Fünf Fragen zu Netzneutralität und Internet
Sollen Telekombetreiber per Gesetz zur Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Internet verpflichtet werden? Die futurezone hat im Rahmen der Serie "Fünf Fragen zu ..." zur Nationalratswahl 2013, die neun bundesweit antretenden Parteien zu ihren Positionen zu Netzneutralität und Internet befragt. Mit Ausnahme der FPÖ sprechen sich alle Parteien für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität aus. SPÖ und ÖVP wollen dies auf europäischer Ebene verwirklichen. Auch eine "Drosselkom", wie es in Deutschland im Frühjahr die Gemüter erregte, ist in Österreich von den meisten Parteien nicht erwünscht.
Wenig standhaft erwies sich die ÖVP beim Einsatz von Porno-Filtern. Hieß es Anfang August noch, Porno-Filter seien zum Schutz für Kinder und Jugendliche "durchaus denkbar", so lehnt die ÖVP nun - ebenso wie alle anderen bundesweit antretenden Parteien - diese Maßnahme ab. Für ein Recht auf Internet sprechen sich vor allem die kleineren Parteien aus. Das Internet eher als öffentliches Gut, denn als kommerziellen Dienst, sieht neben den Grünen und den Piraten auch das Team Stronach.
ÖVP: Die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität ist Teil unseres Wahlprogramms und ist in der nächsten Legislaturperiode im europäischen Einklang umzusetzen.
FPÖ: Das Internet ist ein freies und neutrales Medium und das muss es bleiben. Gesetzlich Grundlagen für Freiheit zu schaffen, bedeutet jedoch eine Beschränkung an und für sich. Gesetzliche Regelungen sollte der letzte Ausweg sein. Hier ist vorab sehr stark die Verantwortung und Vernunft der Handelnden gefordert. Anmerkung: Gesetzliche Beeinflussung könnte ohnehin nur im nationalen Rahmen erfolgen. Auf Zuwiderhandelnde außerhalb des Einflussbereiches hätte man gesetzlich auch keine Zugriffsmöglichkeit. Somit wäre Neutralität auf gesetzlichem Wege schwer zu erreichen bzw. nur über internationale Zusammenarbeit.
BZÖ: Die Entwicklung des Internets hat zahlreiche komplexe Fragestellungen mit sich gebracht, die einer weiterführenden Diskussion bedürfen. Dies gilt auch in Bezug auf die - EU-weit sehr unterschiedlich und teils sehr emotional diskutierte - Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität. Ziel muss es sein, die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz angesichts der rasanten Weiterentwicklung des Internets auch künftig sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund eher ja.
Grüne: Die ökonomisch motivierte Privilegierung bestimmter Internetinhalte würde die Idee des Internets aushöhlen und den Telekommunikationsunternehmen zumindest mittelbar Einfluss auf Inhalte des Internets ermöglichen. Die neutrale Datenübermittlung ist eine Bedingung für den freien Transport von Daten und Informationen. Ziel muss es daher sein, dass Datenpakete auch künftig „neutral“ übermittelt werden. Die InternetnutzerInnen müssen selbst frei entscheiden können, welche Inhalte sie senden und empfangen bzw. welche Dienste und Anwendungen sie nutzen.
TelekommunikationsdienstanbieterInnen sollen nicht in die Kommunikationen ihrer NutzerInnen eingreifen dürfen. Die Beeinflussung von Verfügbarkeit, Priorisierung oder Bandbreite weitergeleiteter Daten darf sich nicht nach Inhalten der Datenpakete oder der Art der Anwendungen richten. Ohne garantierte Netzneutralität würde möglicherweise der Inhalt oder der Absender den Weg eines Datenpakets beeinflussen. Deshalb stehen die Grünen für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz.
KPÖ: Ja, es muss gesichert sein, dass bei der Nutzung des Internets alle gleich behandelt werden. Ein Internet für Arme und eines für Reiche oder Mächtige darf es nicht geben. Es ist bezeichnend, dass die gegen Netzneutralität sind, die sich davon Profit versprechen.
NEOS: Ja - eine Bevorzugung bestimmter Daten würde Privatsphäre und Datenschutz ad absurdum führen.
