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Interview

Deutsche Telekom startet europäisches Netz

Hunderte Betreiber, Roaming-Gebühren, nationale Interessen und Geschäftsmodelle, die an Ländergrenzen ändern. Europa, jener Kontinent, auf dem der Mobilfunk erfunden wurde und sich mit Nokia oder Ericsson die bedeutendsten Handy-Konzerne befunden haben, hat im vergangenen Jahrzehnt seine Bedeutung am Weltmarkt verloren. Vor allem gegen die USA hat Europa das Nachsehen, Innovationen gehen vor allem von dort (oder Asien) aus. „Weil der Markt in Europa zu kleinteilig ist“, kritisiert Claudia Nemat, Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom AG und für Europa und Technik zuständig. „Nur zehn Prozent der mobilen Wertschöpfung bleibt in Europa, 90 Prozent geht global verloren.“

Das soll sich durch ein paneuropäische Netz, auch Pan-Net genannt, ändern. „Ich kann nicht sagen, um wie viel Prozentpunkte die Wertschöpfung steigen wird, aber das Pan-Net kann Grenzen aufbrechen, wird eine ganze Reihe anderer Dinge auslösen“, so Nemat im futurezone-Interview. Sie vergleicht die derzeitige Situation am Telekom-Sektor in Europa mit Bildern aus der Welt der Kinder. Aus Lego, Duplo, Holzbausteinen und Playmobil lasse sich auch etwas bauen, aber das sei nicht sehr stabil. Die derzeitige Infrastruktur stamme aus den 90er Jahren und sei alles andere als einfach zu organisieren. Daher benötige man offene und auch einheitliche Standards, damit ein Bauwerk auch hält

Keine Hexerei

Technisch sei das Europa-Netz keine Hexerei: In manchen Ländern, wo die Deutsche Telekom (durch T-Mobile) ohnehin mit Mobil- und Festnetz vertreten ist, sei das Pan-Net bereits verfügbar, wie etwa in Kroatien, Ungarn und in der Slowakei. In diesen Ländern werde die gleiche (technische) Sprache gesprochen, nämlich das Internet-Protokoll IP – „Das ist wie die Einführung des Euro“, so Nemat. Derzeit sei es so, dass es bis zu zwei Jahre dauern kann, ein neues Produkt einzuführen – ob TV, Bündeltarife, neue Sicherheitsstandards und so weiter. Künftig können neue Dienste praktisch auf Knopfdruck aufgeschaltet werden, weil eben alle Funktionen in einer Leitung verfügbar sind und von einer Zentrale aus freigeschaltet werden können. Ohne dass ein Techniker kommen und Installationsarbeiten erledigen muss.

Milliardeninvestition

2020 soll ganz Europa mit einem Netz überzogen sein, allein bis 2018 werden 6,5 Milliarden in den europaweiten Netzausbau investiert. Dort wo die Deutsche Telekom nur mit einem Mobilfunkbetreiber (wie etwa in Österreich) vertreten ist, werde man Partner suchen und anderen Telekom-Betreibern anbieten, im Netz „anzudocken“. Ad Roaming-Gebühren – die spielen im Europanetz keine Rolle, weil es sie ihn fünf Jahren ohnehin nicht mehr gäbe.

Konkret soll das Europanetz technisch so aufgebaut sein: Es gibt nur noch zwei Backend-Datencenter und drei Großrechenzentren, in jedem europäischen Land durchschnittlich zwei kleinere Rechenzentren. „Weil wir latenzfreie Netze haben müssen, die eine verzögerungsfreie Kommunikation ermöglichen“, erklärt Nemat. Das sei etwa im derzeit so oft diskutierten Internet-der-Dinge wichtig oder bei Verkehrslösungen der Zukunft, bei denen Autos mit der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren müssen.

Im Europanetz werden sich auch die Funktionen der Länder-Organisationen der Deutschen Telekom ändern. Die Bedeutung der Länderchefs bleibe bestehen, weil sie nach wie vor für die finanziellen Agenden verantwortlich seien, auch der Antennenbau und Ausbau des Festnetzes bleibe bei den Länder-Niederlassungen und jedes Land kann mit einer Kernkompetenz seine Leistung in das Pan-Net beisteuern. „Im Falle von Österreich ist es die gesamt M2M-Kommunikation, also Lösungen im Machine2Machine-Bereich“, sagt T-Mobile Österreich-Chef Andreas Bierwirth. „Schon heute entwickeln wir für die gesamte T-Mobile-Gruppe von Wien aus M2M-Anwendungen.“

Konsolidierung

„Immer wenn etwas Gutes in einem Land entwickelt wird, kann man es im Pan-Net den anderen Ländern zur Verfügung stellen.“ Europachefin Nemat ist überzeugt, dass das Pan-Net auch zur Konsolidierung der Netze führen werde. „Wenn man in den USA mit vier Betreibern auskommt, wird man in Europa nicht hunderte benötigen.“ Vor allem in Hinblick auf das industrielle Internet und auf das Internet der Dinge sei ein ganzheitlicher europäischer Auftritt wichtig. „Wir dürfen nicht schon wieder den Amerikanern ein Feld überlassen.“

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