Netzpolitik

EU-Länder fürchten russische Einflussnahme auf Europawahl

Euroskeptische Populisten auf der einen Seite, Pro-Europäer auf der anderen - und was macht Russland? Die Frage, ob und wie von Moskau aus Einfluss auf die Europawahl im Mai genommen wird, beschäftigt Sicherheitsexperten in Brüssel und in zahlreichen EU-Ländern. Denn gewinnen die Europakritiker an Einfluss, dann könnte das auch Russland nutzen. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Menschen versuchen werden, die Debatte zu manipulieren und das Ergebnis der Europawahl zu verfälschen", sagte EU-Sicherheitskommissar Julian King der französischen Tageszeitung "L'Alsace". Ein Mitglied der französischen Sicherheitsbehörden bestätigt Kings Einschätzung: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns ein Großangriff trifft".

Westliche Experten haben bei solchen Prognosen vor allem Russland im Blick. Zwar hat Moskau Vorwürfe stets zurückgewiesen, es mische sich durch Desinformationskampagnen in sozialen Medien in Wahlen ein oder stecke hinter Hackerangriffen. Andererseits würde Russland von einem Erstarken europakritischer Kräfte in Europa durchaus profitieren - manche Europakritiker befürworten zum Beispiel ein Ende der Sanktionen, die die EU nach der russischen Annexion der Krim gegen Russland verhängt hatte.

Mehrstufiger Angriff

Als größte Bedrohung gilt den Sicherheitskräften ein dreistufiger Angriff, wie er bereits bei anderen wichtigen Wahlen zu beobachten war: ein Hackerangriff auf eine politische Partei, gezielte Leaks sensibler Daten - sei es als Rohmaterial oder in manipulierter Form - und heimliche Social-Media-Kampagnen, um die geleakten Daten möglichst weit zu verbreiten. So geschehen beispielsweise bei der US-Präsidentschaftswahl 2016, als die Demokratische Partei gehackt wurde, oder beim Hackerangriff auf die Partei von Emmanuel Macron im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2017 in Frankreich. Damals waren tausende von Datensätzen online veröffentlicht worden. Auch beim Brexit-Referendum gab es Anzeichen für diese Art von Einflussnahme.

Schon im Jänner hatte die Europäische Kommission Unternehmen wie Google und Twitter dazu aufgerufen, wie versprochen mehr im Kampf gegen "Fake News" zu tun - etwa, indem sie gefälschte Benutzerkonten sperren oder dafür sorgen, dass dubiose Seiten weniger prominent in den Suchergebnissen auftauchen. In Frankreich haben die Sicherheitsbehörden nach AFP-Informationen zudem eine "Wache für Medien und soziale Netzwerke" eingerichtet, die vor allem im Auge behalten soll, wie Konflikte innerhalb der französischen Gesellschaft in russischen Medien dargestellt werden.

Russisches Arsenal

Nach Einschätzung von Kévin Limonier, Wissenschaftler am Französischen Geopolitischen Institut in Paris, hat Russland "ein Informationsarsenal entwickelt, zu dem Manipulationsstrategien mit Hilfe von Bots und gefälschten Accounts gehören". Dahinter stecke der Geschäftsmann und Vertraute von Präsident Wladimir Putin, Jewgeni Prigoschin, der auch als Finanzier des russischen Militärunternehmens Wagner gilt. Auch hinter den jüngsten Cyber-Angriffen etwa auf den deutschen Bundestag und die NATO soll eine russsische Hackergruppe stecken, die unter einer ganzen Reihe von Namen bekannt ist - etwa Fancy Bear, Pawn Storm oder APT28.

"Zahlreiche Schritte werden oder wurden bereits unternommen, damit die EU und ihre Mitgliedsländer im Falle eines Angriffs schnell, wirksam und koordiniert reagieren können" heißt es im internen Bericht eines europäischen Sicherheitsdienstes, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Bisher handle es sich dabei aber vor allem um Absichtserklärungen, die noch nicht getestet worden seien. Bei aller Vorbereitung sei es wichtig, die geplanten Schritte nicht allzu publik zu machen, rät Geopolitik-Experte Kévin Limonier: "Je mehr man diesen Krieg öffentlich macht, desto mehr riskiert man, dass die Bedrohung größer erscheint, als sie ist."

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