Dunkles Licht: Physiker suchen nach fünfter Grundkraft
In der Physik sind vier fundamentale Wechselwirkungen bekannt, die das Verhalten von Masse und Energie im Universum bestimmen. Das sind Gravitation, Elektromagnetismus, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung. Weitere Kräfte haben Physiker bislang nicht gefunden, was aber nicht heißt, dass keine existieren. Die Physik kann derzeit nur etwa vier Prozent des sichtbaren Universums beschreiben. Die restlichen 96 Prozent setzen sich aus dunkler Materie, die sich durch ihre Masse verrät, und dunkler Energie, die für die andauernde Ausdehnung des Universums verantwortlich ist, zusammen. Über diesen “dunklen Sektor” wissen Forscher nur sehr wenig.
Das PADME-Experiment (Positron Annihilation into Dark Matter Experiment) in Italien versucht jetzt Hinweise auf eine fünfte Kraft zu finden, einen “dunklen Elektromagnetismus”, der auf dunkle Materie wirkt. Diese fünfte Kraft würde über dunkle Photonen wirken, die aber nicht direkt nachgewiesen werden können, weil sie fast gar nicht mit normaler Materie oder Energie wechselwirken. Deshalb haben sich die Physiker einen Trick ausgedacht: Sie beschießen eine Scheibe aus Diamant mit Positronen. Diese sind die Antiteilchen der Elektronen und löschen sich bei Kontakt mit solchen gegenseitig aus. Dabei werden Energie und zwei Photonen frei. Wenn es eine fünfte Kraft gibt, sollte in wenigen Fällen aber ein Photon und ein dunkles Photon entstehen.
Indirekter Nachweis
Dieses dunkle Photon kann indirekt durch die Abwesenheit des zweiten Photons nachgewiesen werden. Aus der fehlenden Energie können die Physiker auch auf die Masse des dunklen Photons schließen. Wenn es die fünfte Kraft gibt, wäre das ein Hinweis auf dunkle Materie, die komplexer ist, als es die einfachsten Modelle postulieren. Diese gehen davon aus, dass dunkle Materie nur aus einer Art von Teilchen besteht, die lediglich über Gravitation mit normaler Materie wechselwirkt. Am anderen Ende des Spektrums stünde dunkle Materie, die ähnlich komplex aufgebaut ist, wie ihr sichtbarer Partner und über mehrere Kräfte wechselwirkt.
Die Chance, dass die Physiker eine fünfte Kraft finden, wird als eher gering eingeschätzt. Sollte trotzdem ein Nachweis gelingen, wäre das aber eine sensationelle Entdeckungen. Forscher hätten dann eine neuen Weg, dunkle Materie und ihre Rolle im Universum zu ergründen. Das Experiment wird zumindest bis zum Jahresende laufen, eine mögliche Fortsetzung an der Cornell University in den USA ist ebenfalls angedacht. Dort stünde ein stärkerer Teilchenbeschleuniger zur Verfügung, der die Suche in einem größeren Masse- beziehungsweise Energiebereich erlauben würde.
Die futurezone hat Paolo Valente vom Instituto Nazionale di Fisica Nucleare in Rom einige Fragen zu PADME gestellt:
futurezone: Woher kommen die für das Experiment Positronen?
Paolo Valente: Die werden im Frascati-Linearbeschleuniger (Frascati ist ein Ort in der Nähe von
Rom, Anm.) produziert. Dort können Elektronen auf bis zu 0,8 Gigaelektronenvolt (GeV) beschleunigt werden. Wenn die Elektronen nach der ersten Beschleunigerstufe mit 0,2 GeV auf ein schweres Hindernis treffen, entstehen Positronen, die dann in der nächsten Beschleunigerstufe auf bis zu 0,55 GeV gebracht werden. Das PADME-Experiment ist am Ende eines solchen Teilchenstrahls angebracht.
Welche Hinweise auf die Existenz einer fünften Kraft gibt es?
Die Beryllium-8-Anomalie ist das wichtigste experimentelle Resultat in diesem Zusammenhang. Das könnte durch ein neues Boson, also eine neue, allerdings sehr schwache Kraft erklärt werden. Das ist spannend, weil das ein eleganter Ausweg aus dem Dunkle-Materie-Dilemma wäre. Diese fünfte Kraft wäre ein Vermittler zwischen normaler Materie und dunkler Materie, eine schwache Verbindung.
