Meinung

Mit dem Klima spielt man nicht

Stellen Sie sich vor, Ihre Familie hat Finanzprobleme. Das Geld wird in letzter Zeit einfach immer weniger, Sie sehen sich daher die Kontoauszüge der letzten Monate und Jahre an, analysieren Einnahmen und Ausgaben und erkennen schließlich: Die Familie gibt einfach zu viel für Kleidung und Schuhe aus, daran muss etwas geändert werden.

Doch der Rest der Familie glaubt Ihnen nicht. Vielleicht geht das Problem ja von selbst wieder vorbei, vielleicht haben Sie sich verrechnet, oder die Daten bösartig manipuliert, weil Sie neidisch auf die tollen Schuhe der anderen sind. Niemand rechnet Ihre Statistik nach, man sagt einfach: Nein, glauben wir nicht. Ende. So ungefähr geht es Klimaforschern im Umgang mit Klimaerwärmungs-Leugnern.

Die Daten sind da

Tatsächlich sprach man bereits vor Jahrzehnten von Klimaerwärmung, als wirklich noch nicht ganz klar war, ob es sie überhaupt gibt und ob der Mensch die Ursache dafür ist. Aber mittlerweile liegen die Daten auf dem Tisch. Man hat man geforscht, gemessen und gerechnet, man hat sowohl natürliche als auch menschengemachte Effekte analysiert, und heute gibt es in der Klimaforschung einen eindeutigen Konsens: Ja, es wird wärmer, und ja, wir sind daran schuld. Wir müssen den CO2-Ausstoß einschränken, sonst bekommen wir gröbere Probleme.

Nun kann man natürlich diese Berechnungen und Prognosen anzweifeln, man kann alternative Erklärungen vorschlagen oder eigene Messungen durchführen. Das wäre wunderbar, genau davon lebt die Wissenschaft. Meistens wird das aber nicht gemacht, sondern die Klimaforschung wird insgesamt mit fadenscheinigen Argumenten attackiert.

"Das ist normal"

Meine persönlichen Lieblingsargumente: „Die können doch nicht mal vorhersagen, ob es nächste Woche regnet – und dann wollen sie Prognosen über Jahrzehnte machen?“ - Wer das sagt, hat den Unterschied zwischen Wetter und Klima nicht verstanden. „Es wurde immer wieder mal wärmer, das ist normal.“ – Das zeugt von völlig fehlendem Verständnis der Zeitskalen, die hier eine Rolle spielen. In der Vergangenheit ereigneten sich Temperaturänderungen über viel längere Zeiträume, deshalb konnte sich die Natur auch viel leichter daran anpassen.

Und der absolute Knaller: „Die Angst vor dem steigenden Meeresspiegel ist völlig unbegründet, denn mit einem Eiswürfel in einem Glas Wasser kann man nachprüfen, dass der Wasserspiegel nicht steigt, wenn das Eis schmilzt.“ - Wären Sie bitte so nett, Ihr Physik- und Geographie-Schulbuch der ersten Klasse noch einmal anzusehen? Ich bin inzwischen mal damit beschäftigt, meinen Kopf aus Verzweiflung auf die Tischplatte zu schlagen. Dankeschön.

Unklar ist allerdings nach wie vor, wie wir auf den Klimawandel am besten reagieren sollten. Es gibt drei Möglichkeiten: Wir können aufhören, klimaverändernde Gase in die Luft zu blasen, wir können die Veränderung akzeptieren und versuchen, mit ihr zurechtzukommen, oder wir können durch zusätzliche menschliche Eingriffe den Trend aktiv umkehren.

Eine solche Trendumkehr wäre durchaus vorstellbar. Man könnte zum Beispiel Schwefeldioxid in die Stratosphäre sprühen. Das könnte einen Teil des einfallenden Sonnenlichts reflektieren und die Erde somit kühlen, vergleichbar mit dem Effekt eines großen Vulkanausbruchs. Doch das bringt neue Probleme mit sich: Wenn wir neue massive Eingriffe unternehmen, für die es in der Geschichte keine Präzedenzfälle gibt – wer kann dann sagen, welche Nebenwirkungen das haben kann?

