Erste Bank-PrivatkundenvorstandThomas Schaufler (honorarfreies Pressefoto)
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Finanzmarkt

Erste Bank: "Viele trauen Apple und Google nicht"

futurezone: Die Digitalisierung zwingt die traditionelle Bankenbranche zum radikalen Umdenken. Was kann man von den gerade sehr angesagten Fintechs lernen?
Schaufler:
Fintechs haben den Vorteil der „grünen Wiese“ – sie haben keinen Riesenapparat und keine gewachsenen Banken-Softwaresysteme, auf die sie Rücksicht nehmen müssen. Sie konzentrieren sich auf ganz konkrete Kundenbedürfnisse und setzen ein Service um. Da sind gute Ansätze dabei, aber die spannendere Frage ist, wie nachhaltig sind deren Business-Modelle?

Sind Fintechs überhypt bzw. die hohen Bewertungen aus der Luft gegriffen?
Das Transaktionsvolumen ist bei vielen Finanz-Start-ups bescheiden. Das Business-Modell zielt darauf ab, dass ein Großer kommt und sagt – die Funktion kauf ich mir um x Millionen, bevor ich das selber entwickeln muss. Alles, was wir tun, zielt hingegen auf ein funktionierendes nachhaltiges Business-Modell ab. Dass wir eine Funktion abdrehen müssen, weil jemand fünf Mal zu oft am Bankomat Geld abgehoben hat, kann ich ausschließen.

Sie sprechen damit den Fintech-Aufsteiger N26 an, der Kunden das Konto kündigte, weil diese zu oft vom Bankomat Geld abhoben. Sind Sie überrascht, dass das Start-up nun eine Banklizenz erworben hat und künftig umfassende Finanzservices anbieten möchte?
Das hat mich in der Tat überrascht. Während man den Banken bisher immer ausrichtete, sie sollen schlanker werden und wie ein Fintech agieren, muss nun ein ebensolches beweisen, wie es mit den ganzen regulatorischen Vorgaben und Vorschriften zurechtkommt. Einige Funktionen, wie etwa die Legitimierung des eigenen Kontos mittels Videoverbindung, sind ja in Österreich noch nicht erlaubt. Da sind wir gespannt, wie der Regulator reagieren wird.

Banken schieben gerne den Regulator vor, wenn es um die fehlende Agilität im Vergleich zu Fintechs geht. Sollten die Regularien tatsächlich gelockert werden?
Es ist in der Tat so, dass der Regulator der aktuellen Entwicklung hinterherläuft und in einigen Fragen übers Ziel hinausschießt. Wenn der Regulator vorschreibt, dass bei jeder Veranlagung ein aufwändiges Dokumentations- und Beratungsprotokoll erstellt werden muss, tun wir das natürlich. Es macht aber Veranlagungswünsche unter einem gewissen Betrag nicht mehr profitabel, da der Beratungsaufwand bei einer Veranlagung von 100.000 Euro oder einem Kapitalsparplan von 50 Euro pro Monat in Wahrheit fast gleich hoch ist.

Apple, Google, Amazon, Facebook und andere Tech-Konzerne streifen mit eigenen Bezahlservices zuletzt wiederholt an der Finanzbranche an. Mit dem vorhandenen Eigenkapital könnten sie praktisch von heute auf morgen zum schlagkräftigen Konkurrenten werden.
Ob die angesprochenen Services tatsächlich so erfolgreich sind, ist schwer zu sagen. Es ist wohl so, dass viele Leute Apple und Google nicht trauen, wenn es um Geldangelegenheiten geht. Die Konzerne selber wiederum wissen ganz genau, dass es nicht zuletzt aufgrund der komplexen Regularien in den verschiedenen Ländern schwer möglich ist, ein komplexes digitales Banking aufzuziehen. Sie haben derzeit genug andere neue Spielfelder, wo sie mit weniger Aufwand Geschäfte machen können.

Die Tech-Konzerne sind also keine ernstzunehmende Konkurrenz aus ihrer Sicht?
Da, wo keine Banklizenz notwendig ist, werden sie sicher weiterhin einfache Services anbieten. Was komplexere Finanzdienstleistungen betrifft, müssen wir einfach eine Qualität und einen Mehrwert bieten, welche die Kunden überzeugen. Das gilt auch für die Filialen.