Piraten: Ja. Die Piratenpartei Österreichs fordert den strikten Schutz der Netzneutralität. Daten müssen ungeachtet ihrer Herkunft und ungeachtet dessen, welche Applikation sie generiert hat, gleichberechtigt und unverändert transportiert werden. Nur durch einen neutralen Netzzugang kann eine „Überholspur für Konzerne“ verhindert werden und die Medienvielfalt und Meinungsfreiheit, die das Netz so einem so wichtigen Kommunikationsmittel machen, gesichert werden. Netzneutralität sichert neben der Meinungsfreiheit im Netz aber auch die wirtschaftliche Weiterentwicklung von innovativen Serviceanbietern und verhindert die Entstehung von Informationsmonopolen. Wir schließen uns bei der Umsetzung konkret den sieben Forderungen der Kampagne UnserNetz.at an.
Team Stronach: Ja
ÖVP: Derartige Beschränkungen sind ein klarer Verstoß gegen die Netzneutralität und damit nicht akzeptabel. Zu überprüfen ist freilich, welche Dienste etwa aus lebensnotwendigen Gründen auszunehmen sind. „Drosselkom“ ist nur zum Teil ein Problem der Netzneutralität. Denn die Beschränkung eines Vertrags auf Übertragung nur eines gewissen Datenvolumens mit einer bestimmten Geschwindigkeit ohne Ausnahme eigener Dienste wäre kein Thema der Netzneutralität. Prinzipiell ist die Frage, ob eine Drosselung der Internetgeschwindigkeit ab einem bestimmten Datenvolumen akzeptabel ist, eine Frage der Vertragsfreiheit, also nicht so ohne weiteres zu verurteilen. Da eine derartige Drosselung aber Fortschritt, Weiterentwicklung und Wirtschaftswachstum behindern kann, wird man sich sehr genau anschauen müssen, ob man nicht Mittel und Wege findet, derartige Entwicklungen zu verhindern.
FPÖ: Nein
BZÖ: Grundsätzlich eher ja. Allerdings darf die Kritik, dass Geschäftsmodelle, die auf die Einführung von entgeltpflichtigen Diensteklassen beruhen, eine potentielle Gefahr für die Angebotsvielfalt sowie die Informations- und Meinungsfreiheit bedeuten können, in diesem Zusammenhang nicht vernachlässigt werden. Eine derartige Regelung kann daher nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert werden, dass negative Auswirkungen auf Inhalteanbieter und Verbraucher vermieden werden müssen.
Grüne: Nein. "Drosselkom" widerspricht dem Prinzip der Netzneutralität. Deswegen sprechen sich die Grünen klar dagegen aus.
KPÖ: Auch das dient, über Eingriffe in bestehende Verträge, nur der Profit-Maximierung der Telekom-Konzerne. Deshalb lehnt die KPÖ solche Maßnahmen ab. Einen technischen Grund dafür gibt es in Wirklichkeit nicht.
NEOS: Nein
Piraten: Nein. Eine Volumensbeschränkung nach Vorbild Drosselkom ist für die Piratenpartei nicht mit der Vorstellung von freier Nutzung digitaler Kommunikation vereinbar. Sowohl die Anbieter eines Dienstes als auch dessen Konsumenten würden von einer gezielten Sperrung oder Drosselung ihrer Übertragungen auf inakzeptable Weise eingeschränkt. Die Piratenpartei Österreichs tritt für das Grundrecht auf einen diskriminierungsfreien Breitband-Internetzugang ein.
Team Stronach: Nein
ÖVP: Die ÖVP setzt sich klar für einen Schutz von Kindern vor Pornographie ein. Das britische Muster eines automatischen Pornofilters für alle Anschlüsse wäre ein Verstoß gegen die in unserem Wahlprogramm fixierte Netzneutralität und kommt daher nicht in Frage. Viel mehr geht es darum, dass Provider in Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten die Möglichkeit bieten, Kinder von pornographischem Material fernzuhalten.
FPÖ: Nein
BZÖ: Das BZÖ tritt generell gegen eine immer stärker werdende Verbotspolitik ein. Ob jemand, der volljährig ist, Pornografie konsumiert oder nicht, ist aus Sicht des BZÖ keine Frage der Moral, sondern der freien Entscheidung. Der Grundsatz „Selbstbestimmung statt Verbotspolitik“ ist ein zentraler Leitfaden unserer Politik, verpflichtende Filter lehnen wir daher ab. Gleichzeitig muss aber der Kinderschutz ausreichend gewährleistet sein. Hier gibt es bereits Modelle und Programme von Providern, wo Eltern Computer ihrer minderjährigen Kinder mit einem Filter für "nicht kindertaugliche" Seiten ausstatten können. Zudem muss die Aufklärung über die Problematik von "nicht kindgerechten" Inhalten im Netz ausgebaut werden.
