eine flüssige Framerate von 60 Bildern pro Sekunde bei 1080p-Auflösung, das kannten Konsolen-Spieler bislang noch nicht. Mit FIFA 15 wird das fortgesetzt, EA hat jedoch vor allem an der Optik der Spielermodelle gefeilt. Die Animationen sind nun deutlich flüssiger und näher an der Realität. Das fällt vor allem beim Sprinten und in Zweikämpfen auf. Auch die Spielermodelle wurden überarbeitet, laut EA wurden die Gesichter von 1000 weiteren Spielern eingescannt. Das betrifft jedoch vorwiegend Spieler aus den großen Ligen, in Österreich sind selbst Stars wie Kevin Kampl nur schwer erkennbar.

Grafisch ist das Spiel nahezu über jeden Zweifel erhaben, es lief auf der PlayStation 4 ohne jeglichen Ruckler. Auch skurrile Verdrehungen der Gelenke oder Clipping-Fehler traten deutlich seltener auf. Die berichteten Bugs der PC-Version (bei denen es sich Gerüchten zufolge auch um einen Kopierschutz handeln soll), wie beispíelsweise dem Kamera-Mann auf dem Spielfeld, traten bei der Konsolen-Version nicht auf. Die grafischen Verbesserungen an FIFA 15 sind jedoch eher Feinschliff statt einer wahren Revolution. Auf den ersten Blick wird man keinen wirklichen Unterschied zum Vorgänger bemerken. Doch die neuen Details sind nett und tragen durchaus zur Atmosphäre bei. So bleiben auf den Trikots der Spieler nach Grätschen nun auch Dreckspuren zurück.

Die Abnutzung soll sich auch am Rasen selbst bemerkbar machen. Jede Grätsche, Fußtritt oder Foul hinterlässt Spuren am Grün, sodass er am Schluss wie ein Fleckerlteppich aussieht. EA hat seit der Preview-Version aber kräftig am Effekt gefeilt, die Abnützung kommt nun tatsächlich der Realität nahe, doch bei einer TV-Übertragung fällt das üblicherweise nicht auf. Daher wirkt der Effekt oft überzogen und trägt kaum etwas zur Atmosphäre bei. Einzige Ausnahme ist der “Be a Pro”-Modus, bei dem man nur einen Spieler aus der Third-Person-Perspektive kontrolliert und so deutlich näher am Geschehen dran ist. Die Abnutzung des Rasens hat zudem keinen Einfluss auf das Spiel. So bleibt der Ball etwa nicht plötzlich wegen eines Lochs im Rasen stehen oder rollt langsamer.

Ein beliebter Kritikpunkt bei Fußball-Simulationen waren stets sterile Pappkameraden, die nur sehr grob animiert waren. Das hat sich bereits in den Vorgängern von FIFA gebessert, in FIFA 15 kommt nun aber erstmals Leben in das Stadion. Die Zuschauer wirken nicht mehr wie ein generischer Einheitsbrei, der sich jede dritte Reihe wiederholt. Bei manchen Teams gibt es im Vorfeld des Spiels sogar eine Fan-Choreografie. So singt das Publikum an der Anfield Road “You’ll never walk alone” vor einem Spiel und hält dabei die Schals in die Höhe. Manchester City-Fans bejubeln wiederum ein Tor mit dem “Poznan”, bei dem die Zuschauer Schulter an Schulter, mit dem Rücken zum Spielfeld, hüpfen. Derartige Animationen sind rar gesät, lediglich eine Handvoll Mannschaften, der Großteil davon aus England, wurden damit bedacht.

Fokus auf England

Doch auch bei der Präsentation lassen sich einige Makel entdecken. So richtet EA ohne Zweifel den Fokus auf die englische Liga, denn eine ähnlich gute Präsentation oder Detailgrad werden von Teams und Spielen in anderen Ligen nicht erreicht. Auch die englischsprachigen Kommentatoren sind deutlich besser und haben mehr zu sagen. Die deutschen Kommentatoren Frank “Buschi” Buschmann und Manfred Breuckmann lassen zwar hin und wieder mit neuen Anekdoten und aktuellen Bemerkungen zur Weltmeisterschaft aufhorchen, FIFA-Veteranen werden aber 95 Prozent der Aussagen aus den letzten drei FIFA-Generationen kennen. Auch die in Deutschland aufgenommenen Fangesänge sind alles andere als schmeichelhaft. Man kann durchaus über die Unterschiede zwischen der deutschen und englischen Kultur für Fangesänge diskutieren, doch die Südkurve der Bayern hat mehr zu bieten als “Allez allez”.

Während bei den klassischen Spielmodi durch die TV-ähnliche Präsentation Emotionen gut transportiert werden, fristet der “Be a Pro”-Modus durch eine recht langweilige Präsentation ein Schattendasein. Der Reiz, einen eigenen Spieler aufzubauen, geht rasch verloren, denn anders als im Manager-Modus fühlt man sich nicht wirklich in das Tagesgeschehen eingebunden. Man bekommt immer wieder Statistiken aufgetischt, sonderlich hilfreich oder motivierend ist das jedoch nicht. EA sollte hier etwas mehr Dramatik hineinbringen, ähnlich dem früheren Titel “UEFA Champions League 2006-2007”, in dem es geskriptete Saisonen gab.