Wie wird das Bankgeschäft im Jahr 2026 aussehen? Wird es da überhaupt noch Filialen geben?
Angesichts der rasanten Entwicklungen der vergangenen Jahre ist das schwer zu prognostizieren. Vieles wird der Kunde online erledigen – sich vorab informieren, Dokumente fürs Erstgespräch mit dem Berater hochladen. Auch Standard-Geschäfte, wie Festgeldveranlagung oder den Konto- bzw. Kartenrahmen vereinbaren, werden über digitale Kanäle ablaufen. Die Filiale werden Kunden aufsuchen, um sich bei komplexeren Angelegenheiten wie Wohnraumfinanzierung, Wertpapierveranlagung, steuerlichen Fragen oder Pensionsvorsorge beraten zu lassen und bei Produkten zum Abschluss zu kommen.

Über kurz oder lang wird das dichte Filialnetz aber nicht haltbar sein. Muss man nicht fürchten, dass am Land nach Lebensmittelhändlern und der Post auch Bankfilialen komplett wegfallen?
Natürlich wissen wir, dass gerade die Kundengruppe ab 60+ nicht annähernd so online-affin ist, wie jüngere Kunden und schauen uns regional wie auch in der Stadt genau an, wo wir was zusammenlegen können bzw. so besetzen können, dass Kunden weiterhin optimal betreut werden und es auch für uns wirtschaftlich bleibt. Wenn Leute hauptsächlich auf die Bank gehen, um Geld beim Bankomat abzuheben, muss ich diese Filiale nicht durchgehend mit mehreren Leuten besetzen. Da macht es dann eher Sinn, ein paar Mal die Woche Beratungstermine anzubieten, zu denen Berater aus der Umgebung hinfahren.

Wird die Bank in einigen Jahren verstärkt zum Kunden nach Hause kommen, einerseits durch Hausbesuche oder aber auch technische Hilfsmittel wie Videochats?
Beides wird bereits praktiziert und wird sicher auch noch ausgebaut. Über unsere Video-Anlagen in der Zentrale können wir bereits sicher mit Kunden kommunizieren. Ob das künftig noch flexibler über Skype und andere Dienste, aber auch zu jeder Tag- und Nachtzeit möglich sein wird, muss sich erst zeigen. Die Datensicherheit ist für uns die oberste Priorität.

Effizientere Prozesse ziehen meist auch die Einsparung von Mitarbeitern mit sich. Müssen sich Erste- und Sparkassen-Angestellte schon Sorgen machen?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir seit 2011 einen Kundenzuwachs von etwa 20 Prozent verzeichnet haben. Wenn der Trend beibehalten wird, ist es unabdingbar, Prozesse noch effizienter zu gestalten, um die Kundenbetreuung mit der Anzahl an Mitarbeiter überhaupt bewältigen zu können. Der stärkere Fokus auf digitale Services führt nicht per se zu weniger Mitarbeitern. Vielmehr bekommen diese andere Aufgaben als in der Vergangenheit. Für manche Produkte und Services wird es immer auch Beratungsbedarf geben.

Wie erklären Sie sich den Kundenzuwachs? Und wie passt das mit der Finanzkrise zusammen?
Ich habe jetzt keine detaillierte Wählerstromanalyse parat. Ein Trend nach der Finanzkrise war aber tatsächlich, dass Kunden verstärkt Dienste von Zweitbanken in Anspruch genommen haben. Bei Berufseinsteigern, aber auch jungen Kunden verzeichnen wir ein gutes Wachstum. Viele Kunden konnten wir auch von anderen Banken gewinnen. Geholfen hat dabei sicher auch, dass das neue Online-Banking George auf so viel Interesse und Zustimmung bei Kunden stieß.

Das Thema modernes Online-Banking war in Österreich vor George kaum besetzt. Jetzt, wo die Plattform eingeführt ist und auch die Konkurrenz langsam nachzieht, wird es schwieriger, die öffentliche Aufmerksamkeit halten zu können. Wie wollen Sie das schaffen?
George hat der Bank tatsächlich so etwas wie ein neues bzw. zusätzliches Gesicht gegeben, das auch international für Aufsehen gesorgt hat. Gleichzeitig sehen wir uns erst am Anfang, was die Plattform betrifft. Services, wie das sekundenschnelle Erstellen von Überweisungsaufträgen aus physischen Rechnungen mittels Abfotografieren sind das eine – in Zukunft wollen wir aber auch Fintechs und andere innovative Anbieter an George andocken lassen. Wenn wir schon die Finanzierung von Wohnkrediten abwickeln, könnten Kunden künftig über uns auch wertvolle Informationen rund um den Hausbau bekommen – von rechtlicher Beratung über den richtigen Architekten für ihr Projekt.


Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen. Die redaktionelle Verantwortung obliegt allein der futurezone-Redaktion.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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