"Musik-Streaming funktioniert finanziell nicht"
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"Das Geschäftsmodell von Musik-Streamingdiensten funktioniert nicht", sagt Paul Resnikoff, Herausgeber des Branchenportals Digital Music News am Donnerstag bei den Wiener Tagen der Musikwirtschaftsforschung. Zwar würden heute mehr Leute Musik hören und durch die rasante Verbreitung mobiler Internet-Zugänge Streaming-Dienste wie Spotify oder Deezer nutzen, mit dem Geschäftsmodell gebe es aber ein großes Problem: "Es ist finanziell ein Totalausfall."
"Einnahmen für Künstler minimal"
Die Einnahmen der Künstler aus Streaming-Diensten seien minimal, so der Journalist, die Abrechnungen undurchsichtig. "Major Labels sind berüchtigt, dass sie Künstlern keine Streaming-Tantiemen zahlen."
Auch die Bereitschaft vieler Nutzer Bezahlabos abzuschließen, sei gering, da Gratis-Angebote wie YouTube gegenüber kostenpflichtigen Abos viele Vorteile hätten. "Sie haben ein größeres Angebot und bieten mehr Möglichkeiten Inhalte zu teilen", sagte Resnikoff. Streaming-Angeboten würden auch andere Formate - etwa Downloads oder CD-Verkäufe -kannibalisieren. "Es kommen damit aber weit weniger Einnahmen herein."
Die Streaming-Anbieter selbst könnten zwar ihre Umsätze steigern. Bedingt durch hohe Lizenzzahlungen an die Lables würden aber auch die Verluste wachsen, sagte Resnikoff. Streaming sei als Geschäftsmodell nicht existenzfähig und nicht nachhaltig.
Lukrative Exits
Weil das Geschäftsmodell nicht funktioniere, bliebe für die Betreiber nur noch der Verkauf oder der Börsengang, meinte Resnikoff. Darauf würden auch die großen Labels hoffen, die an vielen Streaming-Diensten als Kompensation für das Gewähren von Lizenzen Beteiligungen halten.
Allein Universal Music habe etwa durch den Verkauf von Beats Music an Apple 400 Millionen Dollar verdient. Bei einem Börsengang von Spotify könnten die beteiligten Labels mit einem Geldregen von bis zu zwei Milliarden Dollar rechnen, sagte der Branchenkenner: "Die Labels drängen auf einen IPO jenseits der Zehn-Milliarden-Dollar-Grenze."
Das Geschäft von Plattenfirmen sei es nicht mehr Musik zu verkaufen, sondern Geld aus Beteiligungen zu erlösen, sagte Peter Jenner, der frühere Manager von Pink Floyd. Die Beteiligungen Künstler würden davon aber nichts erhalten, so der Musikmanager: "Das ist die Realität." Das Problem sei, dass heute weder die Streaming-Dienste noch die Plattenfirmen in Künstler investieren, meinte Resnikoff. "Es gibt niemanden mehr, der das tut."
"Es geht um Risikobegrenzung"
Eine der Folgen aus dem Umsatzrückgang der Tonträgerindustrie in den vergangenen zehn bis 15 Jahren sei, dass die Labels heute extrem konservativ investieren würden, sagte der Musikmanager Marc Marot, der früher bei Island Records Musikern Bands und Musikern wie Pulp, Pj Harvey und Nine Inch Nails zum Durchbruch verhalf und heute der Agentur Crown Talent & Media vorsteht. Es werde nur noch in bekannte Künstler investiert: "Es geht um Risikobegrenzung, es gibt keine Überraschungen mehr." An jungen Künstlern gebe es kaum noch Interesse. Dass diese über soziale Medien selbst den Durchbruch schaffen würden, sei ein Mythos. "Es braucht die Strukturen großer Labels."
Um die Aufmerksamkeit der Plattenfirmen zu erlangen, sei es heute Voraussetzung im Netz zu reüssieren. "Gesucht wird, was die Leute schon mögen", sagte Keith Harris, der den Weltstar Stevie Wonder managt. "Es geht nicht mehr darum, gute Demo-Aufnahmen vorzulegen, sondern möglichst viele Follower auf Twitter oder Facebook zu haben."
"Fundamentale Änderungen"
Wie die Situation aus der Sicht der Kreativen und Musiker aussieht, zeigte Kristin Thomson von der Future of Music Coalition, die mit dem Artist Revenue Project die Einnahmesituation von US-Musikern untersuchte.
In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe es fundamentale Änderungen gegeben, sagte Thomson. Neue Technologien hätten sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Einnahmesituation der Kreativen. Während Vertriebskanäle für physiche Produkte, wie etwa die CD, wegbrachen, hätten sich die Möglichkeiten der Musiker ein Publikum zu finden verbessert. Bands und Musiker könnten mit neuen Marketing- und Vertriebsstrukturen experimentieren. Mit den digitalen Vertriebskanälen seien auch neue Einnahmemöglichkeiten entstanden.
"Es ist anders"
Im Schnitt würden Tonaufnahmen heute lediglich rund sechs Prozent der Einnahmen von Musikern ausmachen. Sie seien aber Auslöser für zahlreiche weitere Einnahmemöglichkeiten, wie etwa Konzerte, Merchandising und mehr. Darüber hinaus seien Tonaufnahmen auch nötig, um Aufmerksamkeit zu erregen und etwa in Medien besprochen zu werden.
Ist es heute leichter oder schwerer als Musiker Geld zu verdienen? "Es ist anders", sagt Thomson. Auch früher hätten es Musiker nicht leicht gehabt. Wer nicht bei einer Plattenfirma unter Vertrag war, hatte kaum Möglichkeiten seine Musik in den Handel und unter die Leute zu bekommen. Heute könnten Songs rasch weltweit veröffentlicht werden. Dafür gebe es andere Herausforderungen. Der Kampf um die Aufmerksamkeit sei hart, Einnahmen würden sich heute auf zahlreiche Quellen - von Tonträgern, Downloads und Streams bis hin zu Konzerten, Merchandising und Lehrtätigkeiten - verteilen, erzählt Thomson. "Sie haben sich atomisiert."
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