Start-ups

Wie IT-Profis in Zukunft arbeiten werden

IT-Fachkräfte und Computerspezialisten sind am Arbeitsmarkt auch trotz Corona-Krise Mangelware. Dem will ein Start-up Abhilfe schaffen. Upper.co konzentriert sich darauf, Fachkräfte von Programmierern bis zu Projekt-Managern für einzelne Projekte an Unternehmen zu vermitteln. Die Spezialisten werden in einem aufwendigen Prozess ausgewählt und aufgenommen, die Unternehmen zahlen eine fixe Service-Gebühr für die  Abwicklung.

Die Gründer bezeichnen die Plattform als „Future of Work“-Initiative, denn es werden keine Festanstellungen vermittelt, sondern projektbezogene Aufträge. Gegründet wurde upper.co von Victor Cazacu, der zuvor die MVP Factory in Berlin aufgebaut und als Head of Mobile beim Aufbau der FinTech Bank N26 mitgewirkt hat und Paul Friedrich, der die Crowdtesting-Plattform Applause geleitet hat. Auch Ivan Bernat ist mit an Bord.

Die futurezone bat die Gründer zum Gespräch.

Victor Cazacu und Paul Friedrich

futurezone: Wie seid Ihr auf die Idee einer solchen Plattform gekommen?
Victor Cazacu: Ich komme selbst aus der IT-Branche und habe in den vergangenen 20 Jahren aus den unterschiedlichsten Rollen heraus digitale Produkte entwickelt. Hoch qualifiziertes IT-Fachpersonal zu besetzen war dabei immer die größte Herausforderung. Wenn ich mich an eine Freelancer-Plattform gewandt habe, um offene Jobs zu besetzen, wurde ich in den meisten Fällen enttäuscht von der Qualität und dem schlechten Service. Daher könnte man sagen, die Idee entstand aus einem Problem heraus, das ich selbst hatte.

Wie wollt ihr das mit upper.co ändern?
Cazacu: Unsere Mission ist es, Unternehmen und Tech-Spezialisten zu ermöglichen, in der ‘Arbeitswelt von Morgen’, wo Freelance und Remote-Work-Modelle vorherrschen, erfolgreich zusammen arbeiten. Und um das zu tun, müssen wir heute die Tools und Prozesse für beide Seiten schaffen. Unsere Plattform soll in Zukunft alle Bereiche des erfolgreichen Zusammenarbeitens abdecken. Auch heute schon nehmen wir Unternehmen und IT-Freelancer, die mit uns arbeiten, zeitfressende und bürokratische Abläufe wie Zeiterfassungen, das Erstellen von Verträgen und so weiter ab.

Wollen Developer lieber unabhängig sein und keine Anstellung?
Cazacu: Heutzutage ist es nicht mehr üblich, 20 Jahre im selben Unternehmen zu bleiben. Der Trend zeigt, dass vor allem IT-Fachkräfte Future-of-Work-Modelle wie Freelance und Remote bevorzugen - dadurch können sie in ihrer Lebens-und Berufswahl flexibler sein und auch die Vorteile in Bezug auf Karriere und Verdienst sollte man nicht vom Tisch kehren.

upper.co ist daher keine Jobvermittlung im klassischen Sinne, auf der Festanstellungen vermittelt werden. Unternehmen, die auch in Zukunft Zugang zu Top-Entwicklern und anderen hochqualifizierten digitalen Talenten haben wollen, müssen schon jetzt auf flexiblere Arbeitsmodelle wie Freelance und Remote Work umsteigen - um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Paul Friedrich: Schon in den vergangenen Jahren zeichnete sich der Trend in Richtung Freelance und Remote ab, aber die COVID-19-Krise hat diese Entwicklung innerhalb weniger Monate nochmal um Jahre, vielleicht ein Jahrzehnt, vorangetrieben. Neu ist das nicht: Bekannte Top-Tech-Companies haben bereits vor Jahren auf diese Arbeitsmodelle gesetzt und diese integriert. Nun folgen auch Unternehmen, die von dem Verständnis vielleicht vor wenigen Monaten noch etwas weiter weg waren.

