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VW e-Golf im Test: Rakete mit Reichweitenangst

Im Februar 2014 hat VW eine Elektromotor-Version seines Bestsellers auf den Markt gebracht: Den e-Golf. Der Mittelklassewagen sollte als Ergänzung des kleineren e-Up auftreten und mit einer Reichweite von 190 Kilometer im Segment der reinen Elektroautos punkten. Die futurezone konnte den e-Golf über das lange Pfingstwochenende testen. Zur Verfügung gestellt wurde das Fahrzeug vom Autohaus Orthuber. Während der Testtage konnten wir zudem verschiedene Stromtankstellen von Smatrics ausprobieren. Der Ladenetzbetreiber stellte uns eine Kundenkarte zur Verfügung.

Technik

Der VW e-Golf sieht äußerlich großteils wie ein herkömmlicher Golf aus. Nur ein paar Merkmale unterscheiden das Elektro- vom Verbrennermodell: Die Front wird durch einen blauen Streifen samt e-Golf-Schriftzug durchzogen, die Stoßstange wird von C-förmigen LED-Tagfahrlichtern gesäumt und an den Reifen prangen laut VW-Beschreibung "aerodynamisch optimierte" Alufelgen - man fragt sich zwangsläufig, ob andere Felgen nicht aerodynamisch optimiert sind.

VW E-Golf im futurezone-Test

Angetrieben wird der fünftürige e-Golf von einem 85 kW/115 PS starken Elektromotor, der sein maximales Drehmoment von 270 Nm bereits ab der ersten Umdrehung entfaltet. Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der e-Golf in 10,4 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 140 km/h angegeben. Der im Fahrzeugboden installierte Akku soll eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometer ermöglichen.

Wie weit man tatsächlich damit kommt, hängt von der Fahrweise, der Zuladung aber auch dem Streckenprofil ab. Mittels dreier verschiedener Fahrprofile kann sich der Fahrer selbst zu mehr Effizienz zwingen. Während die Leistung im "Normal"-Modus 85 kW beträgt, wird sie im "Eco"-Modus auf 70 kW (Höchstgeschwindigkeit 115 km/h) und im "Eco+"-Modus auf 55 kW (max. 90 km/h) beschränkt. Leer wiegt der e-Golf 1585 Kilogramm.

Fahren

Wer sich dem e-Golf frontseitig nähert und das Auto per Fernbedienung entsperrt, erblickt sofort einmal die coole LED-Beleuchtung. Die schlanken Lichtelemente an der Front machen das Auto nicht nur sofort als e-Golf erkennbar, sondern sehen richtig schick aus. Einmal im Sitz mit Stoffbezug angelangt, dreht man den Schlüssel im Zündschloss und hört eine Mini-Fanfare als Hinweis darauf, dass der Motor läuft. Hören würde man ihn klarerweise nicht. Am Display erscheint eine kleine, grüne "Ready"-Meldung, man rückt den Automatik-Wahlhebel auf D für Drive und los geht's.

Das Armaturenbrett wird durch zwei größere Rundzeigerelemente geprägt. Das linke davon ersetzt den Drehzahlmesser und zeigt Stromverbrauch bzw. Stromgewinn an. Bremsenergie wird beim e-Golf rückgewonnen. Rechts reicht der Tacho bis 160 km/h. Dazwischen sitzt ein Multifunktionsdisplay, das Uhrzeit, Kompass, Gangwahl, Temperatur, Kilometerstand und die verbleibende Reichweite anzeigt.

Die Mittelkonsole wird durch das 8-Zoll-Touchdisplay des "Discover Pro"-Navigationssystems beherrscht. Bei laufender Routenführung werden die Navi-Kommandos auch am Multifunktionsdisplay direkt vor dem Fahrer angezeigt. Ansonsten dient das große Mittelkonsolen-Touchscreen auch der Bedienung von Radio und Mediaplayer. Auch Verkehrsmeldungen oder der Akkustatus können hier angezeigt werden.

In den Sitz gepresst

Bei geringen Geschwindigkeiten ist man im e-Golf von einer deutlich reduzierten Geräuschkulisse umgeben. Den Motor hört man gar nicht, nur das Abrollgeräusch. Kommt man vor einer Ampel zum Stillstand, wird sofort die automatische Parkbremse aktiviert. Egal wie sich die Straße neigt, man kann das Bremspedal loslassen. Springt die Ampel auf grün, steigt man aufs Gaspedal, die Bremse löst sich ohne merkbare Verzögerung.

