Österreichs Piraten spüren Rückenwind
"Wir haben nicht mit so einem riesengroßen Erfolg gerechnet", kommentiert Patryk Kopaczynski, Vorstand der Piratenpartei Österreichs, den Wahlerfolg der Berliner Schwesterpartei. "Der Erfolg der Piratenpartei in Berlin ist auch ein internationaler Erfolg der Piraten." Durch den Einzug der Piratenpartei ins Berliner Landesparlament mit fast neun Prozent der Stimmen spürt er auch für die österreichische Piratenpartei Rückenwind: "Die meisten Leute, die uns kontaktieren, kommen durch Berichte über die Piratenpartei Deutschland drauf, dass auch wir existieren." Rund 580 Mitglieder zählt die 2006 gegründete Partei derzeit. Die Tendenz ist laut Kopaczynski steigend: "Das Interesse besteht, wir haben ständig Mitgliederzuwachs."
Nächstes Antreten 2013
Bei der Wiener Wahl im vergangenen Jahr gelang es den Piraten nicht die notwendigen Unterstützungserklärungen für das Antreten bei der Kommunalwahl zu schaffen. "Die bürokratischen Hürden waren zu hoch", so der Vorstand der Piratenpartei Österreichs. 2013 wollen es die österreichischen Piraten wieder versuchen und bei der Nationalratswahl antreten. Auch bei der nächsten EU-Wahl, ein Jahr darauf, wollen die Piraten mitmischen. Kopaczynski gibt sich vorsichtig optimistisch. "Wir werden auf jeden Fall zwei Prozent schaffen."
Streit und Zerwürfnisse
Zuletzt machte die österreichische Piratenpartei vor allem mit Streits und Zerwürfnissen von sich reden. "Das ist beigelegt", sagt Kopaczynski. Anfang Juli wurde bei einer Generalversammlung der Vorstand erweitert. "Wir wollen eine transparente Partei sein. Konflikte kann man nicht ausschließen. Jetzt geht es aber wieder aufwärts."
IT-Sicherheit und freie Meinungsäußerung
Die österreichischen Piraten wollen mit IT- und Bürgerrechtsthemen punkten. Nach den zahlreichen Hackerangriffen der vergangenen Monaten sei die IT-Security ein großes Thema. Hier wollen die Piraten vor allem Hilfestellungen beim Schutz der Privatsphäre geben. Kopacynski bietet auch anderen Parteien seine Hilfe an: "Wenn eine Partei bei diesen Themen mit uns kooperieren will, sind wir offen. Wir können auch gerne eine beratenden Stimme sein."
Ein weiteres wichtiges Thema sieht Kopacynski im Schutz der freien Meinungsäußerung. Auch im Bildungssystem, bei Patenten und beim Urheberrecht sehen die Piraten Handlungsbedarf. Zu tun gibt es genug. Derzeit umfasst das Parteiprogramm (PDF) gerade einmal fünf Seiten.
Das Wählerpotenzial sei auch in Österreich gegeben, ist der Bundesvorstand der österreichischen Piraten überzeugt. Mit den Themen der Partei ließe sich bei den Wählern der Mitbewerber Stimmen holen: "Selbst bei den Grünen sind es nur einzelne Personen, die sich damit beschäftigen."
"Potenzial im zweistelligen Bereich"
Chancen für die Piratenpartei in Österreich sieht auch der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau Universität Krems. "Die Politikenttäuschung über etablierte Parteien ist in Österreich speziell bei jüngeren Wählern extrem groß", sagt Filzmaier: "Eine neue Gruppierung hat in Mitteleuropa und auch hierzulande allein durch die Tatsache, dass sie neu ist, ein zweistelliges Potenzial."
Das Internet mache es aber finanziell und strukturell möglich, dieses Potenzial auch abzuholen, so Filzmaier. Die Piratenpartei müsste das Netz als wesentlichen Kommunikationskanal nutzen und könnte so finanzielle Nachteile ausgleichen.
Chancen bei jungen, urbanen Wählern
Chancen für die Piratenpartei sieht der Politologe vor allem bei Wählern unter 45 Jahren im städtischen Bereich. Vor allem Grünwähler und junge Wirtschaftsliberale könnten den Piraten ihre Stimme geben. Allerdings müssten auch Stimmungslage und die Themenlandschaft stimmen", schränkt Filzmaier ein. Das Thema Internet spreche diese Wähler zwar an, nur die Freiheit des Internet zu proklamieren, sei jedoch ein bisschen wenig: "Die Frage ist: Was ist das Kernthema, das eine breite Klientel emotionalisiert?"
Rückenwind für die österreichischen Piraten durch die Berliner Wahl sieht Filzmaier nicht. Dazu liegen die nächsten Wahlen in Österreich noch zu weit weg. Filzmaier rät den Piraten auch bei den Gemeinderatswahlen in Innsbruck (2011) und Graz im kommenden Jahr anzutreten. Bei Nationalratswahlen sei es viel schwieriger Medienaufmerksamkeit zu bekommen. "Strategisch wäre eine Gemeinderatswahl in einer Großstadt logisch."
"Von Bevölkerungsstruktur profitiert"
"In Berlin haben die Piraten von der Bevölkerungsstruktur der Stadt profitiert", sagt Birte Fähnrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin von netPol, Netzwerk politische Kommunikation: "Die Kreativindustrie ist in Berlin sehr stark, netzaffine Themen sind gut angekommen." Die Piraten hätten in Berlin auch ein neues Alterssegment für sich erschlossen, so Fähnrich. Bislang sei die Partei vor allem bei Unter-25-Jährigen auf Sympathien gestoßen, bei den Wahlen in Berlin hätten auch viele Leute in der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren die Piraten gewählt. Punkten konnte die Partei vor allem bei Nichtwählern und im grünen und im linken Lager.
Ob sich der Erfolg auch auf andere Städte übertragen lässt, sei offen, meint Fähnrich. Die Piraten würden momentan als Protestpartei wahrgenommen. "Es muss sich erst zeigen, wie sie in der Opposition Fuß fassen und auch andere Themen besetzen können." Gelinge das, sei es durchaus möglich, dass sie auch anderswo Achtungserfolge erzielen, so die Politikwissenschaftlerin: "Die Piraten müssen sich erst beweisen."