© Marc Mueller, apa

GDC 12

Abzocke mit Social Games

Effizienzsteigerung, Optimierungsstrategien, Datenbankanalyse: Ausgehend von den Schlagworten, die diese Woche in den Vorträgen auf der Game Developers Confernce in San Francisco fallen, könnte man meinen, man habe die falsche Branchen-Veranstaltung erwischt. Die leger gekleideten Besucher und einige Spielkonsolen geben Hinweis, dass man dann doch richtig ist. Der geschäftige Talk rührt von jenem Marktsektor her, von dem sich die angeschlagene Branche am meisten Wachstum erwartet: Den so genannten „Social Games“.

Spätestens seit dem Börsegang von Zynga, verantwortlich für Hits wie FarmVille, CityVille oder MafiaWars, haben auch traditionelle Hersteller von Computer- und Konsolenspielen das Potenzial erkannt. Die Game Developers Conference (GDC), der wichtigste und größte Branchentreff, hat dem Thema einen eigenen Schwerpunkt gewidmet, auf dem sich Designer und Produzenten austauschen. Was überrascht, ist wie offen dabei über Strategien und Methoden referiert wird, wie man den Spielern Geld aus der Tasche ziehen kann.

"Free2Play"
Im Gegensatz zu Spielen für die man im Geschäft einmalig rund 60 Euro zahlt, sind Social Games kostenlos oder wie es im Branchen-Speak heißt „Free2Play“. Umsatz wird mit virtuellen Gütern oder Premium-Funktionen verdient, durch die man Vorteile im Spiel bekommt. Auf der Messe wurden unterschiedlichste Konzepte und Forschungsergebnisse präsentiert, um den Konsum anzuheben.

Emily Greer, Chefin der Plattform Kongregate, rät etwa, Spieler in einen mentalen Zustand zu bringen, in dem sie sich wohl fühlen. So würden sie deutlich mehr Geld ausgeben. Ein weiterer Ratschlag den sie dem interessierten Publikum mit auf den Weg gibt: „Machen Sie nie ein Spiel, in dem die Ausgaben des Spielers limitiert sind. Wenn es Spaß macht, gibt es immer Leute, die unendlich viel Geld ausgeben wollen.“

"Wale"
Auf ihrer Plattform, die sich an ein junges, männliches Publikum richtet, werden bis zu 60 Dollar im Monat von einzelnen Spielern ausgegeben. Wirklich viel Gewinn mache man aber mit jenen Kunden, die extrem viel ausgeben. Mehr als ein Drittel des Umsatzes komme von jenen zwei Prozent Spielern, die mehr als 1000 US-Dollar ausgeben, so Greer. Diese Spieler werden als „Wale“ bezeichnet, ein Begriff den man pikanterweise aus der Pokerwelt entlehnt hat.

Bei Kongregate sind Einnahmen von bis zu 7000 Dollar von einem Wal keine Seltenheit. Im Vergleich zum Branchenprimus Zynga ist der Betrag dennoch ein Klacks. Bei Zynga soll ein Spieler in Mafia Wars über 100.000 Dollar ausgegeben haben – was von der Firma offiziell jedoch nie bestätigt wurde.

"Mittel zum Zweck"
Dass Spieler bei Social Games viel Geld verlieren können, scheint auf der Konferenz niemanden zu stören. Darauf angesprochen reagieren Besucher meist mit Verständnislosigkeit. Kritiker der Praktiken sind die Ausnahme, wie etwa der US-Wissenschaftler Ian Bogost. „Es geht nur ums Geld. Das Spiel ist lediglich Mittel zum Zweck“, so der Forscher zur futurezone. Obwohl er bei Social Games einige Parallelen zum (kleinen) Glückspiel sieht und vor allem pathologische Zocker gefährdet sein, lässt das die Politik kalt. Bestrebungen, reglementierend einzuschreiten gäbe es zumindest in den USA keine. Eine Warnung - wie etwa bei Handy-Roaming - sei aus seiner Sicht unvorstellbar. „Es ist ein Business, das gut läuft“, so Bogost.

