Netzpolitik

Wiener Linien wollen Öffi-Daten nicht teilen

Die Applikation für das iPhone heißt "Wann" und zeigt, wann öffentliche Verkehrsmittel in der Nähe der Nutzer abfahren. "`Wann` schaut nach, wo du dich befindest und zeigt dir sofort die für dich relevanten Abfahrten an", heißt es in der Beschreibung der vom Wiener Entwickler Patrick Wolowicz programmierten Smartphone-App. Die Daten werden nach der jeweiligen Distanz sortiert, auch die Gehzeit zur nächsten Haltestelle wird errechnet.

Benutzt werden kann "Wann" allerdings noch nicht. Zumindest nicht in Wien. Anders als etwa in Linz, wo die Linz AG Linien seit geraumer Zeit Fahrplandaten zur Verfügung stellt und bald auch Echtzeitdaten über eine dokumentierte Schnittstelle anbieten will, haben Entwickler in Wien keinen Zugriff auf Verkehrsdaten der städtischen Verkehrsbetriebe. Die Stadt Wien verfolgt zwar seit Mai 2011 eine viel beachtete und auch international anerkannte Politik bei der Freigabe öffentlicher Daten. Die Wiener Linien konnten sich dafür allerdings bislang noch nicht begeistern. Fahrplan- und Echtzeitdaten dürfen derzeit nur für die von dem Unternehmen in Auftrag gegebene App qando genutzt werden.

Begehrter Rohstoff
Entwickler fordern seit Jahren Zugriff auf die Daten der Wiener Verkehrsbetriebe. Bislang jedoch erfolglos. Bei einer

gaben 90 Prozent der Entwickler an, sich vorstellen zu können, Verkehrsdaten für das Erstellen von Apps zu verwenden. Davon würden vor allem Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel profitieren. Gewinnen können aber auch Verkehrsunternehmen, die von den Kosten der Datenfreigabe abgesehen, für die Entwicklung der Apps nichts bezahlen, da sie von Drittanbietern zur Verfügung gestellt werden.

Vielfältige Anwendungsfälle
Die Wiener-Linien-App qando decke zahlreiche Anwendungsfälle ab, meint "Wann"-Entwickler Wolowicz. Mit freien Daten könnten jedoch auch Apps entstehen, deren Anwendungsfälle qando gar nicht berücksichtigen könne. "Die Wiener Linien sollten eigentlich ein Interesse daran haben, dass ihre zahlenden Kunden die Daten der Öffis möglichst einfach, praktisch und vielfältig nutzen können", sagt der Entwickler Pepi Zawodsky, der sich bereits mehrfach um Zugang zu den Echzeitdaten der Wiener Linien bemühte. "Uns entgeht die Möglichkeit Anwendungen zu veröffentlichen, die von Kundenseite gewünscht sind, weil wir die Daten nicht verwenden dürfen."

Derzeit werden von den Wiener Linien nur Haltestellendaten freigegeben. Aus ihnen geht jedoch nicht hervor, welche Linien von den Haltestellen abfahren. "Das ist nicht wirklich brauchbar", meint Entwickler Wolowicz.

Wiener Linien: "Sind sehr vorsichtig"
"Wir sind sehr vorsichtig, weil Echtzeitdaten sehr betriebsnah sind", sagt Wiener-Linien-Sprecher Dominik Gries zur futurezone. Verkehrsdatens seien für Verkehrsbetriebe extrem heikel und auch extrem wichtig. "Wenn es Probleme mit den Daten gibt, sind die Wiener Linien Schuld", sagt Gries: "Das färbt massiv auf uns ab."

Mit dem US-Anbieter Google, dem Fahrplandaten während der Fußball-EM in Wien im Rahmen eines Pilotversuches vorübergehend zur Einbindung in seinen Kartendienst Google Maps zur Verfügung gestellt wurden, habe es Probleme mit der Aktualität der Daten gegeben. Fahrplanänderungen seien nicht übernommen worden, kritisiert Gries: "Wenn die Daten falsch wiedergegeben oder Änderungen nicht berücksichtigt werden, sind die Nutzer auf uns angebissen."

Die Freigabe von Echtzeitdaten im Rahmen der Wiener Open-Data-Initiative könne allenfalls der Endpunkt eines Prozesses sein, meint Gries. "Wir wissen, dass es den Wunsch gibt und hangeln uns im Dialog mit der Community weiter." Vertreter der Wiener Linien standen der Community bereits mehrmals bei Wiener Open-Government-Data-Treffen Rede und Antwort.

