Wie wir das Klimaversagen beenden
Als „kriminellen Verzicht“ bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres die jahrzehntelange Untätigkeit der Staats- und Regierungschef*innen im Kampf gegen die Klimakrise. Die Folgen dieser Untätigkeit zeigt der neue Bericht des Weltklimarats (IPCC), der am 28. Februar präsentiert wurde: Noch schneller, noch heftiger als bisher angenommen droht die Erde sich zu verändern. Der Bericht ist eine Bankrotterklärung unseres Systems zur Bekämpfung der Erderwärmung, bestehend aus wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kompromissen, in denen die Akteur*innen am Tisch um Einzelinteressen und Vorteile feilschen, statt die Rettung des Planeten endlich als gemeinsame Aufgabe zu verstehen, die nur durch Kooperation gelöst werden kann.
„I want you to act as if our house is on fire“, so die berühmten Worte Greta Thunbergs. Vergleicht man die Erde mit einem brennenden Haus, dann würden die Löscharbeiten derzeit so aussehen: Ein paar Bewohner versuchen, das Feuer mit viel zu kleinen Wasserkübelchen zu löschen, während Nachbar*innen die großen Feuerwehrfahrzeuge aufhalten, weil zu großflächige Löscharbeiten ja auch Wasserschäden in ihren Wohnungen verursachen könnten. Der Supermarkt drei Straßen weiter spendet großzügig Feuerlöscher und macht ein karitatives Sonderangebot: Vom Erlös aller Einkäufe in den nächsten 24 Stunden geht ein Teil an die tapferen Feuerwehrleute. Einige Leute verlassen darauf die Löschkette und gehen einkaufen, für die tapferen Feuerwehrleute, die noch immer nicht an den Protestierenden vorbei zum Brand durchkommen. Unterdessen versammeln sich Politiker*innen vor dem brennenden Haus, um den Bewohner*innen zu versichern, dass sie ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen und sie zu ermuntern, die Wasserkübelchen schneller heranzubringen, schließlich könne jeder einen Teil beitragen. Währenddessen bricht das brennende Haus krachend zusammen.
Systemfehler
Genau so sehen die globalen Löscharbeiten zur Klimakrise derzeit aus. Unser System ist gar nicht darauf ausgelegt, ein gemeinsames Ergebnis – die Begrenzung der Erderwärmung – zu erzielen, sondern darauf, möglichst eigene Interessen zu wahren. Diese Interessen lauten wirtschaftliches Wachstum, sozialer Wohlstand und politische Erfolge. Per se wäre das nicht einmal verwerflich, jedoch werden sie derzeit auf Kosten des Kollektivs durchgeboxt: Gegen das Interesse, eine gesunde Umwelt für uns und kommende Generationen zu schaffen. Um das Klimaversagen zu beenden, müssen die Staaten aufhören, den Planeten als Selbstbedienungsladen zu begreifen, und ihn endlich als Gemeingut begreifen.
Eine Anleitung, wie die globalen Führungskräfte dieses Gemeingut effektiv verwalten können, liefert die verstorbene Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom. Die Ökonomin hat tausende gemeinschaftlich genutzte Ressourcen untersucht und zentrale Gestaltungsprinzipien definiert, die erfüllt sein müssen, damit Gemeingüter erfolgreich gerecht von allen genutzt und auf lange Sicht erhalten werden können.
Klare Grenzen
Erstens müssen klare Grenzen entlang einer deutlichen Zielsetzung gesteckt werden. Diese Grenzen sind im Pariser Klimaabkommen vereinbart. Ein zweites wichtiges Prinzip besteht darin, Kosten und Nutzen des Klimaschutzes gerecht auf alle Akteur*innen zu verteilen. Einkommensschwächere Personen und Länder sind weitaus stärker von den Auswirkungen der Klimakrise bedroht, während andere durch Klimaverbrechen zu Wohlstand gelangen. Eine der großen Aufgaben der Staatengemeinschaft besteht darin, dafür einen nachhaltigen und sozial gerechten Mechanismus zu entwickeln.
Drittens erfordert erfolgreicher Klimaschutz eine kollektive Entscheidungsfindung. Klima-Verhandlungen müssen daher denjenigen, die die Auswirkungen der bevorstehenden Klimakatastrophe am stärksten zu spüren bekommen, ein entsprechendes Verhandlungsgewicht gegenüber jenen in privilegierten Machtpositionen verschaffen. Eine entscheidende Rolle zur effektiven Bekämpfung der globalen Erwärmung spielt das Prinzip der Überwachung der vereinbarten Maßnahmen, also etwa durch Messungen und regelmäßige Berichte über eindeutige Ergebnisse. Bislang haben die Staaten diese Anforderungen nicht erfüllt, es gibt weder Einigkeit über Treibhausgasmessungen noch international anerkannte Berichtsmechanismen.
Regelbruch darf sich nicht lohnen
Kollaborativer Klimaschutz hat nur dann Erfolg, wenn es Sanktionen gegen jene gibt, die gemeinsam festgelegten Regeln verletzen. Lippenbekenntnisse reichen nicht. Wenn Klimaschutz endlich tatsächlich als gemeinsames Interesse begriffen wird, dann muss auch ein kompromissloser Sanktionsmechanismus durchgesetzt werden. Regelbruch darf sich für niemanden mehr lohnen. Die Kosten für klimaschädigendes Verhalten müssen den Eigennutzen deutlich übersteigen. Neben schnellen Konfliktlösungsmechanismen und der Anerkennung des Rechts auf Selbstorganisation braucht es schlussendlich gemeinsame Foren, in denen internationale, nationale, regionale und lokale Führungsgremien zusammenarbeiten, um Vereinbarungen kohärent abzuschließen und durchzusetzen,
Die Erfüllung dieser Anforderungen ist eine große Herausforderung, denn sie setzt einen Systemwandel voraus. Aber wir müssen den Weckruf der Wissenschaft, den sie mit dem IPCC-Bericht vorgelegt hat, endlich hören. Die nächste Generation darf völlig zu Recht erwarten, dass wir alles daransetzen, das Klimaversagen zu beenden.