© REUTERS/Rick Wilking

Mobile

Chips werden zum digitalen sechsten Sinn

„Erstmals in der Geschichte der CES eröffnet ein Unternehmen die CES, das ganz auf den mobilen Sektor ausgerichtet ist", sagte Paul Jacobs gleich zu Beginn seiner Auftaktrede in Las Vegas voller Stolz. Der Chef von Qualcomm, der Nummer Eins bei Chips und Prozessoren für Smartphones, tritt heuer in die Fußstapfen von Microsofts Bill Gates sowie Steve Ballmer, die in der vergangenen Dekade traditionell die weltweit wichtigste Messe für Unterhaltungselektronik mit Ansprachen eröffnet haben.

Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass die für die breite Masse unbekannte US-Firma Qualcomm die Keynote halten wird, kamen sofort Unkenrufe. Blickt man auf die Verkaufszahlen und Wachstumstreiber der Branche, macht das Debüt jedoch Sinn.

Nummer Eins im Boom-Markt
Während Segmente wie Flat-TVs stagnieren oder rückläufig sind, können Smartphones und Tablets die Konsumenten weiterhin begeistern. Laut GfK und der Consumer Electronics Assossiation wird dies auch die nächsten Jahre so bleiben. Zum einem ähnlichen Schluss kommt auch eine neue Studie von Deloitte, die für 2013 eine Milliarde verkaufter Smartphones voraussagt. Durch immer günstigere Modelle werden die Geräte zudem auch Entwicklungsländer im Sturm erobern.

Big Player
Jene Firma, die im Zentrum dieses Wachstumsmarktes steht, heißt jedoch weder Microsoft, Intel oder Apple, sondern Qualcomm. Laut dessen Chef finden sich Prozessoren der Firma aktuell in 500 unterschiedlichen Geräten, seit der Firmengründung 1985 wurde bis dato elf Milliarden Chips verbaut. Täglich kommen eine Million Smartphones dazu, das sei doppelt so viele wie täglich Babys geboren werden. Die Firma hält bei Handy-Prozessoren einen Marktanteil von rund 42 Prozent, das neueste Google-Handy setzt ebenso auf den „Snapdragon"-Prozessor wie alle Windows-Phone-8-Modelle.

Die mobile Generation
„Wir sind die GenM, die Generation Mobile", sagte Jacobs zur Eröffnung der CES. Seine Firma, die seit Anbeginn im Mobilfunk-Sektor tätig war, sei mobil geboren und verstehe daher wie kaum jemand anderer diesen Bereich. So scherzte Jacobs nach einem Überraschungsauftritt von Steve Ballmer, der die Vorzüge von Windows-8-Tablets und Handys bewarb: „Es ist schon schräg, dass gerade Microsoft sich nun so mobil gibt."

Für den promovierten Physiker und Sohn des Firmengründers ist klar, dass Smartphones mittelfristig den PC überholen und für viele Menschen das erste und einzige Eingangstor in die vernetzte Welt sein werden. „Mobile ist die größte Technik-Plattform der Menschheitsgeschichte", sagte Jacobs.

Neue Prozessoren
Damit Qualcomm hierbei weiterhin eine wichtige Rolle spielt, werde laut Jacobs permanent an der Leistung geschraubt. Für diesen Sommer kündigte der CEO zwei neue Snapdragon-Prozessorreihen (600 & 800) an. Die Leistungsstärke davon habe durchaus das Potenzial in Computern eingesetzt zu werden, betonte Jacobs während seiner Keynote. Der Quadcore-Chip mit bis zu 2,3 GHz könne Spielegrafik in Konsolenqualität darstellen, auch das Abspielen und Aufnehmen von Inhalten in Ultra High Definition TV sei kein Problem. Trotz der deutlichen Leistungssteigerung von 75 Prozent gegenüber dem Vorgänger konnte der Stromverbrauch weiter reduziert werden.

In Konkurrenz mit Intel
Jacobs spielte damit klar auf den weltweit führenden Computer-Chiphersteller Intel an, der im mobilen Sektor bis vor kurzem nicht Fuß fassen konnte. Nur wenige Stunden zuvor hielt Intel auf der CES seine Pressekonferenz und unterstrich dort abermals seine Ambitionen, im Smartphone und Tablet-Sektor punkten zu wollen. Für Herbst 2013 wurde eine neue Prozessor-Reihe angekündigt, die Qualcomm und Konsorten erstmals übertrumpfen soll. Auch der aus dem PC-Sektor bekannte Hersteller AMD stellte auf der Messe einen Chip (Temash) vor, der in Sachen Leistung die mobilen Platzhirsche überbieten soll.

Nvidia kontert
Dass diese das nicht zulassen werden, ist klar. So stellte Nvidia, einer von Qualcomms Hauptkonkurrenten, am Sonntag seine neueste Generation Tegra 4 vor, die laut eigenen Angaben der schnellste Mobilprozessor der Welt sein soll. Samsung, LG und chinesische Konzerne wie Huawei und Mediathek wollen 2013 ebenfalls mit eigens entwickelten Chips punkten. Apple hat in den vergangenen Jahren ebenfalls verstärkt Ambitionen gezeigt, selbst Chips zu entwerfen. Was für Qualcomm spricht: Der auf Forschung und Entwicklung spezialisierte Konzern deckt alle Elektronik-Bereiche selber ab und liefert Lösungen aus einer Hand: GPS, LTE, WLAN, Prozessor, Grafik, Sensoren, in jedem Bereich hat Qualcomm eine eigene Lösung parat.

Digitaler Sechster Sinn
Laut Jacobs werde die Firma zudem von kommenden Trends wie dem „Internet der Dinge" profitieren. „Die Technik wird immer mehr zum digitalen sechsten Sinn des Menschen", sagte Jacobs. Diese Sensorisierung des Alltags (Haushalt, Auto, Medizin, etc.) komme der Firma nur zu Gute, da man auch hier seit langem Lösungen anbietet und über viel Expertise verfügt. Um die Datenmengen, die dadurch entstehen, verarbeiten zu können, sagt Jacobs kleine Handymasten in jeder Wohnung und in jedem Bücherregal voraus. Sie sollen das bestehende Netz der Betreiber verstärken und Überlastung verhindern.

Im Automobil-Bereich wiederum hat Qualcomm erst kürzlich für Audi und BMW LTE im Auto umgesetzt, auch bei Elektroautos und Ladestationen mischt man erfolgreich mit. Im Medizinsektor hat die Firma den Tricorder X Prize ausgeschrieben, der 10 Millionen Dollar demjenigen bringt, der ein medizinisches Analysegerät im Star-Trek-Stil entwickelt.

Mehr zum Thema

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Benjamin Sterbenz

mehr lesen
Benjamin Sterbenz

Kommentare