Apropos Gaspedal: Die Leistungsdaten lassen die satte Beschleunigung schon vermuten. In der Praxis ist diese tatsächlich fantastisch. Mit einem rustikalen Tritt auf das Pedal geht der e-Golf ab wie eine Rakete - ohne aufheulenden Motor und ohne durch die Gänge schalten zu müssen, der e-Golf hat ja nur einen. Man wird still in den Sitz gepresst und übernimmt, für Kontrahenten oft überraschend, die Führung.

An der Straßenlage des e-Golf gibt es nichts auszusetzen. Das relativ hohe Gewicht (Leergewicht rund 300 Kilogramm höher als bei einem Golf mit Verbrennungsmotor), der niedrige Schwerpunkt und die Bordelektronik lassen den e-Golf in Kurven wie auf Schienen fahren. Die Reifen durchdrehen zu lassen, schafft man kaum.

Reichweite

Das große Problem - oder wenn man es positiver formulieren will: Thema - bei allen Fahrzeugen mit reinem Elektroantrieb ist die Reichweite. Beim e-Golf ist diese mit 190 Kilometern schon relativ ordentlich für den Alltagseinsatz. Dennoch hängt man bei Fahren immer mit einem Auge an der Anzeige für die verbleibende Reichweite. Fahrer mit dem sprichwörtlichen Bleifuß werden die Restkilometer schnell purzeln sehen.

Mit ruckartigen Beschleunigungsmanövern oder auch bei hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn verliert man teilweise bis zu zwei Reichweitenkilometer auf einen tatsächlich gefahrenen. Wer sich langsam fortbewegt, sanft bremst und beschleunigt, der wird das Gegenteil erleben. Am Ende hat man weniger Reichweite verbraucht, als man tatsächlich gefahren ist.

Sparen, wo es geht

Der Restkilometerstand wird vom e-Golf auch ständig neu berechnet. Teilweise erlebt man die kuriose Situation, dass man bei vorbildlichem Fahrverhalten plötzlich einige Kilometer am Reichweitenkonto dazuerhält. Neben den bereits erwähnten Fahrmodi (Normal, Eco und Eco+) hilft einem das Auto auch auf andere Weise beim Stromsparen. Mit der Lichteinstellung "Automatik" etwa wird das Licht gedimmt, sobald man an der Ampel steht. Geht die Fahrt weiter, wird die Umgebung sofort wieder besser ausgeleuchtet. Außerdem kann man verschiedene Rekuperationsstufen wählen.

Auf der niedrigsten Stufe wird tatsächlich nur bei einer Berührung des Bremspedals Energie rückgewonnen. Lässt man während der Fahrt das Gaspedal los, verliert man nur langsam an Geschwindigkeit. Wählt man eine von zwei weiteren Rekuperationsstufen, so wird man schnell langsamer, wenn man das Gaspedal verlässt. Das Auto nutzt dann jede Gelegenheit, um den Motor als Generator zu verwenden. Freilich empfehlen sich diese Rekuperationsstufen auch für das Bergabfahren. Den vollen Ladestand wird man allerdings nie erreichen, wenn man den Berg zuvor mit dem e-Golf erklommen hat.

Laden

Der e-Golf ist mit einem Combined Charging System (CCS) ausgestattet. Das heißt, man kann das Auto mit Wechselstrom (langsamer) oder Gleichstrom (schneller) beladen und verwendet dafür den selben Anschluss, der sich hinter einem Tankdeckel an gewohnter Position hinter der rechten Hintertüre befindet. Ist der Akku leer, dauert es 13 Stunden, bis der e-Golf vollgeladen ist, wenn man ihn an der Haushaltssteckdose auflädt. Doch es gibt bessere Optionen.

Mit einer Wallbox verkürzt sich die Ladezeit auf acht Stunden. Die beste Option ist jedoch das Aufladen an einer Schnellladestelle. Hier braucht es nur 30 Minuten, bis der Akku voll ist. Nun stellt sich die Frage, wo man zu solchen Ladestellen kommt. Wer sich nicht gerade eine Stromtankstelle in der heimischen Garage installieren kann, der ist auf öffentliche Ladestellen angewiesen. Smatrics betreibt bereits ein engmaschiges Netz in Österreich. Vor allem in Ballungsräumen findet man eine Vielzahl an Möglichkeiten vor, die man am besten mit der Smatrics-Mobil-App findet.

