"Apple kann sowieso nichts richtig machen"
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Kaum etwas spiegelt das absurde Wirtschaftsdenken der New Yorker Wall Street besser wider als der bizarre Umgang mit Apple. Mit 76,8 Millionen verkauften iPhones und 18,4 Milliarden Dollar Gewinn für das Weihnachtsquartal 2015 toppte Apple nicht nur die Rekordzahlen des Vorjahres, sondern legte zum zweiten Mal in Folge eines der besten Ergebnisse eines Unternehmens in der gesamten Wirtschaftsgeschichte vor. Aufgrund der stagnierenden iPhone-Verkäufe und dem ersten prognostizierten Umsatzumbruch seit zehn Jahren reagierte die Börse am Mittwoch mit einem kräftigen Minus von teilweise über fünf Prozent.
Kein Liebkind der Börse
Das Phänomen ist altbekannt. Apple erzielt Rekordquartal um Rekordquartal, kann diesen Erfolg aber auch bei optimistischerem Ausblick als im aktuellen Quartal nicht für sich an der Börse nutzen. Enttäuschung und Kursrutsche dominieren meist. „Apple besitzt eine lange Tradition, an der Börse weit unter seinem Wert geschlagen zu werden. Das ist insofern absurd, da der Konzern über die loyalsten Kunden der Branche verfügt und in Bereichen wie dem Service-Geschäft sowie dem PC-Markt mit Wachstumsraten und Gewinnen punktet, von denen Konkurrenten wie Google und Microsoft nur träumen können“, sagt Apple-Analyst Horace Dediu von Asymco im Gespräch mit der futurezone.
„Was den Pessimismus der Börse betrifft, hat man das Gefühl, dass Apple sowieso nichts richtig machen kann, egal der Produktmix oder die Preisstrategie verändert wird. Sie werden dafür kritisiert, dass sie zu erfolgreich sind, oder dafür, dass andere Geschäftszweige im Vergleich zum iPhone zu wenig Ertrag bringen“, erklärt Dediu. Würde man die an der Wall Street völlig unterbelichteten Geschäftsbereiche wie Macs, Services, App Stores jedoch herausgelöst für sich bewerten, müsste der Wert von Apple an der Börse um ein Vielfaches höher sein.
„Die ständige negative Interpretation der Apple-Ergebnisse zeigt die ganze Scheinheiligkeit der Wall Street auf, die kreative Unternehmen abstraft und Monopolisten wie Google, Facebook und Microsoft belohnt“, ist Dediu überzeugt. Er spielt dabei auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (im Englischen: Price-Earnings- oder P/E-Ratio) von Apple an, das im Vergleich Unternehmen wie Google, Amazon oder auch Facebook bemerkenswert niedrig ist. „Rechnet man dann noch das vorhandene Cash-Volumen heraus, wird der P/E-Wert so niedrig, dass das Apple-Geschäft mit den iPhones eigentlich in fünf Jahren tot sein müsste – eine verrückte Annahme bei einer Milliarde aktivierter Geräte“, sagt Dediu.
Steiles Wachstum vorbei
Dass Apple in absehbarer Zeit derart große Wachstumsraten wie im Vorjahr erzielen kann, glaubt allerdings auch der als Querdenker geltende Apple-Analyst nicht. Apple werde sich – nicht zuletzt mit dem für Herbst erwarteten iPhone 7 – zu moderatem Wachstum zurückbewegen. Grund zur Hoffnung bietet neben dem weiterhin soliden Wachstumsmarkt China – der Umsatz stieg dort um 14 Prozent auf 18,4 Milliarden Dollar – erstmals auch Indien. Dort konnte Apple seine iPhone-Verkäufe nicht nur um über 70 Prozent erhöhen, sondern dürfte von der Regierung in Kürze eine Sondergenehmigung erhalten, um Apple Stores zu eröffnen. Der Verkauf von Apple-Geräten war bisher lokal betriebenen Geschäften und Kaufhäusern vorbehalten.
Punkten könnte Apple dort auch mit dem geplanten günstigeren iPhone, das in Kürze vorgestellt werden soll. Dediu zufolge war die hochpreisige Strategie von Apple dort bisher allerdings nicht das Problem. „In Indien leben über 1,2 Milliarden Menschen. Die ständig wachsende Mittelschicht kann sich ein iPhone mittlerweile längst leisten. In den vergangenen Jahren ging es eher um den Ausbau der Mobilfunknetze und Vertriebsprobleme. Indien ist jetzt da, wo China vor etwa fünf Jahren war. Zehn Prozent Marktanteil in den kommenden Jahren halte ich jedenfalls für realistisch“, sagt Dediu.
Schwierige Wirtschaftslage
Abzuwarten bleibt neben dem iPhone 7 Launch auch, inwiefern sich die vielerorts instabile Wirtschaftslage auf die weitere Geschäftsentwicklung auswirken wird. Apple-Chef Tim Cook fand nach der Präsentation der Zahlen am Dienstagabend überraschend deutliche Worte: „Wir haben es mit den extremsten Rahmenbedingungen zu tun, die der Konzern jemals erlebt hat“, meinte Cook in Hinblick auf Währungsabwertungen in Ländern wie Russland, Brasilien, aber auch Europa, die auf das Ergebnis drückten. Auch die schwächelnde Konjunktur im Hoffnungsmarkt China macht dem Konzern zu schaffen.
Während Apple die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 praktisch unbeschadet überstand, dürfte das 2016 weniger gut klappen. Das liegt zum einen daran, dass der Smartphone-Markt vielerorts bereits gesättigt ist und Apple an den Rekordergebnissen der vergangenen Jahre gemessen wird.
Dass der Wirtschaftsmotor im mittlerweile zweitwichtigsten Absatzmarkt China zu stottern beginnt, zeigen auch die verfehlten Verkaufsziele von aufstrebenden chinesischen Smartphone-Konkurrenten wie Xiaomi. Der mit günstigen, aber hochwertigen Geräten punktende Hersteller musste vor wenigen Tagen seine Verkaufszahlen von 80 auf 70 Millionen Geräte korrigieren, der Umsatz blieb im Service-Bereich gar um 50 Prozent hinter den Erwartungen. Die Zahlen von Samsung stehen noch aus.
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