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Verwaltung 2027

Der Finanzbeamte als Hologramm

futurezone: Vor 15 Jahren war das BRZ ein Rechenamt, was will das BRZ in 15 Jahren, also 2027 sein?
Roland Jabkowski: Eine professionelle, zuverlässige und innovative IT-Factory.  In der Automobilindustrie hat die Wandlung von der handwerklichen Fertigung bis zum modularen Querbaukasten mehr als hundert Jahre gedauert. Und der modulare Querbaukasten ist die Grundstruktur von 40 Fahrzeugmodellen, von Skoda bis Audi, wo bei der Karosserie, bei Motoren, bei der Elektrik standardisierte Komponenten genutzt werden. Die Effekte waren dramatisch: Gesunkene Entwicklungszeiten, gesunkene Stückkosten, eine wesentlich höhere Qualität – heute fahren wir 200.000 Kilometer und sind verärgert, wenn irgendwo ein Lämpchen aufleuchtet.

Was kann man daraus für die Informationstechnologie ableiten?
Roland Jabkowski: Die bewährten IT-Konzepte der Standardisierung, der Automatisierung, der Konsolidierung, der Spezialisierung. Das alles wird das Bild der IT in den kommenden Jahren signifikant verändern.  Im Jahr 2027 wird sich die Verwaltung trotz sehr gestresster Budgets die IT-Anwendungen leisten können, die ihr Geschäft, ihre Dienstleistungen optimal unterstützen.

Wie werden sich die Preise entwickeln?
Roland Jabkowski: Wir haben in den vergangenen vier Jahren die durchschnittlichen Preise jedes Jahr um zwei bis sechs Prozent gesenkt, wodurch sich unsere Kunden mehr als 130 Millionen Euro an IT-Kosten eingespart haben. Bei der Infrastruktur haben wir jedes Jahr zweistellige Produktivitätszuwächse von elf bis 17 Prozent, bei der Systementwicklung ist unser Ziel drei bis acht Prozent pro Jahr. Es gibt zwei Ansätze: Mit der bestehenden Mannschaft die Entwicklungen um fünf Prozent pro Jahr steigern oder die Entwicklungen auf dem gleichen Niveau halten und fünf Prozent der Kosten pro Jahr einsparen.

Apropos Mitarbeiter: Wie wird die Mannschaft der IT-Factory BRZ aussehen?
Christine Sumper-Billinger: Das BRZ wird als IT-Factory eine Experten-Organisation sein. Wir müssen schon in der Ausbildung der Mitarbeiter dabei sein und sie rekrutieren, das BRZ wird auch Schulpartnerschaften eingehen. Aber es ist auch die Bildungspolitik gefordert, die Voraussetzungen müssen geändert werden, damit der Arbeitsmarkt bedient werden kann. Die technischen Bildungseinrichtungen müssen forciert werden. Es wird auch notwendig sein, Lenkungseffekte im Schulsystem zu machen, etwa Stipendien für entsprechende Studienrichtungen, damit die technischen Kräfte, die man für einen Technologie-Standort Österreich braucht, auch zur Verfügung stehen. Heruntergebrochen auf das BRZ – es wird keine aufgeblasene Organisation mit 10.000 Mitarbeitern sein, es geht darum, die besten Köpfe im Haus zu haben, die gemeinsam mit externen Partnern die entsprechenden Technologien umsetzen, mit der Industrie Partnerschaften eingehen und gemeinsam Services, die der Bund benötigt , entwickeln.

Wie wird man gegen die Googles der Welt den Mitarbeiterkampf anlegen?
Christine Sumper-Billinger: Wir sind eines der Top-3-IT-Unternehmen in Österreich. Bei uns gestaltet man die IT eines Staates mit und das wollen wir potenziellen Mitarbeitern mittransportieren. Wenn wir uns mit anderen Rechenzentren vergleichen, etwa in Deutschland, so investieren wir in unsere Mitarbeiter das Doppelte. Natürlich ist der Name Bundesrechenzentrum nicht so sexy wie Microsoft oder Google oder Apple, aber es geht darum, was dahintersteckt, und das wird sehr wohl am Arbeitsmarkt gesehen. Wir sind kürzlich erst mit dem European Cloud Award ausgezeichnet worden, weil wir innovativ und richtungsweisend sind. Wir haben auch den SAP Innovationspreis gewonnen mit unseren mobilen SAP-Apps, über die man Urlaubsanträge von unterwegs genehmigen kann.

