Ein Anwendungsbeispiel: Elektroautos verbinden sich selbstständig mit Lade-Pads von Easelink. Die Abrechnung läuft im Hintergrund über die ARTIS Blockchain

Ein Anwendungsbeispiel: Elektroautos verbinden sich selbstständig mit Lade-Pads von Easelink. Die Abrechnung läuft im Hintergrund über die ARTIS Blockchain

© Lilly Mörz

B2B

Ein Crypto-Schilling für grüne Geschäfte

Wer in Zukunft geschäftliche Transaktionen mit voller Transparenz, Zuverlässigkeit und ohne Vermittlungsstelle durchführen will, kommt wohl nicht an der Blockchain-Technologie vorbei. Während darauf basierende Kryptowährungen wie Bitcoin durch wilde Kursschwankungen  und einen sehr hohen Energiebedarf in Verruf geraten sind, beflügelt die Blockchain auch eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle.

Rechnung an Nachbarn

Besonders im Energiebereich, der zunehmend von einer Vielzahl an kleinen Erzeugern geprägt ist, gibt es einige vielversprechende Ideen. So könnten künftig etwa Haushaltsgeräte ihren Strombedarf automatisiert bei verschiedenen Anbietern einer nachbarschaftlichen „Energiegemeinschaft“ bestellen und abrechnen. Das Grazer lab10 collective hat mit ARTIS eine eigene Blockchain kreiert, die genau auf nachhaltige und klimaneutrale Anwendungsszenarien abzielt.

Im Mai hat lab10 collective gemeinsam mit dem Ladetechnik-Unternehmen Easelink gezeigt, wie sich ein Elektroauto vollautomatisch mit einer Ladestation verbinden und Strom tanken kann. Der Ladevorgang wird dabei über ARTIS protokolliert und abgerechnet. „Für solche Anwendungen braucht es eine neue Technologie und Blockchain ist genau das Richtige“, sagt lab10 collective-Sprecher Bernhard Wladkowski zur futurezone. Das Team von lab10 collective habe sich nicht aus genereller Begeisterung für die Technologie entschieden, sondern weil es keine Alternative dazu sieht.

Weniger Stromverbrauch

Bei ARTIS sei es den Entwicklern, die sich unter lab10 collective in einer gemeinnützigen Genossenschaft zusammengetan haben, darum gegangen, eine Blockchain zu konstruieren, die sicher, einfach und nachhaltig ist. Während Bitcoin etwa für einen hohen Stromverbrauch verantwortlich ist, Transaktionen langsam ablaufen und mit hohen Kosten verbunden sind, soll ARTIS genau das Gegenteil davon sein. „Es gibt Möglichkeiten, um Blockchains mit modernen Konsensmechanismen besonders energieeffizient zu machen“, sagt Wladkowski. Konsensmechanismen sind Regeln, die für einheitliche, für alle Teilnehmer verbindliche Werte im jeweiligen Blockchain-Netzwerk sorgen.

Der Mechanismus von ARTIS wurde „Honey Badger“ getauft, nach der besonders furchtlosen Tierart Honigdachs, die durch YouTube Internet-Ruhm erlangt hat. Als Werteinheit für ARTIS dient der „Crypto -Schilling“ (Kürzel: ATS), eine Reminiszenz an die alte österreichische Währung. Wladkowski: „Wir beschäftigen uns mit einem extrem technischen Thema, aber wir wollen auch Spaß haben.“

Ein Teil des mittlerweile 40 Personen starken Teams des lab10 collective mit Geschäftsführer Thomas Zeinzinger in der Mitte.

Effizienter

Die Basis für ARTIS bildet Ethereum. Das ist neben Bitcoin die bekannteste Blockchain. Sie bildet die Grundlage für viele sogenannte Sidechains. Diese Ableger nutzen die sicherheitstechnischen Aspekte von Ethereum, sind aber für spezifische Anwendungsfälle optimiert. „Für Abrechnungen in 'Micro Grids' (lokalen Stromnetzen) ist Ethereum eher nicht geeignet, ARTIS aber schon. Andere Sidechains sind etwa auf Computerspiele spezialisiert“, sagt Wladkowski.

Die Verwendung einer Sidechain hat den Vorteil, dass Anwendungen, die für Ethereum kreiert wurden, relativ einfach für ARTIS verfügbar werden können. Die Geschwindigkeit, Effizienz und Skalierbarkeit von ARTIS soll in Zukunft Unternehmen ansprechen, die eine umweltbewusste Plattform für neue Geschäftsmodelle suchen. Dass traditionelle Zahlungsdienstleister da nicht mithalten können, steht für den lab10 collective-Sprecher fest: „Das Visa-Netzwerk verbraucht im Jahr so viel Strom wie 40.000 Haushalte. Der Verbrauch von ARTIS entspricht jenem von zehn Haushalten.“

Wallet

Auch in puncto Barrierefreiheit soll ARTIS wegweisend sein: „Wir haben ein System, das 100 Prozent automatisch funktioniert. Will man ein Auto aufladen, muss man sich nicht bei verschiedenen Anbietern registrieren.“ Voraussetzung ist freilich der Besitz eines sogenannten Wallets, einer digitalen Geldbörse für die Crypto-Schillinge. Das „Minerva“-Wallet von lab10 collective ist als App verfügbar.

Gemeinsam mit Infineon arbeitet das Team aber auch an einem physischen Wallet, das ähnlich wie eine Bankomatkarte mit eingebautem NFC-Chip funktionieren soll. Wer sich Kryptowährung für die ARTIS Blockchain zulegen will, kann übrigens mit einem altbekannten Wechselkurs rechnen. Ein Euro sind 13,7603 ATS.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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