Meinung

Autos sind zu teuer

Niemand hält sich selbst für irrational. Wir Menschen sind überzeugt davon, dass wir wohlüberlegte Entscheidungen treffen, mit Vernunft und Sachverstand. Und dann setzen wir uns ins Auto. Wir transportieren uns selbst, indem wir ein Objekt bewegen, das zwanzigmal schwerer ist als wir. Wir sparen Zeit, die wir danach bei der Parkplatzsuche gleich wieder verlieren. Und am Ende erzählen wir, dass uns Autofahren ja Freude macht – nachdem wir die anderen Autofahrer an der Kreuzung mit Schimpfwörtern angeschrien haben, für die wir unseren Kindern sofort das Taschengeld streichen würden.

Es ist ein erstaunliches Phänomen: Der rationale Verstand endet bei der Autotür. In Deutschland wurden für eine wissenschaftliche Studie tausende Autofahrer gefragt, wie hoch sie die monatlichen Kosten ihres Autos schätzen. Interessanterweise wurden die Treibstoffkosten fast exakt richtig eingeschätzt, aber bei Wertverlust, Reparaturkosten, Versicherung und Steuern lagen die meisten Leute drastisch daneben. Insgesamt kostet das Auto im Durchschnitt fast doppelt so viel wie gedacht.

Die Autoren der Studie versuchten auch zu berechnen, wie viele Leute wohl auf ihr Auto verzichten würden, wenn ihnen die wahren Kosten bewusst werden – um 37% weniger Autos gäbe es dann laut diesem Modell auf Deutschlands Straßen.  

Versteckte Kosten

Doch selbst diese erstaunlich hohen Kosten sind nur ein Bruchteil der wahren Summe, die wir für das Autofahren bezahlen. Dass Verbrennungsmotoren das Klima schädigen, hat sich mittlerweile herumgesprochen, dieser Schaden lässt sich kaum beziffern. Auch für die Zahl der Verkehrstoten lässt sich keine Schadenssumme nennen. Dazu kommt noch ein wichtiger anderer Aspekt, der oft vergessen wird: Wir haben unsere Welt und unsere Gesellschaft dramatisch umgebaut, um dem Privatauto den nötigen Platz zu bieten. Das kostet Geld, Gesundheit und Lebensqualität.

Wir haben für das Auto gewaltige Flächen asphaltiert. Wir haben Gassen, in denen früher Kinder gespielt haben, ohne große Diskussion dem Autoverkehr geopfert. Wir haben Umweltverschmutzung und Lungenkrankheiten in Kauf genommen. Wir haben Geschäftsstraßen in den Städten aussterben lassen und stattdessen Einkaufszentren am Stadtrand gebaut, weil dort mehr Platz zum Parken ist.

Es geht nicht ohne Auto – aber es könnte gehen

Aber wer motorisierten Individualverkehr kritisiert, wird oft heftig beschimpft: „Ich kann doch gar nicht anders!“ heißt es dann. „Mit dem Bus brauche ich dreimal so lange zur Arbeit, das kann doch niemand verlangen!“ – Und dieses Argument ist völlig richtig. Wir haben unsere Straßen, unsere Städte und unser Sozialleben so auf das Auto ausgerichtet, dass viele von uns in dieser autooptimierten Welt tatsächlich nicht ohne Auto auskommen. Aber das müsste nicht so sein. Das unverzichtbar gewordene Auto löst nur Probleme, die wir uns ohne Auto niemals eingehandelt hätten.

Wenn wir darüber nachdenken, welche Verkehrsmittel am sinnvollsten sind, müssen wir die Gesamtkosten betrachten, die unserer Gesellschaft durch Autos entstehen – nicht nur den Benzinpreis. Wie beziffern wir den Schaden für meine führerscheinlose Oma, die nicht mehr einkaufen gehen kann, weil der letzte zu Fuß erreichbare Supermarkt im Dorf schließen musste? Wie viel wäre es uns wert, wenn Kinder auf der Straße spielen könnten? Spart uns das Auto wirklich Zeit bei der Fahrt ins Büro – oder läge das Büro vielleicht viel näher am Wohngebiet, wenn es keine Autos gäbe?

Es gibt kein Naturgesetz, das Einkaufen nur im abgelegenen Shopping Center erlaubt. Ärzte, Gasthäuser und Kinos könnten auch in Gehreichweite angesiedelt sein – so wie das vor nicht allzu langer Zeit ganz normal war.

Unseren Alltag auf Auto auszurichten ist keine naturgegebene Notwendigkeit, sondern eine gesellschaftliche Entscheidung. Wir könnten sie auch wieder anders treffen – mit kluger Raumplanung, gesünderen Städten, besseren öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn wir wirklich wollten, könnten wir einen Großteil der Autofahrten unnötig machen, und der Rest ließe sich klimaschonend elektrisch zurücklegen. Die rationalere Lösung wäre es auf jeden Fall. Denn eines steht fest: Autos sind derzeit einfach zu teuer. Nicht unbedingt für jeden einzelnen Besitzer, aber insgesamt, für uns alle.

Zur Person

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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