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Open Data

DataMarket: "App Store für Zahlen"

"Daten haben für Jeden großen Wert. Sie versetzen jedes Unternehmen und jeden Haushalt in die Lage, bessere Entscheidungen zu treffen und ihre Zukunft besser zu planen zu können", sagt Hjalmar Gislason. Vor vier Jahren gründete er in der isländischen Hauptstadt Rejkavik das Start-up DataMarket. Das junge Unternehmen betreibt einen Marktplatz für Daten, der sich seit etwas mehr als einem Jahr auch an ein internationales Publikum wendet.

DataMarket unterstützt Unternehmen beim Aufbereiten, Publizieren und beim Verkauf ihrer Daten und unterstützt Nutzer beim Erforschen von Datensätzen. Dazu werden Visualisierungstools bereitgestellt, mit denen Daten mittels interaktiver Grafiken verglichen und miteinander kombiniert werden können.

Tausende Datensätze
Derzeit bietet DataMarket rund 23.000 freie und kostenpflichtige Datensätze an, die visualisiert, analysiert und heruntergeladen werden können. Sie stammen unter anderem von der Weltbank, Eurostat, der UNO, der schwedischen Gapminder Stiftung, WikiLeaks, dem Weltfußballverband FIFA sowie zahlreichen weiteren Anbietern, darunter Marktforschungsinstitute und Finanzdatenanbieter.

Geschäftsmodelle mit offenen Daten
DataMarket gilt auch als Musterbeispiel dafür, wie Regierungs- und Verwaltungsdaten, die zunehmend auch in Europa zur allgemeinen Weiterverwendung freigegeben werden, in Geschäftsmodelle von Unternehmen einfließen können. Die futurezone hat den isländischen Unternehmensgründer über das wirtschaftliche Potenzial offener Daten befragt.

futurezone: Behörden und Verwaltungen stellen zunehmend nicht personenbezogene Daten zur freien Weiterverwendung zur Verfügung. Welche Auswirkungen hat das auf Datenmarktplätze wie DataMarket?
Gislason: Offene Daten haben für uns von Beginn an eine Schlüsselrolle gespielt. Das wird auch so bleiben. Es ist unsere Philosophie, dass Daten die offen und frei zugänglich sind, auf Datamarket auch kostenlos genutzt werden können. Sie sind nur leichter zu finden und können einfacher verwendet werden. Als wir im Jänner 2011 Datamarket international gestartet sind, wussten wir, dass wir von Beginn an ein überzeugendes Angebot an Daten haben müssen, um unsere Nutzer zu überzeugen. Wir haben die wichtigsten Quellen für Statistiken und quantitative Daten ausgemacht, die unter freien Lizenzen verfügbar waren, um unseren Datenbanken damit anzufüllen. Unter den Quellen waren etwa Daten der UNO, der Weltbank und die Statistiken von Eurostat.

Wie verdienen Sie mit offenen Daten Geld?
Wir werten diese Daten auf. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, dass wir Back-End-Dienste, wie etwa den Zugang zu APIs (Application Programming Interfaces, Programmierschnittstellen) verkaufen. Über das Angebot frei verfügbarer Daten entdecken unsere Nutzer auch die über unseren Marktplatz kostenpflichtig angebotenen Datensätze. Auch die Anbieter kostenpflichtiger Daten bemerken sehr schnell, wie sehr sie von diesem System profitieren können.

Wie beurteilen Sie die Qualität der Daten die von Institutionen der öffentlichen Hand freigegeben werden. Können Sie damit arbeiten?
Ich habe große Achtung vor allen Institutionen, die ihre Daten - egal in welchem Format - öffentlich zugänglich gemacht haben. Viele Institutionen wollen aber, dass sowohl ihre Daten als auch die Systeme, mit denen sie veröffentlicht werden, perfekt sind. Das braucht länger, kostet sehr viel und führt häufig auch dazu, dass die Daten überhaupt nicht veröffentlicht werden. Es ist viel wichtiger vorhandene Daten einfach freizugeben. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich allerdings. In manchen Fällen fehlen Erklärungen, Metadaten und andere Informationen. Es kommt aber auf den Kontext an.

