Saul Singer
Saul Singer
© Burda, Ariel Jerozolimski

Militär ist wichtig für israelische Start-ups

"Militär ist wichtig für israelische Start-ups"

In Israel finden junge Hightech-Unternehmen den im Moment zweitfruchtbarsten Boden nach dem Silicon Valley vor. Im Buch “Start-up Nation” versuchen Dan Senor und Saul Singer zu erklären, welche Faktoren für das günstige Klima verantwortlich sind. Die futurezone hat Co-Autor Singer zum Interview getroffen.

futurezone: Warum hat Israel eine lebendigere Start-up-Szene als die meisten anderen Länder? Saul Singer: Es geht bei Start-ups vor allem darum, sich über Widerstände hinwegzusetzen. Darin ist Israel gut. Wir sind ein kleines Land, ohne Ressourcen, in einer schlechten Nachbarschaft. Israel ist selbst ein Start-up. Am Anfang stand eine verrückte Idee, genau wie bei jungen Unternehmen. Genau wie Unternehmer benötigt das Land Motivation, Entschlossenheit und Risikobereitschaft, um Erfolg zu haben. Das hat die Mentalität der Menschen geprägt. Durch die Kindererziehung wird das auch weitergegeben.

Sie selbst sind in den USA aufgewachsen. Was ist das Besondere an der Kindererziehung in Israel? Kindern wird hier viel Unabhängigkeit zugestanden, das macht sie auch risikobereiter. Israel ist ironischerweise ein sehr sicheres Land. Kinder können hier alleine Bus fahren und auf Erkundungstouren gehen. Dass alle mit 18 oder 19 zum Militärdienst einberufen werden, verhindert zudem, dass der Nachwuchs verhätschelt wird.

Das ist ein sehr kontroverses Argument. Verherrlichen Sie hier nicht das Militär? Das Heer ist ein wichtiger Faktor für Israel. Dort kommen junge Menschen mit Hightech in Kontakt, vor allem in bestimmten Abteilungen. Zudem beeinflusst es die Kultur des Landes. Für Israelis ist der Wehrdienst ein dritter Lebensabschnitt, zusätzlich zu Schule und Arbeit. Dort lernen sie Führungsqualitäten, Teamwork und Opferbereitschaft. All das ist wichtig für Start-ups. Auch Risikobereitschaft und Improvisationstalent werden vermittelt. Das Militär gibt Jungunternehmern wichtige Fähigkeiten mit.

Der Wehrdienst wird ansonsten eher selten mit Kreativität in Verbindung gebracht. Der Militärdienst in Israel länger als in den meisten anderen Ländern. Die wichtigen Erfahrungen gibt es nicht in der Grundausbildung, sondern ab dem Schritt zum Nachwuchsoffizier. Ich möchte die Rolle des Heeres aber nicht als Modell für andere Länder bewerben und wünschte, wir wären nicht gezwungen, unsere jungen Menschen einzuziehen.

Was können sich andere Länder von Israel abschauen? Die Faktoren, die wir für den Erfolg Israels verantwortlich machen, sind nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragbar. Jedes Land hat seine eigenen Stärken, seine eigene Kultur und Geschichte. Darauf basierend müssen eigene Innovationszentren geformt werden.

In Ihrem Buch betonen Sie auch die wichtige Rolle von Immigration für ein Start-up-Ökosystem. Was macht Israel hier besser als andere? Israel ist ein Einwanderungsland. Die Mentalität von Einwanderern, der Ehrgeiz und die Risikobereitschaft, ist wertvoll. Im Silicon Valley ist das ebenfalls zu beobachten.

Das ausländerfeindliche Klima, das viele politische Parteien derzeit in Europa verbreiten, ist aus Ihrer Sicht also ein Hemmschuh? Eine Start-up-Kultur kann nie xenophob sein. Es kann parallel dazu einen starken rechten politischen Flügel geben, die beiden Strömungen werden aber immer gegenläufige Ziele verfolgen. In den 1990ern hat Israel eine Million gebildete ehemalige Sowjet-Bürger aufgenommen, damals hat die Start-up-Nation ihren Anfang genommen.

Es ist immer einfach, hochqualifizierte Einwanderer aufzunehmen. Wir haben auch Flugzeugladungen voller äthiopischer Immigranten aufgenommen. Bei der Staatsgründung kamen Menschen aus verschiedensten Ländern mit verschiedensten Kultur- und Bildungshintergründen. Immigration schafft immer mehr Jobs, als sie in Anspruch nimmt.

