Kirby und das vergessene Land im Test: Knuffelchen in der Postapokalypse
Das Kirby-Universum ist genauso wandelbar wie Kirby selbst. So wie sich der pinke Blob dehnen und verwandeln kann, so wurde die Spieleserie immer weiter gedehnt und verwandelt.
Für mich war das nach Flipper, Beat-em-Up, Free-to-Play, Klone anderer Spiele und Mini-Games, am Ende schon ausgenudelt. Deshalb dachte ich mir bei „Kirby und das vergessene Land“ (Nintendo Switch, ab 7 Jahren): „Schon wieder ein Kirby? Muss das echt sein?“
Ich war selten so froh, bei meinem Pessimismus falsch zu liegen. Denn „Kirby und das vergessene Land“ ist ein vollwertiges Action-Platform-Game, mit Kirby in Höchstform.
Die Prinzessin ist in einem anderen Schloss, Kirby!
Die Story ist anfangs banal. Kirby wird in eine andere Welt gesaugt und muss dort Waddle Dees retten. Die sind in Levels verstreut. Am Ende eines Gebiet gibt es einen Boss.
Dem Spielestudio HAL Laboratory war anscheinend bewusst, dass man hier nicht das Rad neu erfindet und der Mario-Formel folgt. Denn im späteren Verlauf gibt es sogar eine Szene, die wie eine Anspielung an „Die Prinzessin ist in einem anderen Schloss!“ wirkt. Ohne zu viel verraten zu wollen: Am Schluss gibt es dann aber eine unerwartete Auflösung, Wende und ein episches Finale in bester Anime-Manier.
Bis es soweit ist hat man, je nachdem wie gründlich man gespielt hat, 12 bis 15 Stunden investiert. Und danach geht es noch weiter mit Bonus-Levels, Mini-Games, Highscores zu knacken und alle verbleibenden Ziele in den Welten zu erfüllen.
Viel Atmosphäre und viel zu entdecken
Gespielt wird aus einer 3D-Perspektive. Die Kamera ist üblicherweise semi-statisch, also halb-fixiert für den jeweiligen Bildausschnitt. Das erlaubt beeindruckende Panoramen und beklemmende Perspektiven. Das gibt dem Spiel eine unerwartete Tiefe und unterstützt die gespenstische Atmosphäre, die in einigen Levels herrscht.
Denn so richtig bunt-fröhlich ist nur die Waddle-Dee-Stadt, die als sichere Heimatbasis von Kirby und den geretteten Waddle Dees dient. Die eigentlichen Levels sind Überreste menschlicher Zivilisation – mal vom Wüstensand verschluckt, in Eis gehüllt oder von Pflanzen überwachsen. Es ist nicht „in your Face“, obwohl es scheinbar offensichtlich ist – es sickert langsam ein, dass „Kirby und das vergessene Land“ postapokalyptisch ist. Was süß und harmlos beginnt, wird zwischendurch ziemlich düster.
Jedes Level ist voll von Geheimnissen, die es zu entdecken gilt. Für erfüllte Ziele gibt es Waddle Dees als Belohnung – selbst 3 der 5 Ziele sind beim ersten Spielen des Levels noch unbekannt. Das lädt zum Suchen und Experimentieren ein.
Kirby als Getränkeautomat, Auto und Treppe
Zeitstress gibt es zum Glück nur in wenigen Abschnitten – hier muss dann meist ein Rennen gewonnen werden, um das Bonusziel zu erfüllen. Dazu kann sich Kirby jetzt „vollstopfen“. Er saugt ein Auto ein und schon kann man losrasen.
Das „Vollstopfen“ ist oft mit Mini-Rätseln verbunden. Als Kirby-Treppe muss man sich richtig positionieren, um den Weg nach oben zu schaffen oder „umfallen“ (wie sonst sollte eine Treppe Gegner angreifen?) um Wände zu zerstören und so Geheimgänge freizuschalten. Als Getränkeautomat verschießt Kirby mit Dauerfeuer Dosen und kann beschädigte Tore zerstören.
