Segway-Erfinder: Speerwurf interessiert die Kids nicht
Eines der Highlights des diesjährigen Pioneers Festival war der Vortrag von Segway-Erfinder Dean Kamen. Der 65-jährige sorgte bei seinem knapp 60-minütigen Vortrag im großen Festsaal der Wiener Hofburg mit einem dringenden Plädoyer an den Erfindergeist für Begeisterung. Zu Beginn seines Vortrages versuchte Kamen, der sich vor seinem eigenen Auftritt einige andere Vorträge auf der Start-up-Messe angehört hatte, mit einigen Mythen aufzuräumen.
Klares Rollenverständnis
"Ein Innovator oder ein Unternehmer zu sein, ist nicht dasselbe", meint Kamen. "Es gibt großartige Innovatoren und großartige Unternehmer. Manchmal sind sie in einer Person vereint, aber das ist selten." Start-up-Gründern rät er: "Schaut in den Spiegel und fragt euch, was ihr sein wollt." Man könne sich dafür entscheiden, ein Innovator und Erfinder von neuen Produkten und Dienstleistungen sein zu wollen. Die Verpflichtung, eigene Entwicklungen selbst zu vermarkten, gäbe es nicht. "Man kann das auch an jemand Anderen weiterreichen, der die Vermarktung besser versteht." Entscheide man sich dafür, eine Rolle anzunehmen, die man nicht wirklich beherrscht, würde man damit meist nicht glücklich werden.
Zusammenarbeit mit den Großen
Ein zweiter Mythos, den Kamen zu zerschlagen versucht, ist der, dass etablierte Großunternehmen überholte Institutionen und lediglich Start-ups die Zukunft repräsentieren. "Es gibt für beide einen Platz in der Welt." Start-ups können innovativ sein, Dinge ausprobieren, aber auch ohne größere Probleme scheitern. "Wenn man eine große Institution ist, geht das nicht mehr so leicht." Kamen gibt dafür auch gleich ein anschauliches Beispiel: "Das letzte, was man vor einer Operation von einem Arzt hören will, ist: 'Ich habe da eine großartige Idee!'". Man brauche "verrückte Träumer", um Dinge weiterzuentwickeln, aber man brauche auch gute Manager für große, stabile Organisationen.
Spaß mit den "Big Guys"
Für seine Ansichten bringt Kamen eine Reihe von Beispielen aus seinem Berufsleben. Eine von Kamens ersten Erfindungen war ein tragbares Gerät, das Zuckerkranken die richtige Dosis Insulin zur richtigen Zeit verabreichte. Als das Geschäft damit zu florieren begann, verkaufte Kamen die Firma. "Ich tat lieber das, was ich am besten konnte: Erfinden. Ich mache die Entwicklung, kooperiere mit den 'Big Guys' und habe meinen Spaß." Kamens eigene Entwicklerfirma Deka wurde später auch von der Medizintechnikfirma Johnson and Johnson um Rat gefragt, als es um die Entwicklung von Stents ging. Das sind Röhrchen aus Metallgewebe, die in Blutgefäße eingesetzt werden, um deren Struktur zu erhalten. "Wir waren damals gerade mit der Entwicklung von Hubschraubern beschäftigt. Aber wer kennt sich besser mit Metallurgie aus, als die Aerospace-Industrie?!" Die von Deka daraufhin entwickelten Stents befinden sich laut Kamen heute in "hunderttausenden menschlichen Körpern".
Zukunft für den iBot
Auf eigene Faust widmete sich Kamen einem weiteren Projekt mit medizinischem Hintergrund, dem iBot. Der selbstbalancierende Rollstuhl war quasi der Vorläufer des Segway. Der bekannte Personentransporter entstand quasi als Nebenprodukt des iBot. Der iBot erwies sich als zu teuer, das Projekt wurde auf Eis gelegt - bis vor kurzem. Kamen suchte wiederum einen "Big Guy" als Partner und fand Toyota. Dem größten Autohersteller machte Kamen das Konzept schmackhaft, auch körperlich benachteiligten Personen volle Mobilität zu ermöglichen. "Nicht door to door, sondern door through door." Derzeit arbeitet Deka im Auftrag der DARPA an einer Armprothese, die Kriegsversehrten helfen soll. Außerdem entwickelt das Unternehmen Verfahren für den 3D-Druck von Organen.
