Huawei tut so, als wäre nichts passiert
Laut Huawei soll der Konflikt mit der US-Regierung keine Auswirkungen auf die kommenden Produkte haben. Dazu zählt unter anderem das faltbare Smartphone Mate X, das laut dem chinesischen Konzern weiterhin ab Juli ausgeliefert werden wird. „Wir werden unsere Geräte zur richtigen Zeit in verschiedenen Regionen veröffentlichen“, sagte Wang Yufeng, VP Handsets Strategy & Business Development, am Dienstagmorgen (Lokalzeit) in Shenzhen. China dürfte hier wohl den Vorzug bekommen, andere Regionen sollen im „späten Sommer“ folgen.
Damit gibt sich der chinesische Technologie-Konzern unerwartet optimistisch. US-Präsident Donald Trump ließ Huawei vergangenen Donnerstag auf eine Liste von Unternehmen setzen, mit denen US-Unternehmen keine Geschäfte mehr machen dürfen. Am Montagabend gewährte die US-Regierung aber eine Gnadenfrist. 90 Tage lang darf Huawei weiterhin Komponenten von US-Unternehmen erwerben, um die Wartung bestehender Mobilfunknetze zu ermöglichen, sowie Updates für bestehende Android-Geräte verteilen. US-Bauteile für neue Geräte darf man aber ohne Zustimmung der Regierung weiterhin nicht erwerben.
Unklarheit bei Details
Hinter den Kulissen operiert Huawei weiterhin im Krisenmodus. Ein Termin mit dem Software-Chef wurde abgesagt, er sei aufgrund der Situation zu beschäftigt. Auch andere Huawei-Manager, die über den Tag vorbeikamen, erhielten laufend dringende Anrufe. In den Gesprächen gaben sich die Huawei-Manager so positiv wie möglich und betonten, dass die bisherige Planung beibehalten werde. Neben dem Mate X soll noch dieses Jahr zwischen Oktober und November ein weiteres 5G-fähiges Smartphone – voraussichtlich das Mate 30 Pro – veröffentlicht werden.
Zugleich räumte man aber ein, dass vieles noch unklar sei. Huawei bietet beispielsweise in China einen günstigen Smart Speaker an, der in den kommenden Monaten weltweit mit dem Google Assistant ausgeliefert werden soll. Ein Vorhaben, das nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich wäre. „Wir werden weiterhin den Google Assistant nutzen, zumindest soweit wir derzeit wissen“, so Lin Sheng, zuständig für Internet-of-Things-Geräte bei Huawei.
Li Tegyue, Präsident der VR- und AR-Sparte, betonte gegenüber der futurezone, dass man bereits eine Alternative zu Googles AR-Bibliothek ARCore entwickelt habe, die in aktuellen Huawei-Smartphones enthalten ist. Die Huawei AR Engine lasse sich mit geringfügigen Anpassungen auch in ARCore-Apps nutzen. Zugleich sei aber unklar, ob man weiterhin VR-Standards von US-Unternehmen wie Valve (SteamVR) und Facebook (Oculus) unterstützen kann. Diesen Herbst wolle man aber dennoch eine neue VR-Brille ankündigen, die deutlich kleiner und leichter als die Vorgängerversion (Huawei VR 2) sein soll und auch international auf den Markt kommen wird.
5G kommt später
Unbestritten ist, dass der Handelsstreit den 5G-Ausbau verzögern wird, weil grundlegende Komponenten fehlen. Chip-Hersteller wie Intel, Qualcomm und Broadcom mussten ihre Lieferungen einstellen. „Natürlich wird das Auswirkungen haben“, sagte Wang. „Die US-Regierung hat ihre eigenen Bedenken, aber diese sind unbegründet, denn bislang gibt es keinerlei Fakten, die belegen, dass es Probleme gäbe.“ Dem Huawei-Manager zufolge sei man gesprächsbereit. „Wir verstehen ihre Bedenken und stehen dementsprechend bereits mit verschiedenen Regierungen in Kontakt, um den regionalen Forderungen und Bestimmungen nachzukommen.“
Auch mit den USA wolle man das Gespräch suchen und zeige sich offen für gesetzliche Regulierung. An diese solle sich dann aber nicht nur Huawei, „sondern jeder Anbieter halten, um für Sicherheit zu sorgen“.
Chinas Regierung macht Druck
Huawei allein wird wohl keine Lösung finden. Am Montag schaltete sich auch die chinesische Regierung in die Debatte ein, die Gegenmaßnahmen androhte. „Dieses Vorgehen ist falsch und deswegen verlangt das nach einer angemessenen Antwort“, sagte Zhang Ming, der chinesische Botschafter für die Europäische Union, am Montag.
Die chinesische Regierung werde nicht tatenlos zusehen, „wie die US-Regierung versuche, Huawei mit administrativen Maßnahmen zu Fall zu bringen“, weswegen man zum Handeln gezwungen sei. Zhang zufolge sei das Vorgehen „politisch motiviert“ und „ein Missbrauch von Kontrollmaßnahmen für den Export“. Die US-Regierung warnte er, „nicht weiter den falschen Weg zu gehen, um weitere Verstimmungen der US-chinesischen Beziehung zu verhindern“.