Das „Vollstopfen“ ist kein One-Trick-Pony: Im Spielverlauf hat sich HAL mehrere Arten ausgedacht, wie etwa ein Verkehrshut-Kirby oder ein Ring-Kirby in das Level-Design integriert werden, um Umgebungs-Puzzle zu lösen.
Kirby hat aufgerüstet
Zwischen Rätsel und eher lockeren Jump-and-Run-Passagen, gibt es reichlich Gegner, die bekämpft werden müssen. Dazu hat Kirby sein Arsenal erweitert. Insgesamt stehen 12 Kräfte zur Verfügung. Wie üblich werden sie absorbiert, indem der Gegner mit dieser Kraft aufgefressen wird.
Kirby bekommt dann etwa Schwert, Bumerang, Gewehr, spuckt Flammen, schlägt mit dem Hammer um sich oder legt sich schlafen. Die Fähigkeiten können in 2 Stufen aufgerüstet werden, sofern man die Blaupausen dafür in den Levels gefunden und genügend Münzen und seltene Steine gesammelt hat.
Seltene Steine gibt es hauptsächlich in den Schatzsuche-Nebenaufgaben zu holen. Darin muss man kurze Levels in einem Zeitlimit schaffen. Diese sind Herausforderungen mit einer bestimmten Kraft. Der positive Nebeneffekt ist, dass man so mit der Kraft trainiert und dabei vielleicht Tricks und Strategien lernt, die man vorher noch nicht kannte. Manche als schwach abgeschriebenen Kräfte werden dann auf einmal doch nützlich.
Leicht macht trotzdem Spaß
Ich rechne es HAL hoch an, dass sie einen leichten Schwierigkeitsgrad hinzugefügt haben. Bei manchen der neueren Mario-Platform-Games hat mir der Schwierigkeitsgrad schon an ein paar Stellen die Lust am Game verdorben. Kirby lässt sich auf leicht angenehm spielen, bietet aber mit den Zusatz-Aufgaben und den vielen versteckten Zielen in den Levels trotzdem genug Herausforderung, dass man nicht unterfordert ist.
Außerdem gibt es optionale Hilfen, die man (auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad) nutzen kann. So kann man das Game kooperativ spielen – Spieler*in Nummer 2 hilft dann als Waddle Dee in den Levels. Man kann auch einen Hilfsgegenstand mitnehmen, der etwa Lebensenergie wiederherstellt oder kurzfristig Health oder Stärke boostet.
In der Waddle-Dee-Stadt ist es möglich, sich auszuruhen und vor einem Level die Lebensenergie wiederherzustellen. Auch kann man hier die Wunsch-Kraft im Waffenladen auswählen, mit der man ein Level starten will. Und dann kann man noch Amiibos nutzen. Pro Level lässt sich jedes Amiibo einmal scannen, um Nahrung rund um Kirby auftauchen zu lassen, die etwas Lebensenergie regeneriert.
Da geht noch mehr
Nachdem die Credits über den Screen gerollt sind, hat das Game noch weiteres zu bieten. In der Stadt gibt es mehrere Mini-Games und eine Arena. Zudem kommen neue Versionen von Levels mit einem neuen Ziel hinzu.
Außerdem kann man versuchen, alle Levels zu meistern und genügend Münzen zu sammeln, um alle Kraft-Upgrades freizuschalten. Die Kräfte können dann auch nochmal aufgerüstet werden, um mehr Schaden zu verursachen. Das ist für die Arena und Bosskämpfe in den alternativen Versionen der Levels praktisch.
Fazit
„Kirby und das vergessene Land“ hat mich sehr positiv überrascht. Es ist seit Jahren das erste Kirby-Spiel, das mich wirklich gepackt hat.
Kirby ist in diesem Game mit den Spieler*innen erwachsen geworden. Die Mischung aus süßem Kirby, abwechslungsreichen Levels, fairem Schwierigkeitsgrad und dichter, düsterer Atmosphäre ist großartig – aber für Kinder vielleicht gar nicht in dem Ausmaß erfassbar.
Das Spiel lässt mich hoffen, dass sich die anderen Nintendo-Studios davon inspirieren lassen. Das nächste große Mario-Game kann sich ruhig ein Beispiel an „Kirby und das vergessene Land“ nehmen.