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Wie sich Drohnen ohne GPS auf dem Mars orientieren

Drohnen auf der Erde sind kleine technische Meisterwerke, doch bei der Navigation haben sie es relativ leicht. Sie können weltweit verfügbare Satellitennavigationssysteme wie GPS, Galileo, GLONASS oder Beidou verwenden, um ihre Lage auf wenige Meter genau zu bestimmen. Am Mars sieht die Sache ganz anders aus. Dort gibt es kein GPS und nicht einmal ein Kompass funktioniert. Der Mars hat kein globales Magnetfeld. Will man den Mars fliegend erkunden, muss man sich anders behelfen.

Visuelle Anhaltspunkte

Wie der Mensch sollen sich Drohnen am Mars anhand visueller Informationen zurechtfinden, erklärt Christian Brommer von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er ist Co-Leiter des Projekts AMAZE - ein Drohnen-Experiment, das heuer im Rahmen der Mars-Analog-Mission AMADEE-20 in Israel stattfinden sollte. Wegen der Corona-Krise wurden die vom Österreichischen Weltraumforum organisierten Feldversuche in der Mars-ähnlichen Landschaft der Negev-Wüste auf Herbst 2021 verschoben.

Bei der "Visual Based Navigation" nehmen Drohnen Videos ihrer Umgebung auf und analysieren die Bilder in Echtzeit. "Wir suchen dabei Besonderheiten in der Landschaft, prägnante Punkte, etwa Ecken, die man auf verschiedenen Bildern wiedererkennen kann", meint Brommer. Aber selbst solche visuellen Anhaltspunkte lassen sich am Mars schwerer finden als auf der Erde. "Der Mars ist sehr viel monotoner als die Erde. Es ist eine Wüstenumgebung. Auf der Erde haben wir außerdem viele menschgemachte Strukturen. Das macht die Orientierung einfacher."

Der NASA-Mars-Rover Perseverance wird im Frühjahr 2021 die Drohne Ingenuity absetzen

Tests auf Erde und Mars

Mit der monotonen Mars-Oberfläche wird im kommenden Jahr tatsächlich erstmals eine Drohne konfrontiert sein. Der kleine Helikopter "Ingenuity" befindet sich derzeit an der Unterseite des NASA-Rovers "Perseverance" auf dem Weg zum Mars (siehe unten). Auch er wird versuchen, sich visuell am Mars zurechtzufinden. An AMAZE beteiligte Forscher haben an seiner Entwicklung mitgearbeitet und stehen im engen Kontakt zum Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA.

Bei AMAZE wird eine Drohne eingesetzt, die mehrere Kameras mitführt. Sie erzeugen schwarz-weiße Bilder mit einer Auflösung von rund 1000 mal 400 Pixel. Im Vergleich zur handelsüblichen Handykamera mutet das vielleicht wenig an. Einer von zwei Prozessoren an Bord ist dennoch schwer mit der Analyse dieser Bilder beschäftigt. "Die Vision Based Navigation verbraucht schon sehr viel Rechenkapazität", meint Brommer. "Der zweite Prozessor widmet sich der Sammlung wissenschaftlicher Daten. Die wollen wir schließlich auch gewinnen."

Tageszeit entscheidend

Die Forscher der Uni Klagenfurt haben bereits bei der Forschungsmission AMADEE-18, die im Frühjahr 2018 im Oman stattfand, die Drohnennavigation am Mars erprobt. "Dabei haben wir gemerkt, dass die Tageszeit einen starken Einfluss auf die kamerabasierte Navigation hat. Zu Mittag, wo die Sonne kaum Schatten erzeugt, war es schwierig, Anhaltspunkte zu finden. Starker Schattenwurf, wie er morgens und abends auftritt, ist sehr hilfreich."

Weiterentwicklung

Bei den Drohnen-Tests in Israel kann man sich freilich einigen Luxus erlauben, der am Mars nicht möglich wäre. So ist etwa ein Laser-Distanzmesser an Bord, ein Magnetometer, Drucksensoren und auch ein Empfänger für ein besonders präzises GPS-Signal (RTK). All diese Sensoren dienen dazu, die Leistung der "Visual Based Navigation" zu überprüfen, sorgen aber natürlich auch für zusätzliches Gewicht. Die Batterien der Drohne können außerdem von Analog-Astronauten (Menschen in Raumanzügen) ausgetauscht werden. Pro Akkuladung sind 10 Minuten Flugzeit möglich.

Durch die Verschiebung von AMADEE-20 wird die AMAZE-Drohne ihre Testflüge wohl erst  absolvieren, nachdem Ingenuity bereits am Mars geflogen ist. Der erste Flug am Mars soll irgendwann im Frühling 2021 stattfinden. Die Erkenntnisse vom AMAZE sollen in jedem Fall in die Entwicklung weiterer Drohnen für den Nachbarplaneten einfließen.

Geniale Schuhschachtel mit langen Rotoren

Der Flug mit der NASA-Drohne "Ingenuity" wird der erste sein, den ein menschgemachtes Fluggerät auf einem anderen Planeten durchführt. Das Projekt wird als Technologie-Demonstration eingestuft und soll zunächst lediglich zeigen, dass ein kontrollierter Drohnenflug am Mars grundsätzlich möglich ist. Wissenschaftliche Daten werden dabei nicht gesammelt.

Zum Mars transportiert wird Ingenuity als Anhängsel des Rovers "Perseverance". Er soll im Februar 2021 auf dem Mars landen. Wird ein geeigneter Ort für das Experiment gefunden, setzt Perseverance die Drohne ab und entfernt sich auf seinen sechs Rädern von ihr. Ingenuity wird dann abheben, für 20 bis 30 Sekunden in der Luft schweben und wieder landen.

Dünne Luft, bittere Kälte

Ingenuity sieht aus wie eine glitzernde Schuhschachtel mit vier dünnen Beinchen, die an zwei gegenläufig drehenden Rotoren aufgehängt ist. Die 1,8 Kilogramm schwere Drohne besitzt zwei Kameras, Beschleunigungssensoren, Computer, Funktechnik sowie ein Photovoltaikmodul an der Spitze (über den Rotoren). Die Mars-Luft ist sehr dünn, weshalb die Rotoren mit 1,2 Meter Durchmesser relativ groß dimensioniert sind. Außerdem bewegen sie sich mit 2400 Umdrehungen pro Minute, deutlich schneller als Drohnen-Propeller auf der Erde.

Eine große Herausforderung für die Mars-Drohne ist die bittere nächtliche Kälte am Mars. Um die Bordelektronik vor minus 90 Grad zu schützen, wird ein Teil des Stroms, den das Solarmodul erzeugt, für das Heizen verwendet. Der Rest fließt in einen Akku. Im besten Fall wird Ingenuity nicht nur einmal fliegen, sondern öfters, mit mehrtägigen Ladepausen dazwischen.

Großer Vorteil Schweben

Warum ist Ingenuity eigentlich ein Helikopter, kein Gleitflieger oder ein Ballon? "Jede Form hat ihre Vor- und Nachteile", erklärt Christian Brommer von der Uni Klagenfurt. "Gleiter sind sehr energieeffizient und könnten lange in der Luft bleiben. Was einen Helikopter auszeichnet, ist, dass man damit über einem Ort schweben kann." Es sei dadurch einfacher,  für Forscher interessante Regionen auszukundschaften und sich dann bei Bedarf vorsichtig anzunähern. Ein mögliches Ziel seien etwa Klippen und andere Gesteinsformationen, die durch mehrschichtigen Aufbau mehr über die Vergangenheit des Planeten verraten.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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