Lady Diana und Donald Trump: Der Verschwörungs-Reflex
Es war knapp. Die Gewehrkugel eines Attentäters verfehlte ihr Ziel nur um Zentimeter und verletzte ein Ohr. Und zwar das "beste und großartigste Ohr, das es jemals gegeben hat, believe me!", würde sein Besitzer vielleicht sagen – Donald Trump nämlich. Hätte sich der US-Präsidentschaftskandidat im Augenblick des mörderischen Anschlags ein bisschen auf die andere Seite gedreht, wäre er möglicherweise gestorben, mit kaum vorstellbaren Folgen für die politische Zukunft der USA. Ein paar Zentimeter können über den Lauf der Weltgeschichte entscheiden.
Das ist natürlich schrecklich und schockierend. Und dieses Schock-Gefühl ist der allerbeste Nährboden für Verschwörungstheorien. So ist es nicht überraschend, dass bereits in den ersten Stunden nach dem Attentat in sozialen Medien wilde Spekulationen verbreitet wurden. „Das kann gar nicht sein, Donald Trump hat die Sache nur inszeniert, um im Wahlkampf punkten zu können“, behaupteten die einen. Es sei ein von der Regierung geplanter Anschlag gewesen, die Leute von Joe Biden stünden dahinter, die CIA selbst hätte den Mordanschlag angeordnet, behaupteten die anderen.
Ernstzunehmende Indizien für eine solche Behauptung hatte niemand. Aber wieso soll man sich eine wunderschöne Verschwörungstheorie kaputtmachen lassen, von einem unwichtigen Detail, wie dem Fehlen von Beweisen?
Von Lady Diana bis Amy Winehouse
Klug sind solche Reaktionen nicht. Aber überraschend sind sie auch nicht. Tief in unserem Kopf steckt die Grundannahme: Große, gewichtige Auswirkungen müssen große, gewichtige Ursachen haben. Wenn ich im Garten plötzlich einen 10 Meter tiefen Riesenkrater finde, war das vermutlich kein kleiner Golfball. Dass ein folgenschweres Ereignis, das viele Leute emotional betrifft, eine ganz banale, unspektakuläre Ursache haben könnte, wollen wir nicht glauben. Das würde schließlich die gefühlte Bedeutung des Ereignisses infrage stellen.
Dieses Schema wiederholt sich immer wieder: 1997 starb die weltweit bejubelte Prinzessin Diana bei einem Autounfall. Sofort wurde spekuliert, ob sie von Geheimdiensten getötet worden war, um einen Skandal im Königshaus zu vertuschen. Die viel logischere Erklärung, nämlich dass Autounfälle nun mal ab und zu passieren, ganz besonders, wenn der Fahrer mit Alkohol im Blut viel zu schnell unterwegs ist, fühlt sich nicht ausreichend spektakulär an, um einem solchen Ereignis gerecht zu werden.
Elvis „The King“ Presley stirbt nach Einnahme von Medikamenten? Kurt Cobain erschießt sich? Amy Winehouse verliert den Kampf gegen den Alkohol? Lauter tragische Geschichten, die man so nicht wahrhaben will. Da muss doch mehr dahinterstecken! Wenn die offizielle Darstellung nicht groß und wuchtig genug ist, um zu den eigenen Gefühlen zu passen, dann sucht man sich eben selbst eine größere, wuchtigere Erklärung.
Den Fakten sind unsere Gefühle egal
Allerdings steht nirgends geschrieben, dass sich die Wirklichkeit an unsere persönlichen Gefühle zu halten hat. Die Wahrheit ist: Manchmal gibt es kleine, unspektakuläre Auslöser für Ereignisse, die unsere Welt erschüttern. Manchmal setzt eine Einzelperson eine Handlung, die unzählige Menschen betrifft. Manchmal reichen ein paar Leute aus, um den Lauf der Weltgeschichte zu verbiegen.
Das ist natürlich umgekehrt auch kein Beweis, dass hinter großen, emotionalen Ereignissen nicht manchmal auch eine sorgfältig geplante Verschwörung stecken kann. Als am 28. Juni 1914 Erzherzog Franz-Ferdinand in Sarajevo erschossen wurde, war das kein dummer Zufall, sondern die ziemlich absehbare Konsequenz eines Staatsbesuchs, den man an diesem Tag lieber bleiben hätte lassen: Wäre der damalige Attentäter Gavrilo Princip nicht erfolgreich gewesen, wäre der Erzherzog vermutlich trotzdem gestorben, denn es gab mehrere andere Attentäter, die am selben Tag Ähnliches im Sinn hatten.
Ja, Verschwörungen existieren, manchmal. Das ist aber kein Grund, an sie zu glauben, wenn es viel simplere und glaubwürdigere Erklärungen für das gibt, was geschehen ist.