Wie viele Positronen stoßen mit Elektronen in der Diamantscheibe zusammen?
Wir werden 50 Mal pro Sekunde 20.000 Positronen kollidieren lassen, das sind eine Million Positronen pro Sekunde.
Wie viele Kollisionen werden im gesamten Verlauf erwartet?
Wir werden das für sechs Monate machen und erwarten uns 10 hoch 13 Kollisionen. Die Zahl der zu erwartenden dunklen Photonen hängt dabei von zwei Parametern ab, der Masse und der Stärke der Kopplung. Wenn wir in 10 hoch 13 Kollisionen keine dunklen Photonen nachweisen können, würde das bedeuten, dass in dem Massebereich, der uns zugänglich ist, kein dunkles Photon mit einer Kopplungskonstante existiert, die größer als ein Millionstel der elektromagnetischen Kopplung ist
Wie exakt lässt sich ein fehlendes Photon messen?
Das geht über die fehlende Masse. Wir können fehlende Teilchen, die eine Masse von mehr als 4 MeV/c² (Megaelektronenvolt durch Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat, Anm.) haben, einfach erkennen.
Welche Masse erwarten die Theoretiker?
Es gibt einen Bereich bevorzugter Massen, der grob zwischen 10 und 100 MeV liegt.
Wäre ein dunkles Photon ein Hinweis auf ein ganzes dunkles Universum, in dem auch komplexe Formen von Materie existieren könnten?
Wenn die Idee eines dunklen Sektors, einer Welt mit neuen Teilchen und Kräften, die nur schwach mit normaler Materie wechselwirken, korrekt ist, dann besteht die Möglichkeit, dass es auch komplexere Gebilde wie dunkle Atome gibt. Ob das dann auch ein dunkles Spiegeluniversum erlaubt, kann ich nicht sagen.
Welchen Anteil hätten dunkle Photonen an der dunklen Materie?
Sie würden 0 Prozent der dunklen Materie ausmachen, aber 100 Prozent davon rechtfertigen, weil sie sehr elegant erklären würden, wie diese dunklen Teilchen mit dem sichtbaren Universum verbunden sind. So ließen sich die Probleme alternativer Erklärungen, etwa der bislang nicht nachgewiesenen, schwach wechselwirkenden, massereichen Teilchen, vermeiden. Die dunkle Materie wäre aus einer neuen Art von Teilchen aufgebaut, die über mehrere dunkle Kräfte, darunter das dunkle Photon, wechselwirken würden. Das dunkle Photon würde aber auch schwach an normale Materie koppeln und so die Verbindung herstellen. Es muss dabei aber keinen messbaren Einfluss auf das Gravitationsbudget des Universums haben.
Besteht auch eine Verbindung zur dunklen Energie?
Nicht direkt. Das dunkle Photon würde nichts daran ändern, dass die beschleunigte Expansion einen dunklen Energiebeitrag braucht.
Wenn ein Nachweis gelingt, ließe sich auch eine direkte Beobachtung realisieren?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Wenn das dunkle Photon leichter ist, als alle neuen Teilchen im dunklen Sektor, kann es nicht durch dunkle Kräfte in dunkle Materieteilchen zerfallen. Stattdessen sollte es in Fermionen zerfallen, wie Elektronen und Positronen. Das müsste der bevorzugte Zerfall sein, wenn das Beryllium-8-Anomalie-Boson tatsächlich existiert. Das könnten wir nachweisen. Wenn das dunkle Photon mindestens doppelt so schwer wie das leichteste Dunkle-Materie-Teilchen ist, würde es in ein Teilchen-Antiteilchenpaar dieser Gattung zerfallen. Das wäre unsichtbar. Ein direkter Nachweis in Form einer Interaktion mit sichtbarer Materie wäre nur über den Rückstoß des Atomkerns messbar, wie er in großen Dunkle-Materie-Detektoren verwendet wird.
Wann erwarten Sie erste Resultate?
Nach sechs Monaten sollte das möglich sein.