Streit um Festplattenabgabe spitzt sich zu
15 Euro pro Notebook mit einer Speicherkapazität von über 500 Gigabyte. Dieser Betrag soll Künstlern zugute kommen. Gefordert wird die Festplattenabgabe, mit der Rechteinhaber für private Kopien ihrer Werke entschädigt werden sollen, von den Verwertungsgesellschaften schon heute. Weil aber der Computerkonzern HP gegen die Ausweitung der so genannten Leerkassettenvergütung oder Urheberrechtsabgabe auf interne und externe Computerfestplatten vor zwei Jahren geklagt hatte, wird das Geld nicht ausbezahlt. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH), die für Ende des Jahres erwartet wird, soll Klarheit bringen. Geht es nach dem Willen von Verwertungsgesellschaften und Rechteinhabern, so soll die "Festplattenabgabe" schon bald auch gesetzlich festgeschrieben werden. Am Mittwoch wollen rund 30 Künstlerorganisationen bei einem Protestmarsch in Wien für ihr Anliegen Druck machen.
"Deutliche Einnahmeverluste"
"Österreichische Künstler haben mit deutlichen Einnahmeverlusten zu kämpfen", sagt der Autor und Musiker Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren, die den Protestmarsch mitorganisiert: "Das hängt eng mit den Verwertungsabgaben zusammen." Zuletzt gingen die Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung von 17,6 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 7,9 Millionen Euro im vergangenen Jahr zurück. Verwertungsgesellschaften und Künstlerorganisationen wollen deshalb die Urheberrechtsabgabe, die unter anderem für CDs, DVDs, Speicher in MP3-Playern, USB-Sticks oder Festplatten in DVD-Recordern oder Sat-Receivern gilt, auf alle relevanten Speichermedien ausweiten und erwarten sich dadurch Mehreinnahmen von zehn Millionen Euro pro Jahr, die Künstlern zugute kommen sollen. Es gehe um die Existenz der heimischen Künstler, meint Peter Paul Skrepek von der Musikergilde: "Wir wehren uns mit allen Mitteln gegen unsere Enteignung."
"Veränderte Nutzungsgewohnheiten"
Verwertungsgesellschaften und Künstlerorganisationen berufen sich auf veränderte Nutzungsgewohnheiten. Private Kopien würden nicht mehr auf Kassetten oder CDs, sondern auf Computerfestplatten gespeichert. Im Durchschnitt würden auf einer Festplatte in Österreich mehr als 4.000 urheberrechtlich geschützte Werke liegen, so die Befürworter unter Verweis auf eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Fessel Gfk für das Jahr 2010. "Ohne den Inhalt der Kreativen gäbe es im privaten Bereich keine so breite Nachfrage nach großen Speichermedien", heißt es auf der Website der Initiative "Kunst hat Recht".
Gegner der Festplattenabgabe stellen in Abrede, dass interne und externe Computerfestplatten hauptsächlich zur Speicherung urheberrechtlich geschützter Werke genutzt werden und stützen sich dabei auch auf Urteile des Obersten Gerichtshofes (OGH), der bereits zweimal die Ausweitung der Urheberrechtsabgabe auf Festplatten ablehnte.
"Mehrbelastungen für Konsumenten"
Die Wirtschaftskammer spricht von Merhbelastungen von 30 Millionen Euro für Konsumenten und Wettbewerbsnachteilen für den Handel. Die Wirtschaft zahle jetzt schon 180 Millionen Euro pro Jahr an Verwertungsgesellschaften - von Tantiemen bis hin zu nicht strittigen Urheberrechtsabgaben, heißt es aus der Kammer: "Die Einnahmen gehen in manchen Bereichen zurück, in anderen Bereichen steigen sie."
"Völlig überschießende Form der Vergeltung"
Auch die Arbeiterkammer lehnt eine gesetzliche Festschreibung der umstritttenen Urheberrechtsabgabe ab. Eine Abgabe auf Festplatten sei eine "völlig überschießende Form der Vergütung", so Silvia Angelo, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammre Wien. Festplatten würden für das Betriebssystem und eigene Inhalte genutzt und allenfalls für Sicherheitskopien für digitale Files. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Nutzer dafür bezahlen sollen. Die Festplattenabgabe sei eine Geldbeschaffungsaktion, die überhaupt nicht im Einklang mit dem tatsächlichen Schaden für Urheber durch die Privatkopie stehe.
Neue Regelungen für die Privatkopie
"Das System der Leerkassettenvergütung passt nicht ins digitale Zeitalter", sagt Angelo. Sie spricht sich dafür aus, die Privatkopie grundsätzlich neu zu regeln. In der Diskussion werde auch viel vermischt, sagt die Ökonomin. Downloads aus Tauschbörsen seien ein anderes Thema. Durch die Festplattenabgabe würden lediglich Privatkopien nach einem legalen Kaufvorgang vergütet.