Auch Huawei-Gründer Ren Zhengfei meldete sich am Dienstag erstmals in einem Interview mit dem staatlichen Sender CCTV öffentlich zu Wort. Laut ihm sei ein Konflikt mit den USA unvermeidbar gewesen. „Wir haben die Interessen von Einzelpersonen und unserer Familien für unsere Werte aufgegeben, um an die Spitze der Welt zu gelangen. Wegen dieser Werte hätte es irgendwann einen Konflikt mit den USA gegeben.“ Ren zeigte sich zudem dankbar gegenüber den US-Unternehmen, ohne die man nicht so groß werden hätte können. „Schuld an der aktuellen Situation sind die US-Politiker, nicht die Firmen.“
Lange vorbereitet
Huawei hatte sich bereits seit langer Zeit auf eine derartige Situation vorbereitet, wie aus einem Memo von He Tingbo, Leiterin von Huaweis Chip-Designer HiSilicon, hervorgeht. Das Unternehmen legte ausreichend Komponenten auf Lager, um eine derartige Situation für zumindest drei Monate zu überstehen. Zudem versuchte man offenbar bereits im Vorjahr, seine Alternative zum Google Play Store, die App Gallery, stärker außerhalb Chinas zu etablieren.
Dafür umwarb man Entwickler und versprach, diese verstärkt am Heimatmarkt China zu bewerben. Auch Mobilfunkern wurden die Pläne vorgelegt. Dabei stieß man jedoch auf den gleichen Widerstand wie Samsung und andere Hersteller, die eigene App-Stores für ihre Android-Gerät aufbauen wollten. Zudem löst man damit nicht das Problem der fehlenden Google-Apps, die von Smartphone-Nutzern als selbstverständlich angesehen werden, beispielsweise Google Maps und YouTube.
Druckmittel seltene Erden
Der chinesische Präsident Xi Jinping stattete am Wochenende einer Mine für seltene Erden einen Besuch ab. Diese sind insbesondere für die Produktion von elektronischen Komponenten erforderlich, beispielsweise Akkus und Bildschirmen. Das sorgte für Spekulationen, dass China die begehrten Ressourcen nutzen könnte, um Druck auf die USA auszuüben. Bereits 2010 verhängte China weitreichende Exportbeschränkungen, wodurch der Preis für einzelne Elemente in die Höhe schoss. 2014 ließ die Welthandelsorganisation (WHO) die Beschränkungen nach einer Klage aufheben.
China hat die weltweit größten Vorkommen an seltenen Erden und kontrolliert Schätzungen zufolge mehr als 90 Prozent des Handelsvolumens. Der Begriff seltene Erden erweckt jedoch einen falschen Eindruck, da diese alles andere als selten sind. Die Bezeichnung wurde zum Zeitpunkt der Entdeckung gewählt, weil diese schwer von anderen Elementen zu trennen waren. Um seltene Erden zu gewinnen, muss die Erde nach dem Abbau mit aggressiven Säuren gewaschen werden, wodurch der Umwelt erheblicher Schaden zugefügt wird.
Einige Konzerne, unter anderem Apple, haben bereits angekündigt, dass sie ihre Abhängigkeit von seltenen Erden reduzieren wollen. Der iPhone-Hersteller will künftig recycelte Materialien verwenden statt diese direkt von den Minen zu beziehen. Auch die E-Auto-Branche ist derzeit stark von seltenen Erden abhängig, die beispielsweise für einzelne Komponenten in Elektromotoren zum Einsatz kommen. Eine Alternative stellen fremderregte Asynchronmotoren dar, die auf seltene Erden verzichten, aber einen etwas schlechteren Wirkungsgrad aufweisen. Tesla verbaut daher in seinen Modellen mit erhöhter Reichweite bevorzugt permanenterregte Synchronmotoren.
Anti-USA-Rufe werden lauter
China dürfte in der aktuellen Situation aber vor keiner Maßnahme zurückschrecken, auch da die chinesische Bevölkerung zunehmend ihren Unmut über das Vorgehen der USA äußert. Ein Lied mit dem Titel „Handelskrieg“, dessen Inhalt stark anti-amerikanisch ist, ging auf der Messenger-Plattform WeChat viral. Zudem forderten Nutzer chinesischer Social-Media-Plattformen, Konkurrent Apple aus dem Land zu werfen. Der chinesische Botschafter Zhang Ming gab sich im Interview ähnlich kampflustig und verglich die Vorgehensweise der USA mit „Mobbing“ und „Erpressung“. „Wenn die USA einen Kampf will, dann werden wir den Weg bis zum Ende mitgehen und wir werden ehrlich kämpfen. Anders ausgedrückt, der Ball liegt derzeit bei den USA.“