"Gebt den Nutzern die Macht über ihre Daten"
„Wollen Sie mir Ihre letzten drei SMS zeigen, die Sie versendet haben?“ Das fragt eine Backwaren-Verkäuferin ihre Kundin, nachdem diese eine Semmel erworben hatte. Die Frau ist ganz verdutzt und antwortet vehement mit „Nein.“ Diese Szene stammt aus einem kurzen Video-Clip, den dänische Verbraucherschützer aufgenommen haben, um zu veranschaulichen, wie Menschen heutzutage mit ihren Daten umgehen.
Diskrepanz online vs. offline
„Kaum jemand gibt offline private Informationen von sich preis, wenn er direkt danach gefragt wird. Doch wenn man den Nutzern zeigt, was für Daten Apps über einen abgraben, dann schockiert das die Leute. Das möchte man nicht“, sagt die deutsche Digitalexpertin Mirjam Stegherr auf der „Privacy Week“ in Wien. Bis zum 29. Oktober findet ein Wien eine Konferenz des Chaos Computer Club Wiens statt, die sich ausschließlich mit dem Schutz der Privatsphäre befasst. Stegherr ist eine von rund 100 Referentinnen.
„Privatsphäre heißt dabei nicht, dass man zwingend Geheimnisse hat. Man möchte nur manche Sachen für sich behalten“, sagt Stegherr. Apps holen sich durch die Zustimmung mit Zugangsberechtigungen die Erlaubnis, Nutzer via GPS mitzuverfolgen, oder den Zugriff auf das Adressbuch und die Kontakte. „Was online selbstverständlich ist, ist es offline nicht, wie man in der Reaktion im Video-Experiment sieht.“
Datenkraken Video-Games
Doch nicht nur Apps spionieren ihre Nutzer aus. Eine jüngste Untersuchung der Arbeiterkammer (AK) zeigt, dass etwa auch Videospiele eine „Goldgrube für Datenkraken aller Art“ sind. Laut der Studie geben Spieler zudem weit mehr preis als ihre persönlichen Daten. "Die großen Plattformen haben einen guten Überblick, was ihre Spieler auch sonst in ihrer Freizeit tun", meinte Studienautor Jaro Krieger-Lamina vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung.
Doch das muss alles nicht so sein, meint Stegherr. Sie rät Unternehmen, transparent zu sein und den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zu überlassen. Anwender sollen selbst entscheiden können, welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen passiert. Stegherr beschäftigt sich als selbstständige Beraterin seit längerem damit, wie man verbraucher- und datenschutzfreundlich Profit mit der „neuen Währung“, dem Datenschatz der Nutzer, machen kann.
Ausverkauf des Privaten
„Der Schutz des Privaten steht oft im Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg. Geschäftsmodell und Gesellschaft funktionieren auf Dauer aber nur, wenn Nutzer mehr Macht über ihre Daten haben“, so die Perspektive von Stegherr. Sie warnt in ihrem Vortrag auch vor dem „totalen Ausverkauf des Privaten“. „Wenn Daten die neue Währung sind, ist Vertrauen das neue Kapital.“
Doch mit dem Vertrauen sieht es bei den Nutzern oft nicht so rosig aus. „Digitalkonzerne wie Google, Facebook oder Amazon sind unter den Top fünf der wertvollsten Marken weltweit. Das sind aber nicht die Marken, die wir mögen“, sagt die Expertin. „Bei Facebook vertrauen etwa nur neun Prozent der Nutzer dem Konzern, wie sie mit ihren Daten umgehen. Das ist ein sehr unstabiles Fundament, wenn Nutzer kein Vertrauen haben.“ Der Grund, warum sie es dennoch nutzen, sei eine Art „Paradoxon“.
Das Vertrauen von Nutzern müssten Konzerne erst wieder zurückgewinnen, so die Expertin. Als positives Beispiel nennt Stegherr etwa den US-Konzern Apple, der im vergangenen Jahr seine Firmenrichtlinien angepasst hat. „Apple wirbt damit, dass die Privatsphäre seiner Nutzer geschützt wird. Das ist ein Versprechen.“ Laut Stegherr sind Verbraucher zudem „durchaus gewillt, Informationen von sich preis zu geben. „Aber nur, wenn sie wissen, was mit den Daten passiert, die sie freiwillig zur Verfügung stellen.“
"Finger weg von Start-ups"
Solange dies nicht der Fall sei, sei es sinnvoll, Menschen mit Workshops darüber aufzuklären, was sie alles von sich preisgeben. Das geschieht bei der Privacy Week noch bis zum 29. Oktober. Der IT-Experte Rene Pfeiffer führt die Besucher etwa durch eine „Datensafari“ und gibt Tipps, worauf man achten sollte. „Das beste wäre, wenn man seine digitalen Gewohnheiten von vornherein auf Open-Source-Modellen aufbaut“, so der Experte. Pfeiffer warnt zudem vor neuen Unternehmen. „Finger weg von Start-ups. Solang diese noch keine fixen Geschäftsmodelle haben, die sich bewährt haben, werden sie ständig ihre AGB ändern.“