Im Rahmen des e-Golf-Tests haben wir etwa eine Ladestelle in einer APCOA-Garage in Wien verwendet. Das Auto blieb über Nacht an einer Wallbox angehängt. Am Morgen war der Akku annähernd voll und das Konto um 30 Euro ärmer. Das Stromtanken selbst kann man zum Flatrate-Preis (14,90 Euro pro Monat) bekommen, nur die Parkgebühren für die Garage bleiben einem nicht erspart - und die können bei entsprechender Ortslage ziemlich saftig sein.

Smatrics Schnellladestation am Gaudenzdorfer Gürtel

Insider-Treff Schnellladestation

Wie schon erwähnt, die beste Option sind Schnellladestellen. Innerhalb Österreichs betreibt Smatrics derzeit zehn von diesen. In Wien sind es drei. Sie befinden sich meist auf offen zugänglichen Parkplätzen. Standgebühr zahlt man also keine. Während des e-Golf-Tests wurde etwa die Schnellladestation am Gaudenzdorfer Gürtel in Wien besucht. Dort sind zwei Parkplätze für Elektroautos samt Ladesäule vorhanden.

Die Schnellladestation ist ein gut besuchter Treffpunkt für Elektroautofahrer und -Fans. Man kommt leicht miteinander ins Gespräch. Auch Besucher des Restaurants nebenan kommen öfters vorbei uns erkundigen sich über Fahrgefühl oder Reichweite der anwesenden Fahrzeuge. Die relativ kurze Wartezeit lässt sich so hervorragend vertreiben. Einziges Manko: Mit Gleichstrom kann nur jeweils eines der zwei potenziell vorhandenen Fahrzeuge geladen werden. Der Stromanschluss gibt nicht mehr her.

App

Will man beim Warten während des Stromtankens nicht im Auto sitzen oder die Anzeige an der Ladesäule im Auge behalten, so kann man sich mit einer eigenen App für den e-Golf jederzeit aus der Ferne über den Zustand seines Fahrzeugs informieren. Voraussetzung ist die zuvorgehende Anmeldung bei VWs "Car-Net". Der Anmeldevorgang auf dem Online-Portal ist ein wenig mühsam. Dafür kann man dann die "Car-Net e-Remote"-App benutzen.

VW Car-Net e-Remote App

Die App liefert eine genaue Angabe des aktuellen Ladestands, zeigt Verbrauchs- und Kilometerleistungsstatistiken. Außerdem kann man mit der App kontrollieren, ob auch alle Türen des e-Golf geschlossen sind. Im Winter kann man sich über die App außerdem sein Auto vorheizen lassen - vorausgesetzt der e-Golf hängt am Strom.

Fazit und Preis

Der e-Golf fährt sich hervorragend. Straßenlage, präzise Lenkung und Verarbeitungsqualität lassen nichts zu Wünschen übrig. Die LED-Beleuchtung lässt das Auto richtig schick aussehen. Mit der rasanten Beschleunigung kommt Freude auf. Getrübt wird die Freude nur durch den beständigen Blick auf die Reichweite, obwohl dazu eigentlich kaum Grund besteht. Die Furcht vor dem Stehenbleiben bringt den Fahrer zu vermehrtem Vorausdenken.

"Wir Elektromobilisten planen unsere Fahrten", sagen die Vertreter von Smatrics und sie haben völlig Recht. Man plant ständig, meist auch Tage voraus. Unfreiwillig, wegen Reichweitenbedenken. Die Spontanität leidet freilich etwas darunter. Doch es gibt Hoffnung: In Zukunft wird es noch mehr Schnellladestationen geben. Auch an der momentanen Situation mit Ladestellen in gebührenpflichtigen Parkhäusern wird gearbeitet.

Unter Umständen kommt es sogar zu einem Umdenken seitens politischer Entscheidungsträger, die momentan den Ausbau von Ladestellen auf öffentlichem Grund blockieren. Die derzeit vorhandenen Smatrics-Schnellladestationen wurden auf Privatgrundstücken errichtet.

Der Preis des e-Golf ist klarerweise höher als der eines normalen Golf mit Verbrennungsmotor. Das getestete Modell kommt auf 35.690 Euro. Zum Vergleich: Der BMW i3 oder der Kia Soul EV kommen auf ungefähr den gleichen Preis. Günstiger kommt man im Mittelklassesegment mit einem Nissan Leaf oder einem Renault Kangoo ZE davon. Wie Elektroauto-Enthusiasten stets betonen, sollte man bedenken, dass die laufenden Kosten von Elektrofahrzeugen wesentlich geringer als jene von Verbrennern sind. Man muss nur zu Beginn mehr investieren.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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