Wie können Unternehmen offene Daten nutzen?
Dafür gibt es viele Beispiele. Es gibt auch ein großes Potenzial. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Unternehmen sich gar nicht bewusst sind, wieviele Daten, die frei verfügbar sind, für ihre Geschäft relevant sind. Der wirkliche Wert entsteht dann, wenn Daten, die davor in getrennten Silos aufbewahrt wurden, aufeinander treffen und dadurch etwas entsteht, das größer ist als die Summe der einzelnen Teile. Beispiele dafür reichen etwa vom einfachen Vergleich der Anzahl der Kunden eines Unternehmens, also unternehmensinterne Daten, mit der Bevölkerung oder der Anzahl der Haushalte in einer bestimmten Region, also öffentliche Daten. Ein anderes Beispiel wäre etwa ein Gastronomieunternehmen, dass Daten der Straßenverwaltung über das Verkehrsaufkommen als Entscheidungshilfe dafür heranzieht, an welchen Orten es neue Restaurants eröffnet.

An welchen Daten sind DataMarket-Nutzer besonders interessiert?
Unser Geschäft ist es, Entscheidungsträger mit Daten zu versorgen. Wir bemühen uns sehr Daten möglichst nutzerfreundlich und leicht verständlich aufzubereiten. Auf Datamarket können Nuzter nach Daten suchen, sie visualisieren und mit anderen - frei zugänglichen oder kostenpflichtigen - Daten vergleichen. Bei uns finden sie Daten aus vielen verschiedenen Quellen. Wir wollen mit unserem Angebot auch die Dynamik von Entscheidungen verändern, die auf der Auswertung von Daten basieren. Viele Unternehmen schieben Entscheidungen auf. Bei uns können sie relevante Daten sofort finden.

Empfehlen Sie eigentlich auch Unternehmen, ihre Daten anderen zur Verfügung zu stellen?
Das hängt vom jeweiligen Fall ab. Die erste Reaktion von Unterenehmen wird immer die sein, dass es wenig Sinn macht, die eigenen Daten anderen zur Verfügung zu stellen. Es kann aber gute Gründe geben, genau das zu tun. Ein Beispiel dafür sind etwa Fluglinien, die Buchungs- und Preisinformationen verfügbar machen. Noch vor fünf Jahren haben sich viele Fluglinien mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Heute sind viele Fluglinien darauf stolz, dass sie anderen maschinenlesbaren Zugriff auf ihre Daten geben. So können etwa Reisesuchmaschinen die Daten Nutzen - das wiederum hilft den Fluglinien dabei ihre Tickets zu verkaufen. Es gibt aber auch andere gute Gründe. Transparenz bei unternehmensinternen Daten, wie etwa Wartezeiten beim Kunden-Support oder finanziellen Kennzahlen, können auch dabei helfen, das Vertrauen in das Unternehmen zu stärken.

Bei Vorträgen haben Sie davon gesprochen, dass DataMarket ein "Google für Statistik" werden will.
Wir wollen mit Daten bei der Entscheidungsfindung helfen. Eine einfache Suchabfrage soll genügen, um an die dazu notwendigen Daten in strukturierter Form zu gelangen. Das ist das Ziel, das wir in den nächsten vier Jahren erreichen wollen.  Die Beschreibung "Google für Statististik" trifft aber nicht ganz zu. Eigentlich sind wir ein "App Store für Zahlen", da wir auch viele Statistiken - etwa von Marktforschern oder von Finanzmärkten - anbieten, die nicht immer kostenfrei sind.

Die EU-Kommission hat im vergangenen Dezember angekündigt die Richtlinie für Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors zu überarbeiten und hat

weitreichende Pläne
für die Freigabe von Daten in der EU. Welche Erwartungen haben Sie daran?
Alle Daten, die von den Steuerzahlern finanziert werden, sollten offen und frei zugänglich sein. Es sei denn, es gibt gute Gründe sie unter Verschluss zu halten, wie etwa den Schutz der Privatsphäre oder die nationale Sicherheit. Ich hoffe und gehe davon aus, dass diese Regel innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre in der EU gelten wird. Offener Zugang zu Daten fördert Innovation, erhöht das Vertrauen in die Verwaltung und ist - höflich ausgedrückt - auch den Steuerzahlern gegenüber fair. Denn sie können dann auf Daten zugreifen, für die sie ohnehin schon bezahlt haben.

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Open Data Business
Geschäftsmodelle mit offenen Daten wurden vor kurzem beim Open Data Business Day in Wien

behandelt
. Auch bei der Open Government Data Konferenz 2012, die am 26. Juni im Linzer Wissensturm stattfindet, wird Open Data Business eines der Schwerpunktthemen sein.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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