Netzpolitik

Streit um das Smart Meter-Wahlrecht für Kunden

In Österreich sollen 5,5 Millionen mechanische Stromzähler bis Ende 2019 gegen digitale Stromzähler, sogenannte Smart Meter, ersetzt werden. Das sah bisher ein Gesetzesentwurf vor. Doch nun fällt diese verpflichtende Zwangsumstellung dank eines Abänderungsantrags, der im Juli vom Nationalrat beschlossen wurde, weg. Es wurde eine Opt-Out-Möglichkeit für Kunden im Gesetz verankert. Bei Datenschützern und Smart Meter-Gegnern herrschte Jubelstimmung.

"Kein Rechtsanspruch"

Doch genau über dieses Opt-Out und wie dieses auszulegen ist wird nun im Bereich der E-Wirtschaft heftig debattiert. Das Wirtschaftsministerium ist der Auffassung, dass es „keinen Rechtsanspruch für den Endabnehmer gibt, keinen Smart Meter zu bekommen“, wie die futurezone auf Anfrage erfuhr. Der Hintergrund dazu: Aufgrund des auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehenen verfassungsgesetzlich geschützten Rechts auf Eigentum und der daraus resultierenden rechtlichen Stellung als Eigentümer, steht dem Netzbetreiber als Eigentümer des Smart Meter eine umfassende Entscheidungsbefugnis über das Zählgerät zu.

Dem Netzbetreiber kommt dadurch das Recht zu, zu entscheiden wo und wann ein Smart Meter installiert wird und wo nicht. Weder das Gesetz noch die Verordnung würden diese Entscheidungsbefugnis generell beschränken, heißt es. Ein Rechtsanspruch des Endverbrauchers auf Ablehnung einer Installation eines Smart Meters sei nirgendwo verankert. Man müsse lediglich den „Wunsch des Endverbrauchers, keinen Smart Meter zu erhalten, berücksichtigen“.

"Wahlmöglichkeit liegt beim Kunden"

Die Mietervereinigung, die bereits mit einer Petition gegen die Smart-Meter-Verpflichtung mobil gemacht hatte, sieht dies freilich anders. „Es stimmt, dass die Energiewirtschaft versucht, den genannten Gesetzespassus (§83 Abs1 ElWOG) so auszulegen, dass der Kunde keine Wahlmöglichkeit hat, sondern nur der Netzbetreiber“, heißt es in einer offiziellen Stellungname. Doch die wörtliche Formulierung im Gesetz lautet: "Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte HAT der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen." Daraus gehe hervor, dass das Wahlrecht eindeutig beim Kunden liege, so die Mietervereinigung.

Problematisch ist auch, dass sich der Gesetzestext auf eine Verordnung beruft, die im Jahr 2012 erlassen wurde, in der eine Austauschrate der Zähler von 95 Prozent bis Ende 2019 vorgesehen ist. Die MVÖ hält die Verordnung, die zeitlich vor dem Gesetz erlassen wurde, für verfassungswidrig. „Eine Verordnung kann nur Inhalte eines Gesetzes näher ausführen, aber sie darf nicht dazu dienen, die Inhalte des Gesetzes vorzugeben“, so die Mietervereinigung.

Muss Verordnung adaptiert werden?

Das Wirtschaftsministerium sowie die E-Control sehen hier allerdings „keine Probleme“. Die Konkretisierung eines Gesetzes durch eine Verordnung entspricht der österreichischen Verfassung und sei in zigtausenden Gesetzen in vergleichbarer Weise vorgesehen. Eine Rechtswidrigkeit könne darin nicht erkannt werden. Die Regulierungsbehörde E-Control erklärte gegenüber der futurezone bereits im Juli: "Durch die Novelle sind abgesehen von möglicherweise notwendigen formalen Anpassungen, keine weiteren inhaltlichen Änderungen in den mit Smart Meter verbundenen Verordnungen notwendig."

Die Energieversorger selbst, die von dem Gesetz betroffen sind und dieses in der Praxis auch umsetzen müssen, sind hingegen sehr wohl verunsichert. „Die Problematik ist nicht geklärt. Es fehlen klare Regelungen, nach welchen Kriterien entschieden werden muss, wer abgelehnt werden darf und wer nicht“, erklärte Christian Neubauer, Pressesprecher der Wiener Netze GmbH im Bereich Strom.

Versorger für präzise Regelungen

„Wir haben 1,5 Millionen Zähler zu tauschen. Bei rund 75.000 Zählern ist die fünf Prozent-Grenze erreicht. Was passiert mit dem 75.001 Kunden, der keinen intelligenten Stromzähler will? Darf man diesem einen neuen Zähler installieren, aber die intelligenten Funktionen nicht freischalten? Muss dieser seinen Wunsch schriftlich äußern, oder reicht eine E-Mail? Was passiert mit Kunden, die in eine neue Wohnung ziehen, wo es bereits einen intelligenten Zähler gibt? Welches Datum zählt im Falle der Überschreitung der fünf Prozent-Grenze – der Poststempel oder der Eingang der E-Mail?“ Das müsse alles präzise geregelt werden. „Die Zeit drängt“, so Neubauer, denn ab 2015 fange in Wien offiziell der Tausch an.

Österreich Energie sieht dies etwas entspannter. „Wir haben dringender Probleme zu lösen, etwa im Bereich der Datensicherheit oder der Funkfrequenzen, oder, wie man überhaupt weiter die Versorgung sichern kann, wenn es mit den Preisen weiter bergab geht und der Markt zusammenbricht“, meinte Ernst Brandstetter von Österreich Energie, der Interessensvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. „Das ist keine lebensbedrohliche Kontroverse, die wird sich, wenn es akut wird, von selbst regeln.“

Wirbel um nichts?

Freilich geht man in der Branche auch davon aus, dass die Ablehnung der Kunden von den intelligenten Stromzählern gering sein wird. „Bisher hat sich nur eine sehr geringe Zahl der Kunden gegen einen AMIS-Zähler ausgesprochen. Es waren ca. 40 von 140.000“, erklärte Michael Frostel, Pressesprecher der Energie AG Oberösterreich gegenüber der futurezone. Man gehe daher davon aus, dass es nur in Ausnahmefällen eine Ablehnung geben werde. Ähnlich sieht man das bei der Linz AG. „Der Einsatz von Smart Metering bringt für Kunden zahlreiche Vorteile. Wenn ein Stromkunde den Erhalt eines Smart Meters ablehnt, gehen diese Vorteile für ihn verloren“, so Doris Fath-Gottinger, Pressesprecherin der Linz AG. Hier warnt Neubauer: „Man kann nicht prognostizieren, wie sich die Stimmung für oder gegen Smart Meter bis zum Jahr 2019 in der Öffentlichkeit entwickelt.“

Die Mietervereinigung empfiehlt Kunden, ihren Wunsch, die Montage eines Smart Meters abzulehnen, schriftlich zu deponieren. „Wenn es zu einem Rechtsstreit kommen sollte, wird die Mietervereinigung alles tun, um die Nutzer zu unterstützen, zu ihrem Wahlrecht zu kommen“, heißt es.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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