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Kritik

"Negativreaktion bei Apple-Aktie übertrieben"

„Die Reaktion an der Börse mit aktuell minus elf Prozent und mehr ist schon ziemlich übertrieben“, meint etwa Leopold Salcher, Analyst bei Raiffeisen Capital Management, im Gespräch mit der futurezone. „Apples Profitabilität ist nachhaltig gut und 17,7 Prozent Umsatzwachstum sind für einen Konzern dieser Größe wirklich enorm, zumal andere IT-Konzerne wie Intel oder IBM seit mehreren Quartalen mit schrumpfenden Umsätzen zu kämpfen haben“, so Salcher.

Vorhersehbar
Dass das Wachstum sich abschwächen werde, sei eigentlich jedem klar gewesen, so Salcher, der Apple auch als Opfer des teilweise selbst erzeugten Hypes sieht. „Die Erwartungen sind extrem schnell und stark angestiegen und haben vor allem Anleger angelockt, die in erster Linie an den Wachstumszahlen interessiert sind“, so Salcher. Nach möglichen weiteren Kursverlusten glaubt der Analyst, dass sich die Apple-Aktie wieder erholen wird, wenn andere Investoren auf den Konzern setzen, die eher am Wert des Konzerns und der Marke interessiert sind.

Ein Blick auf die astronomischen Zahlen der

lässt die teils heftigen negativen Reaktionen tatsächlich in zweifelhaftem Licht erscheinen. So hat Apple allein in den vergangenen vier Monaten mehr Umsatz und Gewinn erzielt als Google imgesamten Jahr 2012. Mit dem vergangenen Quartal, in dem im Schnitt jede Sekunde 10 iOS-Geräte verkauft wurden, durchbrach Apple zudem die Grenze von 500 Millionen verkauften iOS-Geräten. Auf der Haben-Seite verfügt der Konzern nun über unglaubliche 137 Milliarden US-Dollar an Cash.

Gangwechsel
„Gesamt betrachtet kann sich die Apple-Bilanz sehen lassen, wenngleich der Konzern beim Wachstum einen Gang zurückgeschalten hat“, erklärt Apple-Analyst Horace Dediu im Gespräch mit der futurezone. „Man darf nicht vergessen, dass 70 Prozent des Apple-Geschäfts mit Produkten und Kategorien erzielt werden, die es vor sechs Jahren noch gar nicht gab. Das ist auch für Investoren das Spannende, weil Apple unter Steve Jobs zu einer Erfinder-Maschinerie geworden ist, die ganze Geschäftszweige und Branchen umkrempeln kann“, so Dediu.

Die negative Reaktion der Anleger impliziere lediglich, dass die in den vergangenen Jahren etablierten Geschäftsfelder zukünftig schrumpfen könnten, wie es etwa beim iPod passiert sei. Apple abzuschreiben, sei aber definitiv verfrüht, ist Dediu überzeugt. „Die Möglichkeiten für innovative Produkte sind grenzenlos. Steve Jobs war auch kein Magier, er hat vielmehr bei Apple ein System geschaffen, mit dem innovative Ideen in ein marktreifes Produkt verwandelt werden können. Und dieses System ist auch weiterhin intakt“, meint Dediu.

Geheimniskrämerei
Was Apple allerdings an nach eigenen Angaben „großartigen Produkten“ tatsächlich in petto hat, weiß derzeit jedoch ebenfalls niemand. Bei der Vorstellung des Quartalberichts zeigte sich Apple-Chef Tim Cook gewohnt zugeknöpft. Er dementierte die Sinnhaftigkeit eines iPhones mit noch größerem Display und sprach sich zudem gegen die Verwässerung der Marke durch ein stark erweitertes Portfolio aus. Man wolle weiterhin die besten Produkte der Welt herstellen, selbst wenn der Umsatz darunter leide. Gleichzeitig kritisierte der Apple-Chef die Negativberichte, die von angeblich niedrigeren Bestellungen bei Apple-Zulieferern auf eine

beim iPhone 5 schlossen.  

Noch deutlichere Worte findet Apple-Analyst Dediu: „Wenn sich Analysten auf Gerüchte konzentrieren und die tatsächlichen Verkaufsdaten ignorieren, führt das praktisch immer zu den falschen Rückschlüssen.“ Da die Zuliefer-Daten ja „geheim“ seien, messe derjenige, der Teile dieser Information zu Gesicht bekomme, diesen viel zu viel Gewicht bei und verliere dadurch den Blick auf das große Ganze. „Das sollte eigentlich von jedem kompetenten Analysten verstanden werden“, meint Dediu zur futurezone.

Negativberichte
Auch Leopold Salcher von Raiffeisen Capital Management warnt vor derartigen voreiligen Schlüssen. „Die Zulieferkette von Apple ist sehr komplex. Warum Aufträge bei einem bestimmten Zulieferer zurückgeschraubt werden, kann viele Gründe haben, in Wahrheit weiß man meist erst im Nachhinein, warum das so wahr“, so Salcher. Wenn weniger iPhone-5-Komponenten bestellt werden, könne das auch bedeuten, dass das iPhone 6 früher als erwartet komme oder dass Apple einfach den Produzenten von gewissen Bauteilen wechsle.

An der Börse ging die Talfahrt am Donnerstag zunächst jedoch weiter. Um 19:30 (MEZ) verzeichnete die Apple-Aktie ein Minus von 11,5 Prozent und lag bei knapp 455 US-Dollar. Damit hat die Aktie seit ihrem Höchststand am 19. September (702 US-Dollar) etwa 35 Prozent ihres Werts eingebüßt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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