Nachwuchsförderung
Ein weiteres Thema, das Kamen beim Pioneers Festival anschneidet, ist die Nachwuchsförderung. Schon 1989 gründete Kamen die Initiative FIRST, die Schüler das technische Basteln und Programmieren schmackhaft machen sollte. FIRST ist mittlerweile eine weltweite Bewegung, die mehrere Sparten umfasst, bei der Kinder und Jugendliche in technischen Wettbewerben gegeneinander antreten. Kamen bedauert, dass Stars aus Sport und Unterhaltung heute meist als Rollenmodelle für Kinder herhalten müssen. "Sport und Unterhaltung brauchen bestimmte Fähigkeiten, aber die helfen niemandem." Technische Fähigkeiten hingegen würden sowohl den Kindern als auch der Welt insgesamt helfen. "Aber ich brauche Superstars, um Kindern zu zeigen, dass das funktioniert", meint Kamen und spricht damit Vertreter erfolgreicher Start-ups an. Auch die US-Politik hat Kamen für seine Ideen gewonnen. "Wenn man die Gewinner von FIRST in das Weiße Haus einlädt, ist das ein starkes Symbol." Auf der Leinwand über der Bühne zeigt Kamen Bilder von George W. Bush mit FIRST-Teilnehmern. "Der Präsident wurde von einem 50 Kilogramm schweren Roboter gejagt. Homeland Security zeigte da wenig Humor."
Olympische Spiele
Mentaler Sport soll laut ihm auch in breiteren Gesellschaftskreisen populärer werden. Man befinde sich aber auf einem guten Weg. Disney hat eine Arena für FIRST-Wettbewerbe errichtet. Das Finale eines der jüngsten Wettbewerbe wurde von 100.000 Zusehern verfolgt. Die Teilnehmer kamen aus 86 Ländern. "Das sind mehr als bei den olympischen Winterspielen." Der große Zulauf sei logisch, meint Kamen: "Die Kids interessieren sich nicht für Speerwurf und Langlaufen, sondern für Drohnen, Snapchat und so weiter." FIRST habe das Potenzial, zu den Olympischen Spielen des 21. Jahrhunderts zu werden. Für FIRST hat Kamen auch einige bekannte Gesichter gewonnen, die die Botschaft verbreiten sollen, "dass die Welt einen dringenden Bedarf an Menschen mit technischen Fähigkeiten hat". Der Musiker Will.i.am sei einer der größten Unterstützer der Nachwuchsbewegung. Und auch Schauspieler Morgan Freeman (u.a. aus "Bruce allmächtig") wirbt für FIRST. Kamen scherzhaft: "Und du musst tun, was Gott dir befiehlt."
Eines der Highlights des diesjährigen Pioneers Festival war der Vortrag von Segway-Erfinder Dean Kamen. Der 65-jährige sorgte bei seinem knapp 60-minütigen Vortrag im großen Festsaal der Wiener Hofburg mit einem dringenden Plädoyer an den Erfindergeist für Begeisterung. Zu Beginn seines Vortrages versuchte Kamen, der sich vor seinem eigenen Auftritt einige andere Vorträge auf der Start-up-Messe angehört hatte, mit einigen Mythen aufzuräumen. Klares Rollenverständnis "Ein Innovator oder ein Unternehmer zu sein, ist nicht dasselbe", meint Kamen. "Es gibt großartige Innovatoren und großartige Unternehmer. Manchmal sind sie in einer Person vereint, aber das ist selten." Start-up-Gründern rät er: "Schaut in den Spiegel und fragt euch, was ihr sein wollt." Man könne sich dafür entscheiden, ein Innovator und Erfinder von neuen Produkten und Dienstleistungen sein zu wollen. Die Verpflichtung, eigene Entwicklungen selbst zu vermarkten, gäbe es nicht. "Man kann das auch an jemand Anderen weiterreichen, der die Vermarktung besser versteht." Entscheide man sich dafür, eine Rolle anzunehmen, die man nicht wirklich beherrscht, würde man damit meist nicht glücklich werden. Zusammenarbeit mit den Großen Ein zweiter Mythos, den Kamen zu zerschlagen versucht, ist der, dass etablierte Großunternehmen überholte Institutionen und lediglich Start-ups die Zukunft repräsentieren. "Es gibt für beide einen Platz in der Welt." Start-ups können innovativ sein, Dinge ausprobieren, aber auch ohne größere Probleme scheitern. "Wenn man eine große Institution ist, geht das nicht mehr so leicht." Kamen gibt dafür auch gleich ein anschauliches Beispiel: "Das letzte, was man vor einer Operation von einem Arzt hören will, ist: 'Ich habe da eine großartige Idee!'". Man brauche "verrückte Träumer", um Dinge weiterzuentwickeln, aber man