"Clean IT ist keine Geheimverhandlung"
Die EU hat mit " Clean IT" vor einiger Zeit ein länderübergreifendes Projekt gestartet, mit dem "Terrorismus im Internet" bekämpft werden soll. Laut einem geheimen, aber an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf, der wie sich mittlerweile herausgestellt hat, lediglich eine "Ideensammlung" darstellen soll und kein "endgültiger Plan" sei, sollen dazu z.B. künftig alle Internet-Verbindungen überwacht werden dürfen. Mitterlweile gibt es einen neueren Entwurf vom 24. Oktober im Netz, der den aktuellen Stand der Dinge widerspiegelt. Dieser wird als Basis für die Konferenz in Wien, an der auch das österreichische Innenministerium mit einer Vertreterin aus dem Büro für Sicherheitspolitik teilnimmt, dienen.
Darin versucht man sich beispielsweise an einer Begriffsfindung für " Terrorismus". Laut netzpolitik.org sind einige Sachen allerdings explizit kein Terrorismus, darunter “politische Rede, Berichterstattung über Terrorismus in den Medien, nicht-gewalttätiger Extremismus, Hacktivismus und akademische Studien über Terrorismus.” Weiter im Entwurf enthalten sind Forderungen nach einem "Alarmknopf im Internet" oder die Erlaubnis für den Einsatz von automatischen Filtersystemen wie Deep Packet Inspection.
Forderung nach Klarnamenzwang gestrichenManche Forderungen wurden allerdings gestrichen. Darunter befindet sich etwa die Forderung nach einer "Schaffung gesetzlicher Grundlagen für einen Klarnamenzwang, um eine anonyme Nutzung von Online-Diensten zu unterbinden". Pascal Gloor, Vizepräsident der Piratenpartei Schweiz, nahm an den "Clean IT"-Verhandlungen in Utrecht (Niederlande) teil. Er konnte laut eigenen Aussagen die Arbeitsgruppe "Real Identity Policy" davon überzeugen, diese Forderung zu streichen. "Ich habe mir große Mühe gegeben, um die Sinnlosigkeit und Unwirksamkeit dieser Maßnahme zu erklären. Zu meiner Überraschung wurden meine Argumente verstanden und nach rund 45-Minuten-Diskussion war der Konsens eindeutig", heißt es in seinem Blogeintrag, übersetzt von Thomas Bruderer.
Gloor bekräftigte in seinem Blogeintrag zudem die Beschwichtigungen des Projektleiters: "Man muss auch verstehen, dass dies ein Arbeitsdokument ist. Ideen wurden aneinandergereit: machmal abwegige, manchmal weniger abwegige, manche ernsthaft, manche irrelevant. Es ist in keinem Fall ein konkreter Vorschlag, sondern eine Arbeitsgrundlage. Bei den Sitzungen der Arbeitsgruppe werden die Punkte studiert, diskutiert, korrigiert, entfernt oder verbessert."
"Es ist ein offener Meinungsaustausch"Auch Asiem El Difraoui, Jihad-Experte, Politologe und "Clean IT"-Berater, schilderte kürzlich in einem Interview mit irights.info, wie es bei "Clean IT"-Arbeitstreffen zugeht: "Das in den Arbeitspapieren zunächst mal viel Unausgegorenes steht, ist normal. Innerhalb des Projekts werden die teils kontroversen Vorschläge ganz sicher auch kontrovers diskutiert. Da wird auch gestritten. Das ist ein offener Meinungsaustausch, keine Geheimverhandlung. Am Ende des Projekts legt Clean-IT dann ein Policy-Paper vor, also Anregungen zum Nachdenken, Handlungsoptionen für die Politik. Über konkrete Maßnahmen müssen dann die Volksvertreter entscheiden."
Laut El Difraoui braucht es in Deutschland keine neuen Gesetze, um gegen jihadistische Webseiten vorzugehen. "Wir haben gesetzlich definiert, wann etwas Volksverhetzung ist, zur Bildung einer terroristischen Vereinigung beiträgt oder gegen den Jugendschutz verstößt. Aber die Überwachung kann verbessert werden. Es gibt ja schon das gemeinsame Internetzentrum in Berlin, an dem auch Islamwissenschaftler Internetseiten beobachten, auch der Verfassungsschutz macht das. Aber auch sie finden nicht alles. Ein Aufruf zum Mord, zum Rassenhass, zur Gewalt muss sehr schnell gefunden und entfernt werden. Das gilt genauso wie für den Aufruf, Muslime oder Angehörige irgendeiner anderen Volksgruppe zu töten", sagt El Difraoui zu irights.info. Er hofft, dass aufgrund des "Wirbels um Clean IT" nun eine breite Diskussion darüber in Gang kommt, welche Überwachungsmethoden im Zuge der Terrorabwehr erlaubt sein sollen und welche nicht.
Anfrage an die deutsche BundesregierungIn Deutschland hat der Linke-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko vor kurzem eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. In der Anfragebeantwortung (PDF) rechtfertigte die deutsche Bundesregierung "Clean IT". "Clean IT" beschränke sich auf "gewalttätige oder -befürwortende Formen des Terrorismus und Extremismus", heißt es darin. Aus der Anfragebeantwortung geht zudem hervor, dass Projektpartner von "Clean IT" nicht ausschließen würden, automatische Erkennungssysteme für verdächtige Inhalte einsetzen zu wollen. "Filtertechnologien stehen an sich nicht im Widerspruch zu völkerrechtlichen Vereinbarungen und Verträgen", so das zuständige Ministerium. Wie gefährlich sogenannte "automatische Erkennungssysteme für verdächtige Inhalte" sein können, wird derzeit am deutlichsten am Beispiel Russland sichtbar. Dort werden
unter dem Deckmantel des"Kinderschutzes" auch Websites von der Opposition gesperrt.
Über Firmen, die an den bisherigen Projekttreffen teilgenommen haben, erteilte das zuständige Ministerium keine Auskunft. Für Hunko macht vor allem die "Geheimniskrämerei" Projekte wie "Clean IT" gefährlich. Die Öffentlichkeit müsse wissen, wer beim Treffen in Wien die Inhalte vorgibt, forderte Hunko laut einem Bericht von heise.de. Eine grobe Liste, welche Einrichtungen und Personen an "Clean IT" teilnehmen findet man auf der offiziellen Projektseite.
"Keine Budgetmittel des BMI"Aus der Anfragebeantwortung der deutschen Bundesregierung geht zudem hervor, wie hoch die Kosten für "Clean IT" tatsächlich sind: Dem Projekt stehen insgesamt 407.134 Euro zur Verfügung. 80 Prozent davon werden von der EU getragen. Bei der heute startenden Konferenz in Wien, die im Innenministerium stattfindet, handelt es sich voraussichtlich um die Abschlusskonferenz. Die Ergebnisse von "Clean IT" sollen im Februar 2013 präsentiert werden, ein genauer Termin steht noch nicht fest. Ein Sprecher des Innenministeriums (BMI) betonte gegenüber futurezone.at, dass keine Budgetmittel des BMI zur Finanzierung des Projekts oder der Konferenz herangezogen wurden. "Das BMI, vertreten durch eine Person aus dem Büro für Sicherheitspolitik, diskutiert nur mit, ist aber nicht Teil des Projektkonsortiums", so der Sprecher.
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