Grüne: Die Grünen haben sich immer strikt gegen Internet-Sperren und -Zensur ausgesprochen. Provider dürfen nicht als Hilfssheriffs missbraucht werden. Illegal ist illegal und legal ist legal, auch im Netz. Bei illegalen Inhalten wie z.B. Kinderpornografie stehen wir für ein Löschen statt Sperren. Der britische Vorschlag gefährdet sowohl die Freiheit des Internets, als auch die Privatsphäre. Sinnvoll hingegen sind Aufklärungskampagnen, wie man zuhause, etwa beim gemeinsamen Familien-Computer, Software einsetzen kann um Seiten mit pornographischem Inhalt zu filtern.
KPÖ: Nein, technisch gesehen treffen Filter nicht 100 prozentig, wie an den Familienfiltern der Browser zu sehen ist. Jugendliche werden dadurch nicht geschützt, es wird aber die Freiheit des Internet beschränkt. Unsere Gesellschaft muss auf politischer und solidarischer Ebene Wertemaßstäbe entwickeln, die selbstbestimmten Umgang mit solchen Inhalten den Weg bereitet. Camerons Vorschlag betreibt Kosmetik an der Oberfläche.
NEOS: Jede Art von Filter ist für technisch Versierte kaum ein Hindernis. Zudem stehen wir zum Prinzip der Eigenverantwortung und lehnen sinnlose bürokratische Ge- und Verbotsreflexe grundsätzlich ab.
Piraten: Nein. Die „Pornosperre“ würde Provider de facto zur Einrichtung einer staatlich vorgeschriebenen Zensurinfrastruktur verpflichten, deren Missbrauchspotenzial inakzeptabel hoch wäre. Wir lehnen die Schaffung einer solchen Infrastruktur nach Vorbild der ostdeutschen Stasi oder der chinesischen „Great Firewall“ ab und treten für diskriminierungsfreies Internet für alle Bürger ein. Wer die Listen blockierter Inhalte bestimmt, hätte unverhältnismäßigen Einfluss auf die Informations- und Kommunikationswege der Mehrheit der Benutzerinnen und Benutzer. Eine schleichende Ausweitung der Maßnahmen über pornographische Inhalte hinaus wäre zu befürchten. Durch das „Opt-Out“-Modell würden weiters Listen geführt werden müssen, welche Kundinnen und Kunden Zugriff auf gefilterte Inhalte wünschen, was einen unzumutbaren Eingriff in ihre Privatsphäre darstellen würde.
Wo Jugendschutz gewünscht ist, gibt es für die verantwortlichen Erziehungsberechtigten eine Vielzahl freiwillig nutzbarer Kinderschutz-Software, über deren Existenz und Gebrauch staatliche Stellen aufzuklären können. Wir erwarten von einer Regierung, dass Sie Ihrem Informationsauftrag den Eltern gegenüber nachkommt und nicht stattdessen bei den Providern die technischen Voraussetzungen zu einer Staatszensur herstellen lässt.
Team Stronach: Nein
ÖVP: Hier kommt es sehr genau auf die Definition an, die gerade der von Michael Spindelegger und Hannes Rauch eingesetzte Arbeitskreis Netzpolitik erarbeitet. Ein Recht auf Internetzugang im Sinn von Gratis-Internet für alle wird es wohl nicht geben. Internet-Sperren, etwa nach dem Muster der „Three strikes out“ Regelung lehnen wir bereits in unserem netzpolitischen Grundsatzpapier 2012 ab. Ein Recht auf Internetzugang im Sinn des Verbots, diesen zu verhindern, können wir uns also sehr gut vorstellen.
FPÖ: Das Internet ist schon seit Jahren nicht mehr als Informationsmedium und Kommunikationskanal nicht mehr wegzudenken. Ja, jeder soll das Recht auf einen neutralen Internet-Zugang haben.
BZÖ: Das BZÖ hat jüngst einen freien Internetzugang für alle gefordert. Konkret soll jeder eine kostenlose SIM-Karte in Form einer Pre-Paid-Card mit einem Gigabyte monatlichem Downloadvolumen erhalten. Zudem tritt das BZÖ für die Schaffung eines breiten, kostenlosen WLAN-Angebots in zentralen Hotspots und öffentlichen Gebäuden ein, um freien Internetzugang für alle Schichten zu gewährleisten.
Grüne: Der Zugang zum Internet muss für alle garantiert werden können und gesetzlich festgeschrieben sein um demokratische Teilhabe zu ermöglichen. Zugang zu Informations- und Kommunikationstechniken darf nicht von sozialen Faktoren abhängig sein.
KPÖ: Ja, Kommunikation und Wissenserwerb gehen heute ohne Internet nicht mehr. Die KPÖ fordert daher kostenlose Internetanbindung für Haushalte.