Statt Speichermedien zu belasten, könnte eine solche Vergütung für die Privatkopie direkt beim Kauf des Originalwerks eingehoben werden. "Es muss klar gesagt werden, welche konkreten Nutzungen damit abgegolten werden." Die Arbeiterkammer fordert auch eine Regulierungsbehörde, die die Höhe der Tarife festlegt und die Verwendung der Gelder kontrolliert.
"Abgabe für die Vielfalt"
In der Debatte würden wesentliche Punkte ausgelassen, meint der Musiker Bernhard Fleischmann. "Ich habe die Befürchtung, dass sehr viel an Vielfalt verloren geht", sagt Fleischmann, der auch international erfolgreich ist. Es wäre wichtig die Produktionsbedingungen von Musikern und Bands zu beleuchten. Einnahmen aus der Festplattenabgabe würden auch der Förderung von Nischenproduktionen zugute kommen: "Das nimmt Druck weg."
Die Musikverkäufe seien zuletzt stark zurückgegangen. CD-Produktionen müssten bezahlt werden. Pauschalabgaben gebe es auch in anderen Bereichen. "Ich will nicht glauben, dass die Leute überhaupt nicht mehr bereit sind, für Musik zu bezahlen", sagt Fleischmann. "Die Festplattenabgabe kann man wohlwollend auch als eine Abgabe für die Vielfalt betrachten."
"Festplattenabgabe löst kein Problem"
"Bei der Festplattenabgabe geht es nur darum, die Abgabenquote zu erhöhen", meint hingegen Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit, die für Mittwochabend zu einem Demonstrationszug gegen die Ausweitung der Urheberrechtsabgabe aufgerufen hat. Das Recht auf Privatkopie werde durch Kopierschutzmechanismen zunehmend beschnitten, private Kopien würden darüber hinaus auch zunehmend in Tauschbörsen weitergegeben. Durch die Festplattenabgabe werde des Problem der Massenkriminialisierung von Tauschbörsennutzern aber nicht gelöst.
Die Initiative, die auch schon bei den Protesten gegen das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA in Österreich eine tragende Rolle spielte, fordert eine umfassende Reform des Urheberrechts, bei der auch die Rechte der Nutzer berücksichtigt werden. "Es muss ein neuer Interessensausgleich zwischen Urhebern, Konsumenten und Verwertern geschlossen werden", fordert Stoff.
"Gesetzgeber gefordert"
Die Festplattenabgabe löse einige wirtschaftliche Probleme, aber bei weitem nicht alle, sagt der Wiener Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperte Michel Walter: "Und schon gar nicht jene der Digitalisierung." Nachdem Gerichte Computerfestplatten nicht in die Leerkassettenvergütung miteingeschlossen hätten, sei nun der Gesetzgeber gefordert. Der nächste logische Schritt könnte eine "Cloud"-Abgabe sein.
Eine solche Abgabe auf Internet-Anschlüsse hatten zuletzt die Grünen
- Teletest fürs Web soll Geld für Kunst bringen
- "Idol-Marketing funktioniert nur bei Lady Gaga"
- Recht auf private Vervielfältigung könnte fallen
- "Urheberrecht darf nicht abgeschafft werden"
- Amazon: Keine Handy-Lieferung nach Österreich
- Festplattenabgabe noch 2012 möglich
- Festplattenabgabe kommt vor OGH
Leerkassettenvergütung
Eingeführt wurde die Urheberrechtsabgabe oder Leerkassettenvergütung bereits 1980. Mit der Abgabe auf Speichermedien sollen Rechteinhaber für private Kopien entschädigt werden. Gewerbliche Nutzer können die Abgabe zurückfordern. Die Tarife werden zwischen der Wirtschaftskammer und den Verwertungsgesellschaft ausgehandelt. Die Einnahmen kommen zur Hälfte dem Fonds für soziale und kulturelle Förderungen (SKE) zugute, die andere Hälfte wird individuell an Rechteinhaber verteilt.
Festplattenabgabe vor Gericht
Der OGH wies im August 2005 eine Ausweitung der Leerkassettenvergütung auf Festplatten in PCs und Notebooks zurück. Eine 2006 von der Verwertungsgesellschaft Literar-Mechana geforderte Reprografieabgabe für PCs wurde 2009 vom OGH ebenfalls abgewiesen. Nach einer neuerlichen Ausweitung der Urheberrechtsabgabe auf Festplatten zwischen zwölf und 36 Euro netto je nach Speichergröße durch die Austro Mechana klagte der Computerhersteller HP 2010. Seit Anfang des Jahres liegt die Festplattenabgabe nun neuerlich vor dem OGH. Ein Urteil wird noch vor Jahresende erwartet.
Siehe dazu auch:
Festplattenabgabe kommt vor OGH