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Interview

AT&S: Autos sind fahrende Smartphones

futurezone: Acht der Top-10-Smartphone-Hersteller sind AT&S-Kunden. Welche sind es bzw. welche zwei sind es nicht?
Andreas Gerstenmayer: Das dürfen wir nicht sagen, aber bei Nokia weiß man, dass sie keine Kunden von uns sind, bei Samsung ist es auch bekannt.

Warum ist das ein so großes Geheimnis?
Weil wir Geheimhaltungsverträge unterschrieben haben und keine Geschäftsgeheimnisse verraten dürfen. Wir wurden erst vor wenigen Wochen von einem Kunden explizit darauf hingewiesen. Jemand der sich nicht daran hält, kann davon ausgehen, dass er nicht mehr lange ein Partner ist.

Warum ist Samsung kein Kunde?
Samsung macht sehr viel selber. Aber es ist durchaus eines unserer Ziele, einmal auch für Samsung tätig zu sein. Bis jetzt hat es nicht gepasst, weil sie ihre eigene Leiterplatten-Produktion stark gepusht haben und erst jetzt nach Außen gehen.

Es gibt 2000 Hersteller von Leiterplatten. In Europa sind sie Nummer 1, wie schaut das weltweite Ranking aus?
Da belegen wir etwa den 20. Rang.

Und das Ziel für die kommenden Jahre?
In die Liga der Milliarden-Firmen zu kommen, das dürften dann die Top 10 sein.

Können Hersteller wie Apple, Nokia oder Sony einem Leiterplatten-Hersteller vertrauen, der einen der letzten Plätze innehat?
Das tun sie auch nicht. Man muss sich überlegen, wo überall Leiterplatten eingesetzt werden. Das beginnt beim Schlüsselanhänger und endet bei Haushaltsgeräten. Im Highend-Bereich, also bei Smartphones, Tablets etc, reden wir von zehn, vielleicht 15 Firmen, die Volumen im HDI-Bereich (High Densitiy Interconnect) liefern können.

Apple hat vor zwei Wochen bekannt gegeben, dass in Apple-Produkten auch AT&S-Teile integriert.
Wir dürfen wirklich keine Details nennen, aber sehen Sie auf iFixit.com nach, da werden Geräte zerlegt und die Hersteller der Einzelteile bekannt gegeben.

Sie gehören zur Runde der österreichischen Vorzeige-Unternehmen, neben Kapsch, Andritz, Austria Micro Systems. Ist nicht auch der Automobilbereich einer, der in Zukunft ziemlich spannend wird? Autos sind ja auch so etwas wie fahrende Smartphones.
Es gibt ja den Begriff der „total connectivity“ im Automotiv-Bereich, dort nimmt die Durchdringung der Kommunikationslösungen massiv zu. Wir kennen Entertainment- und Assistenzsysteme, der nächste Schritt ist der, dass Autos miteinander kommunizieren und sich gegenseitig informieren. Das versteht man unter „total connectivity“. Vom Auto ins Internet zu gehen gehört in den Oberklasse-Autos schon fast zum Standard. 20 Prozent unseres Umsatzes machen wir bereits im Automotive-Bereich.

Ihre Geschäftsfelder sind Mobility, Automotive und Luftfahrt. Wie teilt sich da Ihr Geschäft auf?
Mobile Communication sind etwa 60 bis 65 Prozent, zwischen 15 und 20 ist es der Automobil-Bereich, der dritte Part ist der industrielle, und der gliedert sich auf in Luftfahrt, Medizintechnik und industrielle Anwendungen. Der Automobil-Sektor hat uns in den vergangenen Quartalen ein kontinuierliches Wachstum beschert. Weil die Durchdringung von elektronischen Komponenten im Auto immer wichtiger und stärker und der Anspruch höher wird.

Was ist der Anspruch an elektronische Komponenten im Auto?
Der ganze Kommunikationsbereich, ob das jetzt Fahrerassistenz-, Sicherheitssysteme sind oder die Sensorik.

Wie viele verschiedene Systeme gibt es in einem Auto?
In einem Mittelklasse- bzw. Oberklassefahrzeug stecken bis zu 200 Leiterplatten. Wobei da sehr einfache Teile dabei sind, vom Fensterheber bis zum Sitzversteller, aber die wirklich interessanten Dinge sind Motorsteuerung, Fahrerassistenzsysteme, Abstandsradar, Navigation etc.

Kann man die Erfahrungen aus dem Smartphone-Bereich 1:1 auf den Automotiv-Bereich umlegen?
Aus der technologischen Sicht her, was die Leiterplatten anlangt, sind wir heute im Automotiv-Bereich dort, wo man vor zehn Jahren im Handy-Markt war.