Schneller, aber schwieriger

Das Tempo wurde in FIFA 15 um zwei Stufen nach oben geschraubt, Pässe in die Tiefe sind nun eine tödliche Waffe. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Stürmer viel Platz benötigte, um allein auf das Tor losstürmen zu können, konterstarke Mannschaften haben hier einen klaren Vorteil. Man ist keineswegs chancenlos, wenn man mit einer defensiv orientierten Mannschaft spielt, hat aber im direkten Vergleich durchaus Nachteile. Denn EA hat das Verteidigen durch ein neues Zweikampf-System deutlich erschwert. Auf die Zweikampf-Taste zu hämmern führt rasch zu einem Foul, sei es durch Stoßen oder Trikot ziehen. Hier machen sich nun auch bulligere Spieler bezahlt, die den Gegner ohne Ziehen oder Halten abdrängen können.

Das erfordert jedoch ein starkes Umdenken, vor allem für Einsteiger und Gelegenheits-Spieler. Denn das Verteidigen ist keineswegs mehr ein Selbstläufer, bei dem man lediglich darauf achten muss, die Viererkette intakt zu halten. Wo man früher dem gegnerischen Angreifer noch den Ball abluchsen konnte, muss dieser meist in letzter Sekunde klären und den Ball ins Aus spielen. Das entschleunigt das rasante Spiel etwas, führte aber im Test vor allem zu vielen Elfmetern. Hin und wieder geschah es sogar, dass ein Team-Mitglied ohne Zutun des Spielers einen Gegner im Strafraum unabsichtlich zu Fall brachte und so einen Elfmeter verschuldete. Es ist unklar, ob es sich um einen Bug handelt, erscheint aber durchaus möglich, denn fehlerlos ist FIFA 15 keineswegs. So scheint die Berechnung der Verlängerung nicht richtig zu funktionieren, denn nahezu in jedem Spiel wurden fünf Minuten Nachspielzeit angehängt, selbst in der ersten Spielhälfte.

Auch wenn das Spiel rasanter und Torreicher ist, hin und wieder mangelt es an Abwechslung. Meist ist der Weg durch die Mitte von Erfolg gekrönt und auch der Klassiker Flanke-Kopfball-Tor funktioniert weiterhin hervorragend. Komplizierte Ballstafetten und Kombinationen sind eher rar. Taktisches Spielen ist durch das rasante Tempo ohnedies schwierig geworden, auch trotz der neuen Zeitschinde-Taktik “Park the bus”.

Torhüter haben sich von gottgleichen Bollwerken zu Menschen mit Fehlern entwickelt. Das mag ihnen einen etwas realistischeren Eindruck geben, sorgt aber auch oft für eine ordentliche Portion Frust, beispielsweise wenn sie beim Fangen des Balles in das Tor hineinstolpern. Das Bewegungsmodell der Torwärte wurde aber nicht nur zum Negativen verändert. Einerseits rutscht ihnen auch mal ein Ball durch die Finger, es gibt nun aber auch beeindruckende Rettungen in letzter Sekunde. Neu ist zudem Ziehen am Trikot, das der Spieler nach dem Drücken der Zweikampf-Taste ausübt, wenn der Gegner sich in Greif-, aber nicht Stoßreichweite befindet. Das Ziehen am Trikot wird erst geahndet, wenn der Gegner längere Zeit so aufgehalten wird.

Am Umfang des Spiels hat sich kaum etwas verändert, neu ist lediglich die türkische Süper Lig, die nun komplett enthalten ist. Zudem gibt es nun Leihspieler im Online-Modus Ultimate Team sowie einen Match Day Live Hub, in dem der Spieler aktuelle Nachrichten über seinen Lieblingsclub erhält.

Fazit

Versucht FIFA 15 realistischer zu sein? Definitiv. Trägt es zum Spielspaß bei? Nein. Der Vorgänger war definitiv nicht perfekt, er machte aber deutlich mehr Spaß und war zugänglicher für Einsteiger. Durch das Forcieren des schnellen Spiels und dem mühsamen Verteidigen werden die Spiele zwar Torreicher, man ärgert sich dabei aber oft. EA ist es leider nicht gelungen, das mit Hilfe der neuen Taktikfunktionen auszugleichen. Ungeachtet dessen ist es nach wie vor ein gutes Spiel, das sich jedoch zunehmend auf den Lorbeeren der letzten Jahre ausruht und kaum einen Schritt nach vorne macht.

Diese Chance könnte Konamis Pro Evolution Soccer 2015 nutzen, das FIFA in den letzten Jahren nicht wirklich Paroli bieten konnte. Inhaltlich kann man trotz Champions League- und Europa League-Lizenz auch dieses Jahr nicht mithalten, doch die Spielmechanik der kürzlich veröffentlichten Demo ist vielversprechend. Vor dem Kauf sollte man daher die Demos von FIFA 15 und Pro Evolution Soccer 2015 ausprobieren, auf PES 2015 muss man allerdings noch bis zum 13. November warten. FIFA 15 ist ab sofort für PlayStation 4, PlayStation 3, Xbox 360, Xbox One und PC verfügbar.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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