Seht ihr Europa als einen Markt, oder ist jedes Land - wie Österreich - ein eigener Markt?
Friedrich: Österreich ist insbesondere wegen des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage so interessant für uns: Es gibt viele große, etablierte Unternehmen und eine schnell wachsende Start-Up Szene, jedoch nicht ausreichend passende Talente, um offene Positionen in IT besetzen können. Wir hören immer wieder von unseren Kunden aus Österreich, dass es Monate dauern kann, spezialisierte IT-Rollen in Festanstellung zu besetzen und sich Firmen daher Freelance-Optionen immer mehr öffnen. Insbesondere in digitalen Hubs wie Wien hat der Trend zu Freelance längst Fuß gefasst und das Thema Remote Work ist spätestens in den vergangenen Monaten noch einmal befeuert worden. In Zusammenarbeit mit lokalen Sourcern wollen wir unsere Freelance Community in Österreich ausbauen, um auch Projekten, die physische Präsenz voraussetzen, gerecht zu werden.

Gibt es neben Entwicklern noch andere IT-Fachkräfte, die ihr vermittelt?
Cazacu: Absolut! Über Upper kann jedes Talent gefunden werden, das man braucht, um Software zu bauen. Vom Developer bis zum Designer und Produktmanager. Um in unsere kuratierte Tech-Community aufgenommen zu werden, muss ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durchlaufen werden, das vorangegangene Projekte bewertet und praktische wie rollenspezifische Testverfahren wie Coding-Assignments beinhaltet. Neben der ID-Überprüfung, werden auch Persönlichkeits- und Belastungstest durchgeführt. Übrigens überprüfen wir auch die Projektvorgaben auf Unternehmensseite bevor wir einen unserer IT-Spezialisten vermitteln.

Wieviel zahlen die Unternehmen für den Service?
Friedrich: Die Laufzeit des Projekts ist ausschlaggebend für die Höhe der Rate, da die Servicegebühr nicht als Einmalzahlung für eine Job-Vermittlung zu verstehen ist, sondern als fixer Betrag, der unabhängig von der Freelancer-Rate auf die jeweiligen Tagessätze drauf gesetzt wird. Unser Business Modell unterscheidet sich damit grundsätzlich von anderen Anbietern.         
            
Wie hoch ist der Anteil von Frauen und Männern bei Upper.co?

Friedrich: Bei uns im Core-Team bei upper.co ist der Anteil von Frauen und Männern relativ ausgeglichen. Wir bemerken generell, dass es heutzutage immer mehr Frauen in IT-Berufe zieht, dass eine Karriere in Informatik auch für immer mehr weibliche IT-Fachkräfte eine interessante Option ist und begrüßen daher auch Initiativen, die weibliche Role Models in den Vordergrund holen - das ist nötig und wichtig.

Gibt es durch den Algorithmus irgendwelche Nachteile für IT-Spezialistinnen?
Friedrich: Unser Matching wird vom Algorithmus nur unterstützt. Das bedeutet, dass immer ein Tech-Experte entscheidet, wer der perfekte Fit für eine Rolle ist. Daher gibt es keinen Nachteil beim Matching - ganz im Gegenteil. Der Mix von Mensch und Maschine beim Matching garantiert unseren IT-Spezialisten, dass sie nur jene Rollen bekommen, für die sie am besten geeignet sind.

Ist das Geschlecht ein Suchkriterium, das man als Unternehmen bei der Suche angeben muss?
Cazacu: Unternehmen beschreiben uns welches Produkt sie bauen, welches Problem sie lösen oder nach welcher Rolle sie suchen wollen. Wir finden dann die beste Person dafür, ganz unabhängig von Geschlecht.

Wohin geht die Reise des IT-Fachkräftemangels noch? Kämpft hier Europa gegen die USA?
Cazacu: Wir glauben, dass das Tech-Talent an sich relativ gleich verteilt ist, geografisch gesehen. Die Opportunities und Chancen allerdings nicht. Daher wollen wir mit Upper auch Unternehmen und Talente innerhalb Europas grenzübergreifend zusammenbringen. Der Fachkräftemangel ist dabei nicht nur in Europa ein Thema und hört auch nicht bei den USA auf. Ich würde soweit gehen, dass auch China oder zum Beispiel Indien Probleme haben, weil viele der besten Talente in die USA oder Europa auswandern wollen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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