brauche auch gute Manager für große, stabile Organisationen. Spaß mit den "Big Guys" Für seine Ansichten bringt Kamen eine Reihe von Beispielen aus seinem Berufsleben. Eine von Kamens ersten Erfindungen war ein tragbares Gerät, das Zuckerkranken die richtige Dosis Insulin zur richtigen Zeit verabreichte. Als das Geschäft damit zu florieren begann, verkaufte Kamen die Firma. "Ich tat lieber das, was ich am besten konnte: Erfinden. Ich mache die Entwicklung, kooperiere mit den 'Big Guys' und habe meinen Spaß." Kamens eigene Entwicklerfirma Deka wurde später auch von der Medizintechnikfirma Johnson and Johnson um Rat gefragt, als es um die Entwicklung von Stents ging. Das sind Röhrchen aus Metallgewebe, die in Blutgefäße eingesetzt werden, um deren Struktur zu erhalten. "Wir waren damals gerade mit der Entwicklung von Hubschraubern beschäftigt. Aber wer kennt sich besser mit Metallurgie aus, als die Aerospace-Industrie?!" Die von Deka daraufhin entwickelten Stents befinden sich laut Kamen heute in "hunderttausenden menschlichen Körpern". Zukunft für den iBot Auf eigene Faust widmete sich Kamen einem weiteren Projekt mit medizinischem Hintergrund, dem iBot. Der selbstbalancierende Rollstuhl war quasi der Vorläufer des Segway. Der bekannte Personentransporter entstand quasi als Nebenprodukt des iBot. Der iBot erwies sich als zu teuer, das Projekt wurde auf Eis gelegt - bis vor kurzem. Kamen suchte wiederum einen "Big Guy" als Partner und fand Toyota. Dem größten Autohersteller machte Kamen das Konzept schmackhaft, auch körperlich benachteiligten Personen volle Mobilität zu ermöglichen. "Nicht door to door, sondern door through door." Derzeit arbeitet Deka im Auftrag der DARPA an einer Armprothese, die Kriegsversehrten helfen soll. Außerdem entwickelt das Unternehmen Verfahren für den 3D-Druck von Organen. Nachwuchsförderung Ein weiteres Thema, das Kamen beim Pioneers Festival anschneidet, ist die Nachwuchsförderung. Schon 1989 gründete Kamen die Initiative FIRST, die Schüler das technische Basteln und Programmieren schmackhaft machen sollte. FIRST ist mittlerweile eine weltweite Bewegung, die mehrere Sparten umfasst, bei der Kinder und Jugendliche in technischen Wettbewerben gegeneinander antreten. Kamen bedauert, dass Stars aus Sport und Unterhaltung heute meist als Rollenmodelle für Kinder herhalten müssen. "Sport und Unterhaltung brauchen bestimmte Fähigkeiten, aber die helfen niemandem." Technische Fähigkeiten hingegen würden sowohl den Kindern als auch der Welt insgesamt helfen. "Aber ich brauche Superstars, um Kindern zu zeigen, dass das funktioniert", meint Kamen und spricht damit Vertreter erfolgreicher Start-ups an. Auch die US-Politik hat Kamen für seine Ideen gewonnen. "Wenn man die Gewinner von FIRST in das Weiße Haus einlädt, ist das ein starkes Symbol." Auf der Leinwand über der Bühne zeigt Kamen Bilder von George W. Bush mit FIRST-Teilnehmern. "Der Präsident wurde von einem 50 Kilogramm schweren Roboter gejagt. Homeland Security zeigte da wenig Humor." Olympische Spiele Mentaler Sport soll laut ihm auch in breiteren Gesellschaftskreisen populärer werden. Man befinde sich aber auf einem guten Weg. Disney hat eine Arena für FIRST-Wettbewerbe errichtet. Das Finale eines der jüngsten Wettbewerbe wurde von 100.000 Zusehern verfolgt. Die Teilnehmer kamen aus 86 Ländern. "Das sind mehr als bei den olympischen Winterspielen." Der große Zulauf sei logisch, meint Kamen: "Die Kids interessieren sich nicht für Speerwurf und Langlaufen, sondern für Drohnen, Snapchat und so weiter." FIRST habe das Potenzial, zu den Olympischen Spielen des 21. Jahrhunderts zu werden. Für FIRST hat Kamen auch einige bekannte Gesichter gewonnen, die die Botschaft verbreiten sollen, "dass die Welt einen dringenden Bedarf an Menschen mit technischen Fähigkeiten hat". Der Musiker Will.i.am sei einer der größten Unterstützer der Nachwuchsbewegung. Und auch Schauspieler Morgan Freeman (u.a. aus "Bruce allmächtig") wirbt für FIRST. Kamen scherzhaft: "Und du musst tun, was Gott dir befiehlt."