Die Technik im Auto ist heute zehn Jahre alt?
Was die Leiterplattentechnologie betrifft, ja. Man muss aber wissen, was die Technologie in den Leiterplatten treibt. Das sind zum einen die Bauelemente, also die Chipsets und zum anderen ist das die Miniaturisierung. Im Auto hat man mehr Platz und muss nicht die kleinsten Chipsets einbauen. Punkto Leistungsfähigkeit reichen die Standard-Leiterplatten aus. Prozessoren in einem Smartphone müssen kleiner sein.

In Ihrer Branche muss man wissen, was 2015/2020 passiert? Wie viele Trendforscher haben Sie im Unternehmen beschäftigt?
Wir arbeiten mit Marktforschungsunternehmen zusammen und unterhalten uns mit den Kunden über deren Technologie-Planung. Dann versucht man zumindest fünf Jahre nach vor zu schauen. Es ist durchaus eine Herausforderung. Wir sind zwar nicht die Produktentwickler, aber wir müssen die Produktionsprozesse vorbereiten.

Mit welchen Trends rechnen Sie?
Im Mobilkommunikationsbereich rechnen wir weiter mit Miniaturisierung – nicht, weil die Geräte kleiner werden, sondern weil die Funktionalitäten zunehmen werden. Den gleichen Raum müssen wir effizienter nützen, um mehr Funktionalität unterbringen zu können, dazu kommen höhere Übertragungsgeschwindigkeiten bei geringerem Verbrauch. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns schon heute stellen müssen. Wir forschen an neuen Materialien und Produktionsverfahren.

Wie sieht die Leiterplatte der Zukunft aus?
Wir haben die „Embedded Component Packaging"-Technologie erfunden und patentiert. Das ist der nächste bahnbrechende Wurf. Wir schaffen da nicht nur eine effiziente Miniaturisierung bei gleichzeitigerLeistungserhöhung, sondern verringern den Einsatz von Kupfer und anderen Materialien signifikant. Damit werden noch leistungsstärkere Applikationen möglich, gleichzeitig werden weniger Rohstoffe benötigt.

Die Miniaturisierung kommt vor allem Smartphones zu Gute. Was soll ein Smartphone künftig können, was es nicht schon kann?
Das haben wir uns vor einigen Jahren auch gedacht und heute kann es viel. Als nächstes kommen die vielen Bezahlsysteme, da bin ich mir zu hundert Prozent sicher. NFC, das kommt. Das NFC-Handy legt man zur Kasse und man bezahlt. Über Apps wird sich der Kunde aussuchen können, welche Funktionen er nutzen will.

Sie bauen in China ja ein großes zweites Werk auf.
Ja, in Chongqing, das ist eine Provinz mit Stadtstatus, die 35
Millionen Einwohner hat. Das Werk, es wird drei Mal so groß wie unser Stammwerk in Hinterberg/Leoben, wird Ende 2013 eröffnet. In der Ausbauphase 1 werden wir 200 Millionen Euro investieren, über mehrere Jahre kann sich das Investitionsvolumen auf etwa 600 Millionen Euro aufsummieren.

Inwieweit wird man von der Regierung unterstützt, denn immerhin schafft man tausende Arbeitsplätze?
Es gibt klare Regeln, es gibt in China den Status „New Hightech Enterprise“, das sind Firmen, die einen gewissen Aufwand in Forschung und Entwicklung betreiben. Und dann gibt es steuerliche Unterstützung, das ist eine Forschungsförderung wie bei uns.

China hat das Image, dass Vieles kopiert wird. Haben Sie keine Angst vor Ideenklau? Technologie-Diebstahl? Kann man sich schützen?
Bei uns geht es sehr um vernetzte Prozesse. Wir haben 35 Experten unten, die den großen Überblick kennen. Die lokalen Mitarbeiter kennen nur einen Teil der Projekte, nicht alles. Das Equipment kann man am freien Markt kaufen, im wesentlichen ist es das Know-How der Mitarbeiter.

Warum gehen so viele Unternehmen nach China?
Weil es hip ist. Etwa 90 Prozent unserer Mitbewerber produzieren in
China, für uns war es daher existenziell wichtig den Schritt nach China zu machen, denn ohne die asiatischen Standorte gäbe es die
österreichischen Werke heute nicht mehr. Der Schritt Richtung Westen folgt der chinesischen Industrialisierungsstrategie und sichert AT&S den Zugang zu ausreichend qualifizierten Mitarbeitern. Tatsache ist, dass wir aufgrund unserer Hightech-Orientierung und unserer hohen Umweltschutz-Standards ein gern gesehener Investor sind.

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