"Es ging von Anfang an um Profitmaximierung"
Auch unter den Designer gibt es kaum Kritiker. Richard Rouse, ein Veteran der Spielebranche, sieht in Social Games vor allem eine Methode, viel Geld zu verdienen. Er zieht den Vergleich zu den Spielautomaten der 1980er-Jahre: „Damals wurden die Spiele so entworfen, dass man immer wieder Münzen einwerfen musste. Es ging auch um Umsatz. Die Titel wurde damals jedoch von Game Designern entworfen, es ging um das Spiel. Social Games haben ihren Ursprung im Silicon Valley. Web-Unternehmer haben nach neuen Einnahmequellen gesucht und sind zufällig über Spiele gestolpert. Hier ging es von Anfang an um Profitmaximierung“, sagt der Designer zur futurezone.

Paul Taylor, der mit seinem Spiel Frozen Synpase den Publikumspreis beim Independent Games Festival gewonnen hat, kann den Social Games ebenso wenig abgewinnen. „Wir würden nie Funktionen zurückhalten, um damit später Geld zu verdienen“, so der britische Jungdesigner.

Mit diesen Ansichten sind die beiden Entwickler jedoch alleine. In den Vorträgen wird von den Zuhörern eifrig jeder Tipp notiert, der zu Gewinnsteigerung führt. Der Designer Steve Meretzky rät etwa den Schwierigkeitsgrad geringfügig zu erhöhen, sodass Leute öfter neue Leben kaufen müssen. Er gibt jedoch zu bedenken, dass man die interne Ökonomie nicht zu offensichtlich zu den eigenen Gunsten formt. Es darf nicht zu ersichtlich sein, dass – so wie in Glückspielautomaten – Algorithmen, das Geschehen bestimmen.

"Je höher der soziale Druck, desto besser"
Emily Greer von Kongregate hat in ihrer Analyse etwa herausgefunden, dass Gilden, Ranglisten und bestimmte kompetitive Elemente die Spieler sehr stark an das Spiel binden. Auch Rollenspiel-Elemente, die den Avatar individueller und persönlicher machen, seien ein guter Weg, um Kunden an das Produkt zu binden. „Je höher der soziale Druck, wiederzukommen und sich mit anderen zu messen, desto besser“, sagt Greer. Wer diese Ratschläge beherzigt, komme auf eine „Wal-Rate“ von bis zu 3,5 Prozent und Einnahmen von bis zu 60 Dollar/Monat pro Spieler. Zudem werden rund 70 Prozent der regulären Spieler so abhängig vom Spiel.

Männliche Teenager zahlen am meisten
Die Zahlen von Kongregate decken sich mit einer auf der GDC vorgestellten Studie von PlaySpan, einer Unterfirma von Visa. Diese hat herausgefunden, dass männliche Teenager das meiste Geld für virtuelle Güter ausgeben. 35 Prozent der Befragten gaben an zumindest einmal in 2011 ein virtuelles Gut gekauft und dafür durchschnittlich 64 US-Dollar ausgegeben zu haben. Männliche 13- bis 17-Jährige kommen hingegen auf einen Durchschnittsbetrag von 100 US-Dollar. Diese Ergebnisse erklären, warum sich viele Social-Games-Firmen nun verstärkt dieser Zielgruppe widmen. Laut Designer Steve Meretzky sind Venture Capitalists aktuell besonders an Studios interessiert, die dieses Marktsegment bedienen, da die Einnahmen höher seien. Sie sollen den Handel mit virtuellen Gütern, der sich laut PlaySpan 2011 auf 2,3 Milliarden US-Dollar belief, weiter ankurbeln.

Spricht man deutsche Firmen auf die Praktiken an, wird relativiert. Laut Bigpoint, mit rund 250 Millionen Spielern im Monat und 70 Titeln im Angebot ein wichtiger, internationaler Player, und Wooga, mit 50 Millionen Spielern unter den Top-Drei-Facebook-Anbietern, zahle nur ein geringer Prozentsatz. Lediglich ein bis drei Prozent der Nutzer investieren Geld. Philip Reisberger, einer der Top-Manager bei Bigpoint, sieht im Free2Play-Modell nur Vorteile. „Wir erreichen jeden damit. Jene, denen 60 Euro für ein Konsolenspiel zu viel sind ebenso, wie jene, die nicht mehr als fünf Euro für ein kleines Download-Game ausgeben wollen“, sagt der Manager. So wie Zynga argumentieren die Firmen, dass man Spiele so einem breiteren Publikum zugänglich macht und mehr Leuten Spaß bereitet.