Create Camp im Jänner
Am 12. und 13. Jänner ist ein Create Camp in den Räumlichkeiten der Wiener Linien geplant, bei der die Teilnehmer - zeitlich für die Dauer des Wochenendes begrenzt - Zugriff auf eine neue Echtzeitplattform der Wiener Linien erhalten sollen. Sie können dabei unter anderem Echtzeitdaten zu Abfahrten, betrieblichen Störungen und Aufzugsstörungen nutzen. "Wir freuen uns auf Prototypen, Projekte und Ideen, die mit den zur Verfügung gestellten Daten entstehen", heißt es dazu auf der Website zu dem Create Camp , das gemeinsam mit Open3, einem Verein zur Förderung offener Daten in Österreich, veranstaltet wird.

"Datenfreigabe im Moment nicht gewünscht"
Bei dem Create Camp sollen in einem geschützten und kontrollierbaren Rahmen Anwendungsmöglichkeiten ausgelotet werden, sagt  Gries. Man wolle aber keine falschen Erwartungen wecken: "Im Moment ist die Freigabe von Echtzeitdaten bei den Wiener Linien nicht gewünscht."

Entwickler Wolowicz, dessen App "Wann" derzeit auf Anfrage getestet werden kann, wird also noch einige Zeit warten müssen, bis er die Anwendung auch mit Wiener Verkehrsdaten veröffentlichen kann. Er freue sich, dass es ein Create Camp der Wiener Linien gebe. Durch die Vorschau auf die Echtzeitdatenplattform könnten Entwickler ihre Apps vorbereiten. "Ich hoffe, dass die Wiener Linien das Potenzial und die Vorteile erkennen, die sich durch eine baldige Datenfreigabe für sie und ihre Kunden ergeben", sagt Wolowicz.

Linz ist anders
Welche Möglichkeiten Fahrplan- und Echtzeitdaten für Entwickler bieten, ist etwa in Linz zu sehen. Seit im Oktober 2011 Fahrplandaten der Linz AG freigegeben wurden, sind bereits sieben Anwendungen mit den Verkehrsdaten entstanden. Darunter etwa der Routenplaner Lilli und die Anwendung Öffliner. Einige von ihnen greifen auch auf - vorerst nur inoffiziell verfügbare - Echtzeitdaten der Verkehrsbetriebe zurück. Die offizielle Freigabe von Echtzeitdaten werde in den nächsten Wochen erfolgen, kündigt Egon Pischinger von der Stabsstelle für IT und Telematik der Linz AG Linien an. Ziel sei es Informationsservices für die Fahrgäste der Verkehrsbetriebe "soweit wie möglich auszudehnen." "Aus den Daten der Linz AG entstehen Apps, die direkten Nutzen für die Bürger haben und bei der täglichen Planung helfen", sagt Stefan Pawel, Projektleiter der Open Commons Region Linz.

"Verhatscht"
Bei den Wiener Linien wurde die Freigabe der Echtzeitdaten ein bisschen "verhatscht", kritisiert Klaus-Werner Lobo, Gemeinderat der Wiener Grünen und Mitglied eines politischen Beirats der Open-Data-Initiative der Stadt. "Es ist ein politisches Ziel der Stadt Wien, alles was an öffentlichen Daten da ist, der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen", sagt Lobo: "Ich hätte gerne das Gefühl, dass das auch mit den Echtzeitdaten der Wiener Linien passiert."

Die Wiener Open-Data-Initiative sei erst etwas mehr als ein Jahr alt, heißt es aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). "Wir freuen uns über alle Unternehmen, die ihre Daten zur Verfügung stellen. Das sei jedoch ein längerer Prozess."

"Freigabe noch im nächsten Jahr"
Der Dialog mit den Entwicklern im Rahmen eines Create Camps sei "sehr gut und wichtig", sagt Johann Mittheisz, der für die Open-Data-Initiative der Stadt verantwortliche Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien: "Echtzeitdaten eröffnen neue Möglichkeiten." Das Create Camp sei ein guter Schritt in die richtige Richtung, meint Mittheisz:  "Ich bin zuversichtlich, dass die Freigabe der Echtzeitdaten durch die Wiener Linien noch im nächsten Jahr passiert."

Wenn es in Wien nicht klappe, werde er die Anwendung eben international anbieten, meint "Wann"-Entwickler Wolowicz. "Daten aus San Francisco oder London kann ich problemlos verwenden, weil sie als Open Data freigegeben wurden." Auch für Linz könne er seine Anwendung wohl schon bald anbieten: "Ironischerweise wurde Wann in Wien entwickelt. Aber in Linz beginnts."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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