ICReach: Die geheime Suchmaschine der NSA
Internet-Nutzer verwenden Google, die NSA hat „ICReach“. Das zeigt ein Bericht von „The Intercept“ unter Berufung auf Dokumente von Edward Snowden. Demnach hat der US-Geheimdienst eine Google-ähnliche Suchmaschine voll mit Milliarden von Metadaten aufgebaut, über die Behörden wie das FBI oder die CIA zahlreiche Informationen von nahezu allen Internet-Nutzern der Welt finden können.
Überwachungsdaten für US-Behörden
Die Dokumente belegen, dass die NSA bereits mehr als 850 Milliarden Metadaten mit den Behörden FBI, CIA, Drug Enforcement Administration (DEA) und Defence Intelligence Agency (DIA) teilt. Unter den geteilten Daten befinden sich Telefonverbindungen, E-Mails, Handy-Standortdaten und Internet-Chats. „Diese Dokumente stellen den ersten definitiven Beweis dafür dar, dass die NSA seit Jahren massive Mengen an Überwachungsdaten US-Behörden zugänglich macht“, schreibt „The Intercept“.
Die NSA-Suchmaschine ist gespickt mit Daten von privater Kommunikation von Milliarden Ausländern, aber auch Millionen Dokumente von US-Amerikanern sollen darin enthalten sein. Die Drogenbehörde DEA und das FBI sollen die Hauptaustauschpartner der Daten sein, die Pläne für ICReach entstanden bereits 2007. Wann ICReach tatsächlich gestartet ist, weiß man nicht, aber im Jahr 2010 gab es die NSA-Suchmaschine bereits. Mehr als 1000 Analysten in 23 US-Behörden konnten zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Daten aus der geheimen Suchmaschine zugreifen.
Ob auch das US-Heimatschutzministerium Zugriff auf die Daten hat, ist laut dem Enthüller Ryan Gallagher unklar, aber sehr wahrscheinlich. „Das US-Heimatschutzministerium zählt zum Schlüsselnetzwerk der Geheimdienst-Community“, so Gallagher zur futurezone. Damit würden auch so manche „No Fly“-Kandidaten eine Erklärung für ihr US-Einreiseverbot finden.
Metadaten verraten viel
Die Suchmaschine war von Anfang an dazu entwickelt worden, die größte, geheime Überwachungssuchmaschine der Welt zu werden. Jeden Tag kommen rund fünf Milliarden neue Datensätze hinzu, es gibt 30 verschiedene Kategorien für Datensätze von Metadaten. Und dass Metadaten keinesfalls harmlos sind und man daraus Rückschlüsse auf Personen ziehen kann und man vielerorts herauslesen kann ist bereits vielerorts bekannt.
E-Mail-Metadaten enthalten beispielsweise Informationen, wer wem wann geschrieben hat. Sowohl Absender, Adresse, als auch der Zeitpunkt und über welchen Server die E-Mails verschickt wurden, lässt sich dadurch ermitteln. Dadurch kann man ganz einfach feststellen, wie oft ein Nutzer mit einem anderen kommuniziert und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Mit Immersion gab es beispielsweise ein Projekt des MIT, mit dem die Möglichkeiten, die sich durch die Auswertung von Metadaten ergeben, wie sie der US-Geheimdienst NSA jetzt erwiesenermaßen in großem Stile sammelt, anhand von Gmail-Konten dargestellt werden. Binnen weniger als einer Minute wird aus dem Gmail-Konto ein Beziehungsgeflecht ermittelt, welches in einem Netzwerkdiagramm dargestellt wird - man sieht also genau, wer mit wem vernetzt und wann kommuniziert hat.
Kommunikationsverhalten
Der Mathematiker Vincent Blondel von der Université Catholique im belgischen Löwen hat beispielsweise in einer Studie herausgefunden, dass vier Datensätze aus Anrufen genügt haben, um Bewegungen von 95 Prozent der Anrufer nachzuzeichnen. Durch die geheime Suchmaschine der NSA wissen die US-Behörden wirklich extrem viel über das Kommunikationsverhalten der Nutzer – und der Zugriff auf diese Informationen obliegt keiner richterlichen Kontrolle oder wird nur im Verdachtsfall abgefragt.
Mastermind hinter der gigantischen Suchmaschine der NSA war freilich niemand geringer als Keith Alexander, der vor kurzem zurückgetretene Geheimdienstchef höchstpersönlich. ICReach war von Anfang an als „One Stop Shopping Tool“ für die Analyse von Kommunikation gedacht - und geworden ist daraus die größte, geheime Suchmaschine der Welt.