"Jeder Spieler entscheidet selbst"
Auf die Gefahren angesprochen, argumentieren die Hersteller, dass man niemanden einschränken will. Wer nichts ausgeben will, kann ebenso spielen wie jener, der Geld investiert. „Im Leben gibt es Leute die einen VW kaufen, andere leisten sich einen Porsche. Andere wiederum gehen zu Fuß. Jeder Spieler entscheidet selbst“, sagt Reisberger. Die Verantwortung wird damit auf den Konsumenten abgewälzt, jeder Spieler ist für seine Taten verantwortlich.

Ein weiteres Argument lautet, dass man kein Produkt, sondern ein Service anbietet. Ein Social Game werde stetig weiterentwickelt und verbessert. Vordergründig passiert dies, um den Spielspaß zu erhöhen. Im Endeffekt geht es aber darum, den Spieler lange bei der Stange zu halten und die Ökonomie zu Gunsten der Spieleanbieter zu gestalten. Zynga führt beispielsweise penible Studien durch, wie man den Erstkontakt mit einem Spiel so lange wie möglich andauern lassen kann.

Bob Bates, Creative Director bei Zynga, schildert im Gespräch mit der futurezone sein Erlebnis mit Zyngas Hit MafiaWars. Bevor er den Job bei Zynga antrat, hat er sich durch intensives Spielen in die neue Materie eingearbeitet. Jedes Mal, wenn er eine Lücke entdeckte, die er zu dem Vorteil seiner Spielfigur nutzen konnte, dauert es nicht lange, bis sie geschlossen war.

"Für Jeden etwas"
Bates gibt zu, dass Zynga eine von Daten und Metrik getriebene Firma ist. Er verneint jedoch, dass die Spiele vorrangig darauf ausgelegt sind, Kunden abzuzocken. Man bediene nur jene verschiedenen psychologischen Spielertypen, die vom Wissenschaftler Richard Bartle vor mehr als 20 Jahren kategorisiert wurden. Man biete ihnen kostenlose aber auch kostenpflichtige Inhalte an. Sie können dann entscheiden, was sie machen wollen. „Man muss dem Verlangen ja nicht nachgeben. Man kann auch hunderte Stunden spielen, ohne etwa auszugeben“, sagt Bates.

Die Spieler selbst dürften dies jedoch nicht so empfinden. Laut der PlaySpan-Studie kaufen Spieler Güter, damit sie im Spiel mehr machen können, sich das Spielerlebnis deutlich verbessert und man weiter kommt.

Handy-Spiele boomen
Der Trend zu kostenlosen Spielen mit integrierten Bezahl-Funktionen wird sich in den kommenden Jahren jedenfalls weiter ausbreiten. Einen großen Beitrag soll dabei das Smartphone, das laut dem Marktforschungsinstitut NDP bereits 38 Prozent des gesamten Spielemarkts besetzt, leisten. „Mobile ist die nächste Herausforderung, darauf legen wir aktuell unseren Fokus“, sagt Sean Kelly, zuständig für die mobile Strategie von Zynga, gegenüber der futurezone. Das Smartphone werde immer mehr zum ersten Einstiegspunkt ins Web. Zudem sei es immer dabei. Laut Kelly werde Zynga auch im Mobilsektor immer auf Free2Play setzen.

Auf der GDC sind sich alle Experten einig, dass die Zukunft in diesem Bereich liegt. Der Einstieg sei einfach, die Hemmschwelle mitzumachen sehr gering. Schon jetzt setzen 17 von 20 von App-Spielen im US-iTunes-Store auf das Freemium-Modell. 72 Prozent des Umsatzes kommen von kostenlosen Spielen, die In-Game-Kauf anbieten. Der Reiz liegt für Peter Relan, CEO des Studios Crowdstar, vor allem in zwei Fakten: „Smartphones bedienen weltweit insgesamt einen größerer Markt als Facebook. Das iPhone gibt es auch in China, Facebook nicht“, so der Manager. Anreiz Nummer Zwei: „Bei Facebook sind 30 Millionen Kreditkarten hinterlegt, bei Apple 130 Millionen.“ Es sei nur logisch, diesen Markt zu bedienen, da Leute mit dem Bezahlvorgang bereits vertraut seien und deutlich mehr gewillt sind, Objekte zu kaufen.

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Benjamin Sterbenz

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