Insgesamt 17 verschiedene Playlists stehen zur Auswahl, sechs davon sind mit Spotify-Exklusiv-Titeln befüllt
Insgesamt 17 verschiedene Playlists stehen zur Auswahl, sechs davon sind mit Spotify-Exklusiv-Titeln befüllt
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Musik-Streaming

Spotify Running im Test: Unbarmherziger Trainingspartner

Musik ist im Alltag vieler Menschen nahezu unverzichtbar. Sei es als Ablenkung bei der Fahrt in den Öffis, als kreativer Anstoß beim Schreiben oder um einfach nur Spaß mit Freunden zu haben. Besonders beliebt ist Musik beim Sport. Zurecht, wie zahlreiche Studien belegen. Die richtige Musik kann dabei helfen, dass man den letzten Kilometer oder doch noch ein paar Kilogramm mehr stemmen kann. Der Nutzen ist zumindest beim Ausdauersport dermaßen groß, dass einige Wettbewerbe sogar MP3-Player und Smartphones verbannt haben.

In Studien wurde die Ausdauer um bis zu 15 Prozent verbessert. Musik ist für die Gesundheit ein ungefährliches und legales Doping. Das will man sich nun bei Spotify zunutze machen. Statt mühsam Titel per Hand zu einer eigenen Trainings-Playlist zusammenzustellen, soll Spotify Running passend zum eigenen Tempo die Musik liefern. Die neue Funktion wurde erst kürzlich für die iOS-App vorgestellt. Die futurezone hat einige Trainingsläufe mit Spotify Running absolviert.

Spotify macht selbst Musik

Die Funktion ist vorerst nur für iOS verfügbar und darf noch als Beta angesehen werden. Der Tab in der Seitenleiste taucht daher noch nicht für jeden Nutzer auf, Spotify schaltet die Funktion erst langsam frei. Ein knapp vierzig Sekunden langes Video soll die Funktion erklären, doch die Bedienung ist selbsterklärend. Öffnet der Benutzer den Tab Running, bekommt er insgesamt 17 verschiedene Playlists zur Auswahl. Die sogenannten “Running Originals” sind das Herzstück und sollen von Spotify in Auftrag gegebene Musik bieten, die sich an das aktuelle Lauftempo anpasst.

Derzeit bietet Spotify Running noch zu wenig Variation, um eine sinnvolle Ergänzung zum Lauftraining zu sein - mit etwas mehr Freiheiten für den Nutzer, mit denen er das Erlebnis für sich anpassen kann, könnte es aber durchaus hilfreich sein
Zusätzlich dazu gibt es elf weitere Playlists, die nach Genres sortiert sind. So bekommt der Nutzer beispielsweise nur Hip-Hop- und RnB-Tracks aus der 30 Millionen umfassenden Spotify-Bibliothek vorgespielt, wenn er diese Playlist auswählt. Etwas mehr Auswahl soll die “Recommended”-Playlist bieten. Diese stellt Musik auf Basis der eigenen Spotify-Historie zusammen. Wählt man eine Playlist aus, startet die Musik aber noch nicht. Zuvor will Spotify den eigenen Rythmus erfassen. Der Nutzer muss knapp zehn bis 15 Sekunden mit dem Smartphone laufen, dann wird der Rythmus in bpm (beats per minute) ermittelt und der erste passende Titel wiedergegeben.

Wuchtiger Start

Der erste Lauf hatte gleich einen ordentlichen Schuss Nostalgie in petto. Die Recommended-Playlist startete das Training mit “Carolus Rex” von der schwedischen Power-Metal-Band Sabaton. Zugegeben, ein motivierender Song mit flottem Tempo - rund 176 bpm, passend zu den ermittelten 180 bpm - doch irgendwie die falsche Musik zu Beginn eines lockeren Abendlaufes bei schwülen 25 Grad. Die Metal-Zeiten des Autors liegen schon eine Weile zurück, dennoch wollte Spotify nicht von diesem Genre abrücken. Nächster Song: “The Hell Song” von Sum 41. Na gut, kein Metal und motivierend genug zum Laufen.

Das ohnedies kurze Lied ist kaum angestimmt, da ertönt schon Kendrick Lamar mit “The Blacker the Berry”. Spotify Running spielt nur jene Teile des Titels ab, die auch dem gewünschten Tempo entsprechen. Flacht das Tempo zu sehr ab, geht man zum nächsten Titel über. Auch der langsame Beginn wird fast immer übersprungen, meist findet man sich mitten im Refrain wieder. Nach der kurzen Rap-Unterbrechung folgen wieder einige bekannte Erinnerungen an die Metal-Vergangenheit: Letzte Instanz, In Extremo, Slipknot und In Flames. Gute Erinnerungen, doch das geht einfach zu schnell.

