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"2020 wird keine Maschine mehr ohne digitalen Zugang geliefert"

Der oberösterreichische Industrieautomatisierer Bernecker + Rainer (B&R) wurde 2017 vom Schweizer ABB-Konzern übernommen. Der neue Eigentümer schätzt das Know-how und investiert 100 Millionen in den Aufbau eines neuen Forschungszentrums. Das zeigt, welches Potenzial der Digitalisierung von industriellen Produktionsstätten zugeschrieben wird.

Der Prozess geht aber langsam vonstatten, weil er große Investitionen erfordert, IT-Experten verlangt und Sicherheitsprobleme mit sich bringt. B&R-Geschftsführer Hans Wimmer erklärt im futurezone-Gespräch, wie auf diese Herausforderungen reagiert wird.

Hans Wimmer, GF Bernecker und Rainer

Hans Wimmer, GF Bernecker + Rainer

Warum ist Oberösterreich ein guter Standort für ein Forschungszentrum?
B&R hat mit über 1000 Mitarbeitern im Bereich der Produkt- und Applikationsentwicklung bereits eine große Kapazität. Durch die gute Kombination aus Ausbildungsstätten und vorhandenen Teams ist es möglich, das weiter auszubauen. Deshalb ist die Wahl auf Eggelsberg gefallen. Wir sind innerhalb der ABB schon das globale Zentrum der Fabrik- und Maschinenautomatisierung. Das wird auch der Schwerpunkt unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit sein.

Ist der Begriff Industrie 4.0 hier aus der Mode gekommen?
Wir fassen den Begriff ein bisschen breiter auf. Uns geht es um die Digitalisierung der Industrie. Das ist gut so, weil der Bogen deutlich weiter zu spannen ist als nur “Industrie 4.0”. Das war der Name des Projekts zu Beginn. Letztendlich geht es aber um Digitalisierung, es geht um die Verschmelzung des Geschäftsteils mit dem Produktionsteil des Unternehmens, mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen und flexibler sowie effektiver zu sein.

Hat der Begriff Industrie 4.0 seinen Glanz verloren?
Ich glaube nicht, dass Glanz verloren gegangen ist. Es ist einfach ein Thema, das alle betrifft.

Die Konkurrenz auf dem Gebiet ist groß. Was ist das Alleinstellungsmerkmal der ABB?
Man hat auf der einen Seite eben die technologische Plattform und auf der anderen die Lösungen, die darauf aufbauen. Bei der Plattform wäre es unter Umständen schwieriger, sich zu unterscheiden. Vielleicht wäre das sogar kontraproduktiv. Man muss sich beim Lösungsangebot unterscheiden. Wir wollen mit unserem Angebot Mehrwert liefern; das ist für die Kunden der entscheidende Vorteil.

Ist Österreich mit seinen vielen KMUs ein schwieriger Markt?
Der Absatzmarkt Österreich ist klein. B&R ist extrem früh, schon vier Jahre nach der Unternehmensgründung, ins Ausland gegangen und hat gesehen, dass die Internationalisierung ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist. Wir sind froh und stolz, dass wir in Österreich diese Leistung erbringen können, im Bereich der Forschung und Entwicklung aber auch in der Fertigung. Wir sind aber auch realistisch und wissen, dass wir den Export als Absatzmarkt brauchen.

Trotzdem ist die Digitalisierung für KMUs eine besondere Herausforderung.
Ich würde das nicht auf die Digitalisierung reduzieren. Unsere Produkte wurden in den letzten drei bis fünf Jahren durch Digitalisierung erweitert. Das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich in den Markt. Diese Entwicklung findet stärker in Neuinstallationen statt und weniger in etablierten Systemen. Es ist halt so, dass Unternehmer eher in eine neue Fertigungsstätte oder –strecke investieren, da kommen dann auch neue Maschinen mit neuen Funktionen zum Einsatz. Im Zuge der Modernisierung einer vorhandenen Installation zieht auch die Digitalisierung ein – Schritt für Schritt. Es gibt mittelgroße und sogar kleine Maschinenbauunternehmen, die Anlagen digitalisieren und vernetzen.

Wie schlagen sich die KMUs im Vergleich zu den Großen?
Dieser Vergleich ist schwierig, weil ja die Ausgangslagen unterschiedlich sind. Wenn man die Stückzahlen der digitalen Knoten anschaut, dann wird immer der Große vorne liegen. Interessanter ist, die Zeitschiene zu betrachten: Ich glaube, dass im Jahr 2020 keine Maschine oder Anlage mehr geliefert wird, die nicht vollen digitalen Zugang bietet. Das ist zugegeben eine gewagte Aussage, aber das wird der Standard werden.

Das bringt auch Probleme mit, etwa im Bereich der IT-Sicherheit. 
Das ist kein Problem, sondern eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Es gibt keine andere Option. Die IT-Technologie hat sich so entwickelt, wir müssen mit diesem Ballast leben, als Personen, als Unternehmen, als Maschinenbauer und auch als Automatisierer. Das wird sich nicht ändern. Die Systeme der ABB müssen Cybersecurity versprechen. Ich bezeichne das als gewisse Grundlast, die wir mitschleppen müssen. Das geht allen anderen aber auch so. Das können wir alleine auch nicht beeinflussen.

Das ist heikel, weil es keine hundertprozentigen Lösungen gibt.
Wenn man über Risiken spricht, dann muss man auch fragen, ob man ins Auto oder ins Flugzeug steigen will. Der Volksmund sagt “Das Leben ist lebensgefährlich”. Und das ist die Wahrheit. Es geht immer darum, wie man mit diesen Risiken umgeht. Diversität ist ein probates Mittel oder die Verschlüsselung der Information - da gibt es viele viele Möglichkeiten. Es wäre aber vermessen zu sagen, unsere Systeme seien absolut sicher. Das kann niemand sagen. ABB hat große Teams, um sich damit auseinanderzusetzen. Deren Aufgabe ist es, Risiken zu erkennen, die Auswirkung zu bewerten und so Risiken zu beschränken und zu beherrschen.

Auch Staaten hacken munter darauf los. Erhöht das die Ansprüche zusätzlich?
Für jedes Unternehmen liegt das größte Risiko für Know-how-Verluste nach wie vor im eigenen Haus. Wenn man das im Griff hat, hat man auch viele der Gefahren im Griff, die im Netz lauern.

Sind protektionistische Tendenzen im Technologiebereich ein Risiko für ABB?
Natürlich beobachten wir, was sich global wirtschaftlich tut und was das bedeuten kann. Die Industrie funktioniert aber anders. Diese Punkte sind vor allem kommerziell. Im Industriebereich ist das anders. Heute Morgen hat unser CEO, Herr Spiesshofer, in dem Zusammenhang während der Pressekonferenz gesagt ‘Die Welt hat sich gut entwickelt’. Im Industriebereich sind solche Themen meist moderater und damit überschaubar und beherrschbar. Ich rechne nicht mit einer Verschlechterung der Situation.

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Markus Keßler

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