Netzpolitik

Das Zeitalter des Filesharing ist vorbei

Darüber, dass man heutzutage nach wie vor ein Urheberrecht braucht, waren sich am Podium alle einig. Änderungsbedarf orteten sie jedoch auch. Und der sieht je nach Interessenslage unterschiedlich aus. Konkrete Vorschläge blieben bei der Diskussion zwischen Michael Bauer vom Verein der Internet-Benutzer Österreichs (vibe.at), Franz Medwenitsch vom Verband der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI), Ferdinand Morawetz vom Verein Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP) und Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit (IFNF) jedoch aus.

"Können Recht nicht durchsetzen"
"In Österreich funktioniert die Rechtsdurchsetzung derzeit nicht", sagte IFPI-Vertreter Franz Medwenitsch und sorgte damit für Aufregung in der Runde. Er spielt dabei auf den Auskunftsanspruch der Internetprovider an, der zwar im Urheberrechtsgesetz festgehalten ist, derzeit aber aufgrund eines

und einerÄnderung in der Strafprozessordnungnicht durchgesetzt werden kann.

Rechteinhaber können deshalb derzeit nicht mit der Hilfe eines Gerichts oder eines Staatsanwaltes rechnen, wenn sie Nutzer hinter dynamischen IP-Adressen ausforschen wollten. Zwar billigt das österreichische Urheberrechtsgesetz (Paragraf 87b Abs 3) den Rechteinhabern diese Möglichkeit grundsätzlich zu, der OGH kam jedoch zu dem Schluss, dass die Verarbeitung von Verkehrsdaten zu diesem Zweck nach der derzeitigen Rechtslage rechtswidrig ist.

"Ich bin kein Sheriff, aber es hat keinen Sinn ein Recht zu haben und es nicht durchsetzen zu können." Medwenitsch forderte, dass Provider Auskunft geben müssten. Zum Schutz der Privatsphäre des Einzelnen sollte dies aber nur mit richterlichem Beschluss möglich sein. „Es gibt keinen Grund, warum sich Staatsanwälte damit beschäftigen sollten, weil Urheberrechtsverletzungen sind kein Offizialdelikt“, entgegnete Netzaktivist Markus Stoff von der IFNF. Üblicherweise sei jemand, der einen Zivilprozess führen will, darauf angewiesen, sich relevante Daten über den Beklagten selbst zu besorgen.

"Zeitalter des Filesharing ist vorbei"
Die Industrie habe in der Regel kein Interesse Privatnutzer zu verklagen. "Die Frage ist allerdings, ob bzw. ab wann es im Privatanklageverfahren wieder ein Ermittlungsverfahren geben wird. Das halte ich für notwendig und vertretbar, vor allem bei folgenschweren Urheberrechtsverletzungen", so der IFPI-Geschäftsführer. Das Zeitalter des Filesharing sei vorbei, der Digitalmarkt sei aber dennoch von "illegalen" Angeboten bedrängt. Als Beispiel nannte er etwa Fileshosting-Angebote. „Im Internet sind alles Nachbarn – derselbe Song ist direkt nebeneinander legal und illegal erhältlich“, so Medwenitsch.
 
Dennoch gebe es in der Branche einen gewissen Optimismus, weil neue Modelle wie etwa der Musik-Streaming-Dienst Spotify gut angenommen würden. Es werde zudem deutlicher, dass das Besitzen von Musik inzwischen deutlich weniger relevant sei als der ermöglichte Zugang zu Musik, so Medwentisch. „Wir haben in der Vergangenheit sicher viele Fehler gemacht. Wir begreifen auch langsam, dass man die Rückgänge der Einnahmen möglicherweise niemals kompensieren kann", so Medwenitsch. "Der Markt ist einfach kleiner geworden und das Entertainment-Budget teilt sich heutzutage ganz anders auf.“

Creative Commons als freie Alternative
Zur Sprache kamen auch alternative Lizenzen, wie das Lizenzierungsmodell Creative Commons, das Urhebern die Chance gibt, ihre Werke weniger restriktiv zu schützen und etwa bei gewissen Lizenzen Nutzern das Recht einräumt, Werke zu nicht kommerziellen Zwecken zu verbreiten und zu verändern. Creative Commons könne nicht die alleinige Lösung darstellen, sagte Netzaktivist Bauer.  „Es ist aber sehr förderungswürdig, wenn man der Allgemeinheit bestimmte Nutzungsarten der Werke einräumen kann."

Künstler könnten ohnehin frei entscheiden, ob sie Creative-Commons-Lizenzen verwenden wollen, sagte Medwenitsch. „Creative Commons widerspricht nicht mit dem Urheberrecht. Es bleibt jedoch die Frage, wie sich diese mit den Verwertungsmodellen verstehen." Hier gebe es nach wie vor Probleme, die man administrativ lösen müsse.

Wenn ein Künstler etwa ein Monat lang sein Werk unter CC-Lizenzen stellen wolle, und im nächsten Monat wieder nicht, sei dies für Verwertungsgesellschaften wie die AKM problematisch, so Medwenitsch. Die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA bestätigte diese Ansicht vor kurzem gegenüber der futurezone: "Die Rechtewahrnehmung der GEMA lässt sich nicht mit Creative Commons vereinen", sagte der GEMA-Sprecher dazumals. In Dänemark, Frankreich und den Niederlanden gibt es allerdings bereits Pilotprojekte, im deren Rahmen Mitglieder von Verwertungsgesellschaften spezielle Werke über Creative Commons freigeben können.

Regelungen auf EU-Ebene
Dass auch Rechteinhaber manchmal Werke unautorisiert vervielfältigen müssen, führte VAP-Präsident Morawetz aus. Morawetz erläuterte, dass er für Journalisten Kopien der Filme auf DVDs anfertigen müsse, damit diese die Filme vorab rezensieren können. "Wir hoffen natürlich immer darauf, die DVDs auch wieder zurückzukriegen", fügte er hinzu. Sowohl Morawetz als auch Medwenitsch sprachen sich dafür aus, dass das Urheberrecht auf EU-Ebene geregelt werden müsse. „Wir brauchen ausgewogene Lösungen, die auch dem Medium Internet gerecht werden.“

Netzaktivist Stoff forderte, dass man sich künftig auch Lösungen wie die der Kulturwerktmark, die der Chaos Computer Club (CCC) in Deutschland ins Spiel gebracht hat, anschauen müsse. Das Kulturwerkmark-System des CCC sieht vor, dass jeder Teilnehmer einen festen monatlichen Betrag ins System einzahlt, die er dann in Form einer Kulturwertmark an Künstler seiner Wahl vergeben kann. Als Ausgleich würden die Werke nach einigen Jahren oder nach Erreichen einer bestimmten Kulturwertmark-Auszahlsumme jedem zur nicht-kommerziellen Nutzung zur Verfügung stehen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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