Das Tempo lässt sich leider nur mühsam anpassen. Das Smartphone muss aktiviert werden, in der Spotify-App kann dann das Tempo in 5-bpm-Schritten eingestellt werden. Das Senken auf 170 bpm bringt kaum Entspannung. Dezent sanftere Töne mit Flogging Molly, Mando Diao, The Fratellis und Franz Ferdinand, doch noch immer fühlt man sich gehetzt. Nach sechs Kilometern reicht es, das Tempo wird für den Rückweg auf das Minimum von 140 bpm reduziert. Doch auch hier ist es immer noch die “falsche” Musik für den Lauf, meist langsamere Metal-Titel. Bei tropischen Bedingungen war ohnehin an keine persönliche Bestzeit zu denken, doch das flotte Tempo zu Beginn leert die Batterien des Körpers rasch. Die Musik war erstmals seit langer Zeit keine Hilfe, sondern wie ein umbarmherziger Personal Trainer mit Peitsche.

Gelungener zweiter Anlauf

Versuch Nummer Zwei: Dieses Mal wird Metal explizit ausgeschlossen. Der Lauf startet mit der “Running Originals”-Playlist “Blissed Out”. Die Beschreibung: “Überglücklicher Pop und Indie”. Eigentlich genau das Richtige für den Lauf. Doch was dann ertönt, erinnert eher an einen Samsung-Klingelton als “überglücklichen Pop”. Kein Gesang, lediglich eine eingängige Melodie. Die Titel ziehen sich zeitweise über zehn Minuten und sind kaum voneinander zu unterscheiden. Doch so eintönig die Titel auch sein mögen, sie erfüllen ihren Zweck. Der Rythmus passt zum Tempo und ist ausreichend motivierend. Man entdeckt so zwar keine neuen Songs oder Künstler, kommt aber auch kaum in Verlegenheit, den Titel überspringen zu müssen.

Auch die anderen fünf Playlists, eine davon mit neuen Songs vom bekannten DJ Tiesto, sind ähnlich. Die Beschreibungen können aber weitestgehend ignoriert werden. “Blissed Out” hat kaum etwas mit Indie und Pop zu tun und auch die anderen Playlists (mit Ausnahme von der Tiesto-Playlist) verfehlen ihre angegebenen Genres deutlich. Ein Problem wurde aber rasch deutlich: Da eine Playlist quasi einem Album entspricht und alle Songs ähnlich klingen, wiederholt es sich rasch und wird langweilig. Die “Running Originals” sind daher für kurze Läufe (30 bis 45 Minuten) gut geeignet, über längere Zeit wird es aber rasch fad.

Fazit

Hinter Spotitfy Running steckt eine gute Idee. Musik ist wichtig beim Training und ein “persönlicher DJ” kann tatsächlich helfen, das letzte Quäntchen Energie aus sich rauszuholen. Doch derzeit hat die Funktion noch viele kleine Macken, die eher für Frust beim Laufen sorgen. So ist die Recommended-Playlist zwar gut gemeint, doch Spotify ist etwas zu gründlich und konfrontiert den Nutzer mit seiner gesamten Musik-Vergangenheit. Geschmäcker können sich rasch verändern, zudem möchte nicht jeder beim Training dieselbe Musik hören wie im Alltag.

Bei den Genre-Playlisten bekommt man hingegen, was versprochen wird. Wer Spotify Running ausprobieren und auf Überraschungen verzichten möchte, sollte daher auf diese Playlisten zurückgreifen.

Alternativen

Spotify Running ist nicht die erste App, die die perfekte Musik für das Training finden will. Sowohl für Android als auch iOS gibt es zahlreiche Alternativen. Die wohl Neueste ist Adidas Go (iOS), die wie Runtastic Trainings aufzeichnet (kann mit miCoach verknüpft werden) und Musik per Spotify wiedergibt. Im Gegensatz zu Spotify Running kann zuvor eine Genre-Wahl getroffen werden. In einem Kurztest gab die App aber bereits nach fünf Kilometern auf, es ließ sich aus unerfindlichen Gründen keine Musik mehr wiedergeben.

Doch auch andere Alternativen sind in den App Stores zu finden, wie beispielsweise PaceDJ (iOS, Android), RockMyRun (iOS, Android), TempoRun (iOS) oder TrailMix (iOS). Einige dieser Apps erlauben auch das manuelle Erstellen von Playlists mit Empfehlungen, allen voran Jog.fm (iOS).

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