Digitale Spuren: Eine Doppelgängerin aus Google-Daten
Jeder von uns sucht täglich nach unzähligen Begriffen im Internet. Das können Ereignisse sein, Rezepte, Krankheiten, Musik, Personen oder einfach nur Dinge, die uns gerade beschäftigen. Oft wird dabei die Google-Suche verwendet, nicht selten ist sie im Browser bereits voreingestellt und damit für viele Menschen die erste Wahl.
Das Künstler-Kollektiv Laokoon hat sich im Sommer 2020 die Frage gestellt, ob man anhand der Daten, die man mit Google teilt, eine Doppelgänger*in erstellen kann, der mitsamt Ängsten, Schwachstellen und Wünschen alles über einen weiß. Daraufhin wurde ein Experiment gestartet.
Das Experiment begann mit Datensätzen
Hans Block, Moritz Riesewieck und Cosima Terrasse riefen Menschen aus ganz Europa dazu auf, ihre persönlichen Daten mit ihnen zu teilen. Unter 200 Einreichungen wählten sie am Ende einen Datensatz für ihr Experiment aus und zwar zufällig. Sie durchforsteten daraufhin die Google-Suche mit einer Datenanalystin, um das Leben der ausgewählten jungen Tirolerin mit einer Schauspielerin zu rekonstruieren.
Das Experiment sah vor, dass die beiden sich kennenlernen und die Schauspielerin die junge Frau mit ihren Suchergebnissen, und damit mit vielen geheimen Details aus ihrem Leben, konfrontiert. Daraus entstand „Made to Measure“, eine TV-Dokumentation, die am 1. September um 22.15 Uhr im WDR ausgestrahlt wird, sowie eine begleitende Webseite, die seit wenigen Tagen online angesehen werden kann: madetomeasure.online
Das Kollektiv Laokoon hat zusammen mit Forscher*innen des Stanford Media and Personality Labs Verhaltensweisen abgeleitet, die der Datensatz zutage gebracht hat und daraus ein umfangreiches Persönlichkeitsprofil abgeleitet. Ihre Doppelgängerin, gespielt von der Wiener Schauspielerin Nathalie Köbli, hat die Tirolerin in der Dokumentation damit konfrontiert. Es gab dabei auch einen besonders emotionalen Moment, bei dem es der Tirolerin schlichtweg zu viel wurde und sie das Experiment abbrach.
Produkt-Platzierungen in Krisenzeiten sind gefährlich
Manche Google-Suchen, die von der Schauspielerin nachgestellt wurden, waren geprägt vom alltäglichen Leben der Tirolerin. Als sie in einem Nobel-Hotel in London zu arbeiten anfing, suchte sie etwa vermehrt nach Patisserie-Rezepten. Als sie krank wurde, gab sie unzählige Verdachtsdiagnosen diverser Krankheiten ein.
All diese Daten wurden nicht nur von der Künstler-Gruppe genutzt, sondern auch von Google selbst, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Die Tirolerin suchte etwa in einer Phase ihres Lebens häufig nach Diätprodukten und Proteinpulver. In Folge wurden ihr Produkte angezeigt, die den Drang, solche Mittel zu konsumieren, noch verstärkten. Das kann gefährlich werden.
So befand sich die Tirolerin gerade in einer Krise. Algorithmen nutzen instabile Lebensphasen wie diese beinhart aus, um Produkte zu platzieren, die dort genau dann eigentlich gar nichts verloren haben. Diese Praxis kommt in „Made to Measure“ sehr eindrucksvoll ans Tageslicht. Problematisch ist auch, dass die Systeme dazu neigen, aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen und einem Werbeanzeigen auch dann einblenden, wenn man etwas hinter sich gelassen hat. Dies erhöht die Gefahr eines Rückfalls.
Nicht alle Suchen haben mit einem selbst zu tun
Doch nicht alle Google-Suchergebnisse haben tatsächlich etwas mit der Person zu tun, die man glaubt, vor sich zu haben. Die Tirolerin konnte etwa eine Vermutung ganz klar zurückweisen: „Dazu bin ich eine zu große Hosenscheißerin“, sagte sie auf die Annahme, dass ihre Google-Suche zur Wirkung einer bestimmten Droge etwas mit ihrem eigenen Konsumverhalten zu habe. An andere Suchanfragen konnte sie sich schlichtweg nicht mehr erinnern. Das heißt: Auch der Algorithmus irrt mal, wenn er glaubt, alles über einen zu wissen.
Wer sich „Made to Measure“ online ansieht, wird übrigens selbst Teil eines Experiments: Für die Dauer des Besuchs stimmt man als Nutzer*in zu, dass Laokoon die Aktivitäten anhand von Geräte- und Browsereinstellungen nachvollziehen darf. Am Ende wird alles ausgewertet und man bekommt ein Persönlichkeitsprofil mitgeliefert. Schließt man das Browser-Fenster, werden die Daten allerdings wieder gelöscht. Das Persönlichkeitsprofil lässt sich runterladen und speichern, sofern man darauf nach dem Ansehen der Dokumentation noch die Lust verspürt.
Was Google alles über uns sammelt
Google-Dienste kommen uns regelmäßig unter. Sei es bei unseren täglichen Online-Suchen, dem Verwenden des Chrome-Browsers, unserem Android-Smartphone, der Ortssuche mit Google Maps oder bei unserer Gmail-Mailadresse. All diese Dienste sammeln und speichern Daten über uns, aus denen ein Profil erstellt wird, um uns in Folge passende Werbung anzuzeigen. Das ist das Geschäftsmodell von Google.
Suchmaschine
Wer über Google nach Begriffen sucht, während er oder sie mit seinem oder ihrem Konto eingeloggt ist, verrät dem Konzern viel mehr als jemand, der ohne Konto surft. Zwar werden auch diese Daten gespeichert, jedoch anonymisiert. Wer das ganz verhindern möchte, kann den „Inkognito-Modus“ seines Browsers nutzen, den Cache und die Cookies regelmäßig löschen und auf einen anderen Suchdienst wie z.B. DuckDuckGo oder Startpage ausweichen. Dann bekommt Google nicht so viele oder im Idealfall gar keine Daten.
Google-Konto
Verwendet man etwa ein Google-Konto, werden viele Daten mit seinem Profil verknüpft. So wird etwa gespeichert, was für Videos man auf YouTube abruft, von welchem Standort man sich einloggt, welches Betriebssystem am Smartphone verwendet wird, wann man einen Kalendereintrag tätigt oder ein bestimmtes Dokument aus „Drive“ aufruft.
Wer über ein Google-Konto verfügt, kann sich über „Meine Aktivitäten“ einen Eindruck verschaffen, was und wie genau Google alles speichert. Dazu klickt man im Browser rechts oben das Nutzerbild des Kontos an und wählt „Google-Konto verwalten“ und danach „Daten und Datenschutz verwalten“. Jetzt scrollt man runter bis zu „Meine Aktivitäten“ und klickt darauf.