"Ärzte, die ELGA ablehnen, sollten ihre Rolle überdenken"
Zunächst verlief der Programmpunkt "eHealth - Wer soll 'das' bezahlen?" auf dem eHealth Summit Austria am Freitag noch harmonisch. So argumentierte etwa Sektionsleiter Clemens Martin Auer vom Bund, dass die normative, also gesetzliche Festsetzung von eHealth-Standards, zu denen bekannterweise auch die umstrittene elektronische Gesundheitsakte (ELGA) zählt, der beste Weg sei, um Patienteninteressen durchzusetzen und Interoperabilität von technischen Systemen zu erreichen.
Ärztekammer skeptisch
Auch das nachfolgende Impulsreferat von Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, begann mit einer nüchternen Bestandsaufnahme zu den Herausforderungen von eHealth und ELGA für Ärzte und Patienten. Der Hinweis auf normative Regelungen sei gut und Recht, er vermisse allerdings eine Diskussion über die anfallenden Kosten - vor allem für die niedergelassene Ärzteschaft, so Steinhart. Neben den Kosten für die technischen Implementationen werde der durch ELGA entstehende zeitliche Mehraufwand für Ärzte und Personal bislang überhaupt nicht berücksichtigt.
Während gerade die Telemedizin - etwa zum Monitoring des Behandlungsfortschritts von Patienten zuhause oder für das Zuziehen von Fachexperten bei komplexen Behandlungen - sehr vielversprechend sei und Ärzte technischem Fortschritt naturgemäß offen gegenüber stehen, stelle sich bei ELGA schon die Frage der Sinnhaftigkeit. "Es herrscht große Unzufriedenheit unter der Ärzteschaft, da ELGA mit großem bürokratischem Aufwand verbunden ist, der mit der tatsächlichen Behandlung meist wenig bis nichts zu tun hat. Der praktische Nutzen erschließt sich derzeit einfach nicht", meinte Steinhart.
Debatte über Datenschutz
Während Sektionschef Auer in seinem Vortrag das Thema Datenschutz und Datensicherheit als einen Grund angab, warum man das Thema eHealth nicht der Industrie überlassen, sondern als Staat verbindliche Vorgaben machen wolle, stellte Steinhart dies genau beim Thema ELGA in Frage. "Wie derart sensible Daten geschützt werden können, ist eine berechtigte Frage. Ich mache mir ja weniger darüber sorgen, dass Ärzte hier Daten in großem Stil abgreifen, zumal die eine Spur wie ein Elefant im Porzeallanladen hinterlassen. Was aber ist mit EDVlern, die für Wartungsarbeiten in die Ordinationssoftware einsteigen? Wie kann ich als Arzt nachvollziehen, was im Zuge dessen mit den Datensätzen passiert?", meinte Steinhart.
Auch kritisierte der Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, dass Patienten mit der ELGA-Einführung praktisch um ihr Recht gebracht worden sind, das System freiwillig zu nutzen. Hier einen Zwang mit Opt-out-Option durchzusetzen, halte er für den falschen Weg. Zuerst sollte sich das System bewähren, wenn es gut funktioniere und nachweislich einen Mehrwert bringe, würden Patienten und Ärzte ohnehin von sich aus dorthin strömen, plädierte Steinhart einmal mehr für eine freiwillige Opt-in-Lösung. Einer parlamentarischen Anfrage zufolge wollten sich bis April 2014 etwa 162.000 Österreicher aus ELGA abmelden.
Tiefe Gräben
In der nachfolgenden Diskussion wurden die Gräben dann aber deutlich sichtbar. Zur Diskussion um Opt-in und Opt-out machte Auer deutlich, dass die Ärztekammer für die Frage nicht zuständig sei. Die Entscheidung sei vom Gesetzgeber gefällt worden, das könne man nun auch nicht mehr ändern. Was die Kritik aus der Ärzteschaft betrifft, verwies Auer auf diverse eHealth-Projekte weltweit, bei der die Ärzteschaft dieselben Bedenken geäußert habe, nach Etablierung des Systems nun aber zu den größten Verfechtern mutiert sei.
Emotional wurde Auer, als er aus dem Publikum dazu befragt wurde, was er vom medienwirksamen Austritt der Spitzenvertreter des Österreichischen Hausärzteverbandes halte. "Ärzte die glauben, dass sie ELGA als Hilfsmittel nicht brauchen, sollten sich überlegen, ob sie ihre Rolle als Primärversorger in Zukunft überhaupt noch wahrnehmen wollen. An IKT - und somit auch ELGA - kommt man im Gesundheitswesen in Zukunft nicht mehr vorbei. Und dabei geht es weniger um konkrete Lösungen, als um die dahinterliegenden Prozesse", fand Auer deutliche Worte.
Und auch auf die erneut vorgebrachten Datenschutz- und Sicherheitsbedenken reagierte Auer leicht genervt. "Wir tun alles, damit das System sicher ist und der Datenschutz gewährleistet ist. Das ist der gesetzliche und politische Auftrag, aber auch das ethische Selbstverständnis", so Auer. Einen Beweis, ob das geklappt habe, könne man natürlich erst erbingen, wenn das System etabliert sei - eine Aussage, die wiederum Ärztekammer-Vertreter Diethart erboste: "Das ist mir zu wenig, zu sagen, ja wir tun eh alles, was wir können, aber die Daten-Sicherheit können wir halt nicht gewährleisten."