Ist es für kleine Länder wie Israel leichter, gute Voraussetzungen für Start-ups zu schaffen? Dass Israel ein kleines Land ist, trägt seinen Teil zum Erfolg bei. Es gibt in der Umgebung keinen lokalen Markt für Produkte, weshalb Unternehmer global denken. Das ist für Start-ups anderswo oft schwierig.

Israel hat pro Kopf zweieinhalb Mal so viel Venture-Kapital angezogen wie die USA. Welchen Anteil hat das am Erfolg? Das Investment-Kapital ist weniger ein Grund für den Erfolg als ein Indikator dafür, wie erfolgreich Israel ist. Kapital ist nicht sentimental, es geht dahin, wo die höchsten Renditen zu erwirtschaften sind.

Trotzdem muss Geld für Unternehmensgründer irgendwo herkommen. Israel hatte in den 90ern zu wenig Risikokapital, wie viele Länder heute. Die Regierung hat daraufhin einen National-Fonds eingerichtet, der privaten Investoren Kredite gab, um Start-ups zu fördern. Das Geld musste nur zurückbezahlt werden, wenn die neuen Unternehmen funktionierten. Am Ende haben alle gewonnen.

Welche Voraussetzungen locken noch Kapital ins Land? Jedes Land benötigt einige große Erfolgsgeschichten, um die Dinge ins Rollen zu bringen. Dadurch werden Start-ups cool und attraktiv und es entstehen lokale Risikokapital-Fonds. Außerdem erregen erfolgreiche Start-ups die Aufmerksamkeit internationaler Kapitalgeber.

Welche Rolle spielt ausländisches Kapital in Israel? Amerikanische und europäische Fonds sind sehr aktiv in Israel. Israel erhält mehr europäisches Venture-Kapital als jedes europäische Land.

Das Silicon Valley wird oft als Gold-Standard für Start-up-Kultur gesehen. Sind die USA das richtige Vorbild? Das Silicon Valley zu kopieren funktioniert aber nicht, deshalb blicken viele nach Israel, ein kleines Land mit vielen Problemen, mit mehr Start-ups als irgendwo sonst außerhalb des Silicon Valleys.

Sollte der Rest der Welt besser nach Israel blicken? Mein Tipp für andere Länder ist, es gemeinsam mit Israel zu versuchen und nicht Israel zu kopieren. Durch die Bündelung der Stärken verschiedener Länder könnte etwas Großes entstehen. Mehr Europäer sollten nach Israel kommen, und sich das Ökosystem hier anschauen. Es liegen nur zwei Flugstunden zwischen Wien und Israel.

Das heißt die großen Chancen für Start-ups liegen vielleicht gar nicht im Silicon Valley? Die Entwicklungsländer wachsen schneller als etablierte Industrienationen. Das ist seht interessant für Start-ups. Statt die hundertste Restaurant-Finder-App zu entwickeln und Luxus-Probleme zu lösen, gibt es hier echte Herausforderungen anzugehen. Hier können sich Start-ups, die nicht aus den USA kommen, hervortun. US-Unternehmen sind zu US-zentrisch.

Derzeit ist davon aber wenig zu sehen. Alle sind derzeit sehr auf die USA fixiert, weil Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Intel von dort stammen. Derzeit wird Technik oft in den USA entwickelt, wächst und verbreitet sich dann im Rest der Welt. Das Silicon Valley ist aber nicht die Zukunft. Beispiele wie das estnische Skype zeigen, dass heute überall erfolgreiche Tech-Unternehmen entstehen können.

Welche Rolle kann Europa hier spielen? Europa hat hier den Vorteil, dass der Kontinent zunehmend zusammenwächst. Trotzdem gibt es noch Fragmentierung. Das kann länderübergreifende Start-ups ermöglichen, die Kapital aus dem Multikulturalismus und der leicht möglichen Integration schlagen.

Zur Person: Saul Singer ist ein amerikanisch-israelischer Journalist und Autor, der unter anderem für die Jerusalem Post, das Wall Street Journal und die Washington Post geschrieben. Das Buch "Start-up Nation", das er mit seinem Kollegen Dan Senor geschrieben hat, ist ein internationaler Bestseller. Singer ist 1994 aus den USA nach Israel emigriert.

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Markus Keßler

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