Rechenzentren zählen zu den größten Energieverbrauchern der Gegenwart. Wie will man den Energieverbrauch in den Griff bekommen?
Christine Sumper-Billinger: Energieeffizienz wird sich in 15 Jahren zum Selbstläufer entwickelt haben. Energie wird immer teurer, daher wird es aus wirtschaftlichen Gründen schon erforderlich sein, sich eingehend mit Energieeffizienz in Rechenzentren zu beschäftigen. Allein durch die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, haben wir unser Ziel, 25 Prozent der Stromkosten einzusparen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, erreicht. Zudem werden Rechenzentren an sich architektonisch und technisch so ausgestattet sein, dass die natürlichen Ressourcen optimal genutzt werden. Auch die Speicherung ist ein Energie-Thema. Müssen wir alles fünfmal speichern oder reicht eine Einmalspeicherung. Allein mit der Einmalspeicherung können 20 Prozent der Energiekosten eingespart werden.

Wien gilt global als die Smart City, könnte das BRZ das Smart Rechenzentrum schlechthin werden?
Christine Sumper-Billinger: Wir sind bereits ein Smart Building, wir sehen uns auch als repräsentatives Unternehmen im Bundesumfeld, als Ideengeber für andere Rechenzentren. Wir beschäftigen uns mit Photovoltaik-Anlagen, wir beschäftigen uns auch mit liegenden Windrädern am Dach, wir denken auch an gewisse Gebäudefarben, die im Winter Wärmedämmungsfarben sind. Wir sind jetzt schon führend bei Free-Cooling-Anlagen. Wien Energie hat uns kürzlich besucht, weil unser Verbrauch so dramatisch nach unten gegangen ist. Ich sehe hier das BRZ als Gebäude, das richtungsweisend sein wird. Bei den Standorten von Rechenzentren müssen künftig auch die klimatischen Verhältnisse berücksichtigt werden.

Das Rechenzentrum am Berg oder am Gletscher?
Christine Sumper-Billinger: Bei uns ist das nicht so das Thema, aber generell wird man geografische und klimatische Gegebenheiten mitberücksichtigen.

Halten Sie es für möglich, dass ein Rechenzentrum einmal gänzlich energie-autark werden könnte?
Christine Sumper-Billinger: Wir werden einen großen Eigenbeitrag leisten können, aber ganz ohne Zukauf wird man nie auskommen. Vielleicht 2050/2070.

Roland Jabkowski: Ich sehe unser Rechenzentrum in Zukunft als Mega-Rechner, eingebettet in ein europaweites Konzert von IT-Servern für die Verwaltung mit dem bestmöglichen Lastabgleichund einer Europa-Cloud-Strategie. Das BRZ wird eine wesentliche Säule sein. Das ist die Vision der Factory.

Weil wir bei den Visionen sind. Gibt es etwas aus der Welt der Unterhaltungselektronik, das in die Verwaltung einfließen könnte?
Roland Jabkowski: Wir haben freilich die Vision der Innovation, aber ob es ausschließlich die Unterhaltungsindustrie sein wird? Nehmen wir die Spieleindustrie als Beispiel. Ich könnte das Modell der Republik als Planspiel abbilden, mit vielen Zahlen, die uns heute schon zur Verfügung stehen und könnte damit Budgets simulieren, so wie es heute schon im SAP-System Planspiele mit realen Zahlen gibt. Da sind komplexe Simulationsmodelle möglich. Auch Holographie oder Augmented Reality werden wir nutzen, so könnte es die virtuelle Amtshandlung geben. Etwa die Bodenschätzer im Finanzministerium, die regelmäßig vor allem landwirtschaftliche Flächen bewerten. Wenn ich diese Leute mit 3D-Brillen mit Anschluss an die Satellitennavigation ausstatte, sie an die Geodatenbank ankopple, so könnte ich diese Amtshandlung virtuell durchführen. Was der Bodenschätzer vor Ort sieht wird über das BRZ in ein Studio übertragen, wo die Behördenkollegen sitzen. Vielleicht erledigen in einigen Jahren die Bürger auch als Hologramm ihre Behördenwege oder die Beamten statten als Hologramm Hausbesuche ab.

Christine Sumper-Billinger: Bei diesen Entwicklungen gibt es auch eine finanzielle Komponente, denn durch die virtuellen Sitzungen könnte sich die Finanz einiges an Kosten ersparen, da man keine Dienstreisen mehr durchführen müsste, womit wir wieder beim Thema Energie-Effizienz sind.

Roland Jabkowski: Eine andere Vision ist, dass das BRZ der zentrale App-Store für die Verwaltung ist. Derzeit gibt es noch wenige Apps, wie etwa die Zoll- oder die Glücksspiel-App, aber der Trend zum mobilen Computing wird in den kommenden Jahren nicht abreißen.

 

 

futurezone.at war offizieller Medienpartner des "BRZ Kunden- und Partnerevent 2012", der am 4. Dezember in der Wiener Hofburg abgehalten wurde.

 

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