Studie zeigt: "Frauen hacken aus anderen Gründen"
„Bis dato ist das Bild von politisch motivierten Hackern in der Forschung wenig differenziert worden“, erklärt Leonie Maria Tanczer gegenüber der futurezone. Die Forscherin hielt am Daten, Netz und Politik-Kongress im Wiener Kabelwerk einen Vortrag über Hacktivismus und Stereotype. „Das Bild von politisch aktiven Hackern und Hacktivisten ist großteils negativ konnotiert. Dabei wird der Begriff Hack automatisch mit illegalen Computerzugriffen in Verbindung gebracht“, so Tanczer. Doch nicht jeder „Hack“ und nicht jeder politischer Aktivismus im Netz müsse illegal und negativ konnotiert sein, so Tanczer. „Virtuelle Sitins haben nämlich sehr wohl ihre Legitimität“.
In Österreich werde Hacktivismus insbesondere mit der Bewegung Anonymous und dabei im Speziellen mit Anonymous Austria verknüpft. „AnonAustria“ hat im Juli 2011 die Homepages der Parteien SPÖ und FPÖ angegriffen und lahmgelegt, auch die Homepage der GIS war im selben Jahr ein Angriffsziel. Anfang 2013 veröffentlichte AnonAustria Daten von österreichischen Ministern, im April 2013 waren es zahlreiche Polizei-E-Mails. Das Kollektiv ist jedoch auch bekannt dafür, in gewissen Fällen explizit frauenfeindlich zu agieren.
Bilder wecken Assoziationen
Dass es auch Hacktivistinnen gibt, fällt in der öffentlichen Wahrnehmung vieler oft flach. „Ich habe im Vorfeld meiner Forschung Probandinnen und Probanden Bilder zeichnen lassen. Ersichtlich wurde dabei, dass der Begriff immer mit einem Mann assoziiert wird“, erzählt Tanczer. Grund genug für die Forscherin, sich in ihrer Masterarbeit an der Queen’s University in Belfast, Nordirland, darauf zu spezialisieren. Sie befragte zehn Hacktivistinnen und Hacktivisten, darunter fünf Frauen und fünf Männer, erwähnte jedoch gegenüber diesen nichts vom geplanten Gender-Schwerpunkt ihrer Forschung.
Männer als Norm
„Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass Männer sich durch solch einen Diskurs automatisch als Norm setzen, während sie gleichzeitig Diskriminierungen nicht wahrnehmen. Man muss allerdings hervorheben, dass die männlichen Diskurse nicht als aktiv sexistisch verstanden werden sollen. Es gibt sehr wohl Einsicht von Seiten der Männer bei gezielter Rückfrage.“
Die befragten Frauen hatten in der Studie zudem ein Problem mit ihrem Selbstbild als Hacktivistinnen. „Sie haben sich häufig verteidigt und Rechtfertigungen geliefert, warum sie als Hacktivistinnen zu verstehen sind. Eine solche Dynamik war bei Männern nicht vorhanden. Es hat sich im Zuge der Forschung vielmehr abgezeichnet, dass eine Deutungshoheit der Männer besteht, da sie entscheiden, wer als ‚echter‘ Hacktivst oder Hacktivistin gilt. Dies führ dazu, dass Hacktivistinnen sich unsicher fühlen und ihre Position vermehrt begründen.“
Frauen hacken aus anderen Gründen
Die Studie zeigt auch, dass Frauen Hacktivismus anders als Männer einsetzen. Sie hacken oft aus feministischen Gründen und suchen gezielt die Arbeit mit anderen Frauen. Weiters wurde in den Interviews hervorgehoben, dass Hacktivistinnen eher konstruktive, nicht illegale aktivistische Handlungen wie die Entwicklung von Software bevorzugen.
Doch wie geht man mit diesen Stereotypen am besten um? „Dazu gibt es verschiedenste Mechanismen. Frauen haben auf jeden Fall mit großen Anstrengungen zu kämpfen, um in diesem männlich besetzten Feld zu bestehen. Es bedarf daher eine gezielte Hervorhebung und Förderung von Frauen in der Technik und der öffentlich-mediale Diskurs muss sich ändern“, so Tanczer.
"Botschaft wird oft missverstanden"
Dass sich das generelle Bild der Hacktivistinnen und Hacktivisten in nächster Zeit in der Gesellschaft radikal ändern wird, glaubt die Forscherin nicht. „Es werden immer mehr restriktive Gesetze geschaffen. Die Botschaft der Hacktivistinnen und Hacktivisten wird in dem ganzen Überwachungswahn deshalb leider oft missverstanden“, sagt Tanczer.
Die Forscherin hat im Rahmen des CollaboratoryAT-Projekts beim Buch "Netzpolitik in Österreich" mitgewirkt und einen Beitrag über "Post, Gender, Internet" verfasst, der sich mit der geschlechtlichen Sphäre des Internets auseinandersetzt. Mehr über das Buch wird es demnächst auch auf der futurezone zu lesen geben.
Der Gender-Index am #DNP13 lag übrigens bei 33 Prozent Frauen und 67 Prozent Männer.