"Bei Handy-Apps gibt es mehr Datenschutz als im Auto"
Autos werden in Zukunft immer häufiger vernetzt. Grund dafür ist nicht nur die fortschreitende Entwicklung bei den Auto-Herstellern, sondern auch eine EU-Regulierung: Ab 31. März 2018 kommt in allen neuen Auto-Modellen der sogenannte Autonotruf eCall zum Einsatz. Damit setzt das Auto nach dem Unfall selbstständig einen Notruf ab. Dadurch sollen Rettungskräfte schneller am Unfallort ankommen und das System soll im Idealfall Leben retten.
eCall als Trigger
„Der eCall ist an und für sich ein schlafendes System, bei dem die Daten nur dann übermittelt werden, wenn etwas passiert“, erklärt Bernhard Wiesinger, Experte beim Autofahrerclub ÖAMTC, beim qTalk des Datenschutzvereins quintessenz im Wiener Museumsquartier. Allerdings haben bereits zahlreiche Autohersteller ähnliche Notrufsysteme in ihren Autos verbaut. Diese wurden nun von der EU ebenfalls zugelassen. In diesem Fall nimmt das Call Center des Fahrzeugherstellers Kontakt mit den jeweiligen Einsatzzentralen auf.
Doch die privaten Systeme der Hersteller haben Nachteile für Konsumenten: „Über die im Auto verbauten Schnittstellen können von den Herstellern permanent Daten ausgelesen werden. Bei diesen Notrufsystemen wird das Ausmaß der Datenübertragung nicht reguliert,“ erklärt Wiesinger. Derzeit sehe es so aus, als würde ein Großteil der europäischen Autohersteller ihre hauseigenen Notrufsysteme integrieren. Damit wird das automatische Hilfeholen aus der Sicht Wiesingers der Trigger für eine problematischen Entwicklung: Der permanenten unkontrollierten Datenübertragung von Fahrzeugdaten an den Hersteller.
Hersteller hat Zugriff
Immer mehr Modelle sind bereits jetzt über eine SIM-Karte ans Internet angebunden und übertragen zahlreiche Daten. Darunter befinden sich neben technischen Daten auch Informationen über die Kilometerleistung, das Fahrverhalten oder Kontakte aus dem Handy der Fahrzeugbesitzer. Auf all diese Daten hat derzeit allerdings nur der Hersteller Zugriff. Dieser nutzt sie etwa, um sie an Vertragswerkstätten zu übermitteln. Freien Werkstätten können nicht auf diese Daten zugreifen und werden dadurch benachteiligt. „Es gibt derzeit im nationalen Gesetz kein Recht auf eine Wahl einer freien Werkstätte“, so Wiesinger.
„Derzeit ist vielen noch nicht bewusst, was man mit den Daten alles machen kann“, sagt Datenschutz-Experte Georg Markus Kainz. Neben dem Hersteller haben auch Versicherungen Interesse an den gesammelten Daten, um etwa Tarife passend zum Fahrstil anzubieten. Laut einer Umfrage des ÖAMTC in Zusammenarbeit mit dem Dachverband der Automobilbranche FIA wünschen sich 90 Prozent der Autobesitzer selbst Zugriff auf diese Daten. 76 Prozent der Befragten wollen zudem selbst bestimmen, wann und wie lange von wem auf diese Daten zugegriffen wird. Dies ist derzeit in der Regel nicht möglich.
Nutzer wollen Zugriff
Käufer eines neuen, vernetzten Autos unterzeichnen beim Händler einen mehrseitigen Vertrag mit entsprechenden Klauseln, die besagen, dass die Daten vom Hersteller uneingeschränkt genutzt werden dürfen. „95 Prozent der Befragten wünschen sich hier aber eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Daten im vernetzten Fahrzeug“, sagt Wiesinger. Er bemängelt weiters: „Bei Handy-Apps gibt es mehr Datenschutz als im Auto.“ Am Smartphone können Nutzer selbst einstellen, ob die ortsbezogenen Daten übertragen werden dürfen, oder nicht.
„Ich glaube nicht, dass sich die Digitalisierung des Kfz-Verkehrs aufhalten lassen wird, aber die Frage, dass die Autofahrer selbst entscheiden können, welche Daten übertragen werden und wer darauf Zugriff hat wird zentral sein“, sagt der Netzpolitik-Sprecher Albert Steinhauser von den Grünen beim qtalk.
Profilbildung möglich
Gefährlich ist laut Wiesinger vor allem die „Kombination der Daten“. „Einzelne technische Daten können langweilig sein, aber wenn man sie richtig kombiniert, können sie sogar sehr nahe an personenbezogene Daten herankommen, mit denen man Nutzerprofile erstellen kann“, erklärt Wiesinger.
Doch wie kann man diesen Daten-Wildwuchs der Autoindustrie nun regeln? Steinhauser plädiert daher auf „Datensparsamkeit“. Wiesinger fragt sich: „Der Airbag im Auto war nicht vorgeschrieben, sondern es gab eine Selbstregulierung. Warum sollten wir nicht eine ähnliche Regulierung in diesem Bereich schaffen?“
Der ÖAMTC hat mit „mein Auto, meine Daten“ auf EU-Ebene gemeinsam mit der FIC eine Informationskampagne gestartet, um das Problem zu thematisieren. „In der Politik ist dieses Thema noch nicht wirklich angekommen. Es gibt hier noch kein Problembewusstsein“, merkt Steinhauser an. Es liegt daher noch ein langer Weg vor den Autofahrerclubs und Datenschützern.
Was ist eure Meinung zu vernetzten Autos? Würdet ihr freiwillig eure Nutzungsdaten hergeben oder wünscht ihr euch mehr Regulierung? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.