Netzpolitik

Kampf um das offene Internet in der EU und den USA

Sowohl in den USA als auch in Europa befindet sich das freie Internet in Gefahr. In Europa hat sich deswegen vor wenigen Tagen ein breites Bündnis von Bürgerrechtsorganisationen formiert, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Netz, auf EU-Ebene gesetzlich zu verankern. Eine entsprechende Entscheidung über eine EU-Verordnung wird in wenigen Monaten gefällt. Der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission sieht viele Maßnahmen vor, die das freie Internet gefährden. So soll es Internet-Providern ermöglicht werden, mit Inhalte-Anbietern Premium-Dienste auszuhandeln, die für zahlungswillige Kunden schneller zur Verfügung stehen. YouTube könnte dann gegen Bezahlung schneller verfügbar sein als der Konkurrent Vimeo.

EU: Netzsperren durch die Hintertür

„IT-Giganten zu erlauben, für Expressdaten extra Geld zu verlangen, ist kundenfeindlich, hemmt die Innovation und stellt einen schweren Anschlag auf das Internet dar“, erklärt der SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer. Internet-Anbieter bekommen auch die Möglichkeit, Inhalte unter bestimmten Umständen zu verlangsamen oder gar zu blockieren. Die EU-Kommission nennt hier den "Kampf gegen Kinderpornografie“ oder eine „drohende Überlastung des Internets“ als mögliche Gründe. Konkret heißt es im Vorschlag: „um schwere Verbrechen abzuwehren oder zu verhindern“. Auch der parlamentarische IMCO-Ausschuss (für Konsumentenschutz zuständig) möchte diese Klausel zur Einführung von Netzsperren, trotz Warnungen diverser Organisationen, beibehalten.

„Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als die Frage: Wer kontrolliert das Netz? In den nächsten zwei Monaten wird darüber im EU-Parlament entschieden“, sagt Thomas Lohninger, Sprecher der Initiative für Netzfreiheit, zur futurezone. Aus diesem Grund sollen mit der Kampagne SafeTheInternet.eu EU-Abgeordnete, die über die Verordnung abstimmen müssen, sensibilisiert werden. „Das Internet, so wie wir es bisher kennen, steht auf dem Spiel. Mit der Kampagne wollen wir zum Jahrestag von ACTA die Bevölkerung wieder mobilisieren“, so Lohninger.

Die Bürgerrechtsorganisationen aus fünf verschiedenen Ländern der EU, die zur Kampagne aufrufen, sehen das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet massiv bedroht. „Auf Savetheinternet.eu findet man alle Informationen und Werkzeuge, um selbst für ein freies Internet aktiv zu werden. Alle können etwas beitragen“, sagt Lohninger.

USA: Obama will offenes Internet

In den USA hingegen müssen Internet-Nutzer bereits zittern, dass sie für eine schnelle Datenübertragung bald mehr zahlen müssen. Gegen die von der US-Regulierungsbehörde FCC aufgestellten Regeln zur Sicherung der Netzneutralität wurde vom Provider Verizon erfolgreich geklagt. Ein US-Bundesberufungsgericht in Washington kippte am Dienstag die FCC-Regeln, durch die in den USA ein offenes Internet gewährleistet werden soll: Anbieter dürfen keine legalen Webinhalte blockieren und Datenpakete dürfen nicht „unangemessen“ diskriminiert werden.

Obwohl der Internet-Provider Verizon angibt, den Zugang der Kunden zum Netz vorerst nicht einschränken zu wollen, warnte die Organisation Free Press davor, dass Internet-Anbieter nun in der Lage seien, „jede Webseite oder Anwendung zu blockieren oder zu verlangsamen“. Die US-Regulierungsbehörde prüft nun, ob sie das Urteil anfechten wird. US-Präsident Barack Obama ließ in einer ersten Reaktion wissen, dass er sich weiterhin für ein offenes Internet einsetzen werde, wie ein Sprecher des Weißen Hauses am Mittwoch informierte.

Negativ-Beispiele

Von Seiten der Internet-Provider wurde in den vergangenen Monaten mehrfach versucht, die Neutralität des Internets anzukratzen. In Europa kündigte die Deutsche Telekom die Drosselung von Festnetzanschlüssen und die Bevorzugung von Inhalten an (Stichwort Spotify). In den USA startete der Telekom-Anbieter AT&T mit „Sponsored Data“ ein Programm, bei dem der Datenverbrauch werbefinanziert wird. Bereits dieser Eingriff wird von Bürgerrechtsorganisationen als Bruch der Netzneutralität eingestuft. Ein fairer Wettbewerb sei nicht möglich, weil sich vor allem große Unternehmen, die die finanziellen Möglichkeiten haben, einkaufen könnten, warnte die Organisation Public Knowledge.

In Österreich warnte auch die Arbeiterkammer (AK) vor negativen Folgen durch wachsende Marktkonzentration großer Webanbieter. Google & Co könnten sich für ihre Angebote Schnellstraßen erkaufen. Kleine Anbieter könnten auf der Strecke bleiben, für die Vielfalt im Internet sind sie jedoch wichtig, so die AK.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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