Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB
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ABB-CEO: "Thema Datensicherheit ist weitestgehend abgearbeitet"

Der Industrieausstatter ABB, der aktuell hauptsächlich in der Elektrifizierung und Industrieautomatisierung tätig ist, investiert 100 Millionen Euro in ein neues Forschungszentrum in Oberösterreich (die futurezone berichtete). Dort hat der Konzern nach der Übernahme des lokalen Herstellers Bernecker und Partner bereits eine starke Präsenz. Entwickelt werden sollen am neuen Standort neue Lösungen für die Vernetzung und Automatisierung der Industrie. Diesem Geschäftszweig wird nicht nur von ABB eine große Zukunft prophezeit. Die Kosten und Risiken sind allerdings nicht zu unterschätzen. Die futurezone hat Ulrich Spiesshofer, den CEO von ABB, zum Interview getroffen.

 

futurezone: Was macht Oberösterreich zum guten Standort?
Erstens haben wir hier fleißige, gut ausgebildete Mitarbeiter mit großer Offenheit und Elan, die sich ins Unternehmen einbringen. Es gibt ein ausgezeichnetes Ausbildungssystem, von der Lehre über die HTLs bis zu Fachhochschulen und Universitäten. Zweitens ist Österreich auch ein wichtiger und großer Absatzmarkt. Das darf man bei all der Export-Euphorie nicht vergessen. Drittens haben wir hier Rahmenbedingungen, die langfristig relativ stabil sind. Wenn man Bundeskanzler Kurz zuhört, der die Steuerbelastung wettbewerbsfähig machen will und das Thema Digitalplattform ernst nimmt, wird das auch so bleiben. Das Paket stimmt insgesamt, aber es muss auch weiterentwickelt werden.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Tempo der Digitalisierung in der Industrie? Können die KMUs mit Konzernen mithalten?
Wenn wir unsere digitale Lösungspalette bei allen Kunden komplett einsetzen würden, dann könnten diese weltweit 1000 Milliarden Dollar einsparen. Wenn man nur zwei Prozent davon für die ABB als Umsatz gewinnen könnte, ist das eine enorme Wachstumschance. Ein kleiner Familienbetrieb, dem es früher nicht möglich war, Roboter einzusetzen, weil die Programmierung und die Instandhaltung Spezialpersonal nötig machten, kann das mit unseren Lösungen heute tun. Die Installation und Inbetriebnahme ist einfacher, weil unsere Roboter schon weiß, was er tun muss, wenn er in die Fabrikhalle kommt. Unser Fernwartungszentrum stellt über vernetzte Sensoren früh mögliche Störungen fest und schickt proaktiv Servicemitarbeiter vorbei, damit der Roboter läuft. Wir machen Automatisierungs- und Robotiklösungen für kleinere Unternehmen attraktiv, damit Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt werden können.

Wenn der Anspruch die hundertprozentige Digitalisierung der Industrie ist, wo stehen wir heute?
Der Anspruch bei 100 zu sein ist gut, aber 100 wird sich kontinuierlich weiterentwickeln.

Und wenn man Volldigitalisierung aus heutiger Sicht als Basis nimmt?
Ich will da keine Zahlen nennen, aber wir haben heute ein Umfeld, das befriedigend ist. Weil zum Beispiel das Thema Datensicherheit weitestgehend abgearbeitet ist. Wir haben da eine gute Plattform. Wir haben beim Thema Kommunikation - hier war Österreich im Bereich (des Mobilfunkstandards, Anm.) 3G Vorreiter - die Chance, noch ein bisschen mehr Gas zu geben, was Österreich bei 5G ja auch plant. Gerade in kleineren Ländern wie Österreich und der Schweiz ist es wichtig, dass die Randbedingungen so festgelegt werden, dass man den Vorteil von großen Ländern aushebeln kann. Dann kann man auch in einem kleinen Land erfolgreich sein.

Dass das Datenthema abgearbeitet ist, ist eine kühne Aussage. Es gibt keine Sicherheitsgarantien.
Da stimme ich Ihnen zu.

Könnten Datenverluste im großen Stil hier eine Trendumkehr einleiten, weg von der Vernetzung?
Da sind wir schon mittendrin. Eines der größten Bedenken unserer Industriekunden ist, dass sie ihre Daten nicht in einer public cloud ablegen wollen. Da haben wir gemeinsam mit HP und Microsoft als erster Industriehersteller eine sogenannte edge solution angeboten. Damit der auch große Unternehmen die Chance bietet, eine private Cloud zu haben. So lassen sich Datenspeicherung und Datentechnik im Unternehmen so umsetzen, dass wir auf der einen Seite die Technologie nutzen können und auf der anderen Seite auch die Datensicherheit durch die Topologie und Architektur gewährleistet ist.

Sie haben also keine Angst vor einem großen Datendiebstahl, der die Entwicklung bremsen könnte?
Man muss immer besorgt sein und sich so aufstellen, dass man wachsam ist. Aber mit richtig eingesetzter Technologie und großer Wachsamkeit kann man die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, deutlich verringern.

Machen Sie sich Sorgen über zunehmenden Protektionismus in der Tech-Branche?
Wir vertreten als Konzern die Philosophie “Wir produzieren und entwickeln in den großen Märkten für wichtige Märkte”. Damit sind wir gut aufgestellt, um solchen möglichen Entwicklungen entgegenzutreten.

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Markus Keßler

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