NEOS: Der Zugang zum Internet ist ein kommerzieller Dienst, der so gestaltet sein soll, dass ein Zugang zum Internet für jede/n Bürger_in ohne Hemmnis möglich ist.
Piraten: Ja. Der Zugang zum Internet ist im 21. Jahrhundert entscheidend für die Teilhabe an der Gesellschaft und deren Mitgestaltung und damit als Grundrecht zu verstehen. Bürgerinnen und Bürger, die diesen Zugang nicht haben oder nutzen können, sehen sich einer zunehmenden digitalen Barriere ausgesetzt und können sich außerdem nicht aus allgemein verfügbaren Quellen informieren. Insbesondere in Gebieten mit ländlicher Struktur ist ein Ausgleich der Informations- und Kommunikationsdefizite nur noch über das Internet möglich. Um stetig steigenden Bedürfnissen Rechnung zu tragen, muss weiters eine angemessene Minimalbandbreite gewährleistet werden, die mit der technischen Entwicklung angepasst werden muss.
Team Stronach: Kein Rechtsanspruch, aber Ausbau verstärken
ÖVP: Das „Internet“ ist viel zu umfassend, als hier eine klare Trennung zu vollziehen.
FPÖ: Es sollte ein kommerzieller Dienst bleiben. Auf faire Rahmenbedingungen (Neutralität, Zugangsrecht, …) muss jedoch geachtet werden.
BZÖ: Dass das Internet in zunehmendem Masse auch für kommerzielle Zwecke genutzt wird, ist Fakt. Auch um dieser realen Entwicklung Rechnung zu trage, ist es eine zentrale Herausforderung unserer Zeit, einen fairen Interessensausgleich zwischen Nutzern, Urhebern und Verwertern im Rahmen des Urheberrechts mit dem Schutz wirtschaftlicher Interessen zu vereinbaren.
Grüne: Wir sehen Internet als ein öffentliches Gut.
KPÖ: Das Internet ist ganz klar ein öffentliches Gut, in dem aber auch kommerzielle Dienste angeboten werden.
NEOS: Wie gesagt, der Zugang zum Internet ist ein kommerzieller Dienst, das Internet selbst hingegen ist viel zu differenziert um es als das eine oder das andere zu definieren.
Piraten: Das Internet ist als öffentliches Medium insgesamt ein öffentliches Gut, auch wenn es als Zusammenschluss größtenteils kommerzieller Provider aufgebaut wurde. Daher muss es dementsprechend geschützt und vor Missbrauch verteidigt werden – auch z. B. vor einer zugangsgefährdenden Anbieterkonzentration.
Der derzeitige Wandel zur digitalen Gesellschaft stellt einen enormen Entwicklungssprung dar. Dieser Wandel wirkt sich massiv auf unser soziales Leben, unsere politischen Prozesse und unser wirtschaftliches Handeln aus. Freie Kommunikation wirkt wie ein Katalysator für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und legt mit den neuen digitalen Technologien bisher ungeahnte Potenziale frei. Der freie Informationsfluss schafft mündige Bürgerinnen und Bürger, die viel besser in der Lage sind, ihre Freiheit wirkungsvoll gegen totalitäre Tendenzen zu verteidigen, zusammenzuarbeiten, sich frei zu äußern, sich zu entfalten und sich zu vernetzen. Die freie Vernetzung ermöglicht es, Angebot und Nachfrage in vielerlei Bereichen einfach zusammenzubringen. Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind daher aus unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und müssen auch durch staatliches Handeln sichergestellt bzw. sogar gefördert werden.
Team Stronach: Als öffentliches Gut
Am 29. September findet die Nationalratswahl statt. Um Ihnen bei der Wahlentscheidung zu helfen, hat die futurezone alle neun bundesweit antretenden Parteien zu ihren netzpolitischen Positionen befragt - vom Datenschutz über die Netzneutralität bis hin zu Porno-Filtern, dem Urheberrecht und der Informationsfreiheit.
Die Ergebnisse der futurezone-Umfrage präsentieren wir Ihnen in der Serie "Fünf Fragen zu ..." in loser Folge in Wochen bis zur Wahl. Im nächsten Teil der Serie, der in den kommenden Tagen veröffentlicht wird, stellen wir Ihnen die Positionen der Parteien zum Urheberrecht vor.
Netzpolitische Entscheidungshilfe zur Nationalratswahl 2013 bieten auch der Wahlmonitor der Initiative für Netzfreiheit und die Wahlkabine.