Und angenommen, es funktioniert: Dann wäre eine Einschränkung des CO2-Ausstoßes wohl politisch noch viel schwieriger durchzusetzen, man müsste wohl immer mehr Schwefeldioxid sprühen, das Ökosystem der Welt wäre dauerhaft davon abhängig, dass wir künstlich in die obere Atmosphäre eingreifen – wie ein Patient, der stirbt, wenn er nicht täglich seine Tabletten bekommt. Das ist kein besonders attraktives Szenario. Außerdem würde dieser Schritt nur die Erwärmung stoppen, nicht aber die anderen Auswirkungen der steigenden CO2-Konzentration, etwa die Übersäuerung der Meere.

Wir könnten auch CO2 wieder aus der Atmosphäre herauspumpen und versuchen, es irgendwo zu speichern. Wir hätten dann also einerseits Kohlekraftwerke, die Strom erzeugen und Kohlenstoff in die Luft blasen, und anderswo kilometerlange Filteranlagen, die Strom verbrauchen, um den Kohlenstoff wieder aus der Luft herausholen. Man muss nicht Thermodynamik studiert haben, um zu erkennen, dass das insgesamt nicht wahnsinnig schlau ist. Das gewonnene CO2 müsste man in unterirdischen Reservoirs lagern, etwa in alten Erdgaslagerstätten. Ob das zuverlässig funktioniert, kann heute auch niemand sagen.

Sollen wir die Erwärmung vielleicht einfach hinnehmen? Na gut, dann verschieben sich eben die Klimazonen, manche Küstengebiete werden unbewohnbar – die Leute sollen eben in sicherere Gebiete übersiedeln. Wenn es doch nur so einfach wäre! Was bedeutet das für Wirbelstürme, Meeresströmungen, den Monsun in Asien? Welche politischen Konsequenzen würde es wohl haben, wenn manche Länder eine Klimaerwärmung verursachen, unter der dann andere Länder bitter zu leiden haben?

Keine Alternative zum Klimaschutz

Die einzige sinnvolle und halbwegs sichere Lösung ist also, den menschlichen Einfluss auf das Klima wieder zurückzufahren – und das wäre absolut möglich. Es würde nur Geld kosten. Verschwindend wenig Geld zwar, verglichen mit der weltweiten Wirtschaftsleistung, aber immer noch so viel Geld, dass man ziemlich große Banken damit retten könnte. Soll man wirklich so große Summen in Klimaschutz investieren, auch wenn manche Leute nicht sicher sind, ob es menschengemachte Klimaerwärmung überhaupt gibt?

Wir würden Geld ausgeben um eine nachhaltige, dezentrale Stromversorgung aufzubauen. Wir würden vom Import fossiler Brennstoffen unabhängig werden. Wir würden den öffentlichen Verkehr ausbauen und unsere Luft sauberer machen. Wir würden Ökosysteme bewahren. Wir würden möglichst rasch alle Menschen der Welt mit Elektrizität versorgen, damit sie keine Wälder mehr für die Brennholzgewinnung abholzen müssen.

Und nun stellen wir uns vor, wir machen das alles, und dann stellt sich heraus, die Sache mit der Klimaerwärmung wäre doch nicht so tragisch gewesen wie ursprünglich gedacht. Dann hätten wir versehentlich die Welt verbessert, ohne dass es nötig gewesen wäre. Wie furchtbar!

Die Maßnahmen, die wir zur Rettung des Klimas ergreifen müssen, sind bekannt, und sie sind aus vielerlei Gründen sinnvoll. Selbst vernagelte Klimaerwärmungs-Leugner sollten das anerkennen.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.
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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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