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Digital

VW will Technologieunternehmen kaufen und Roboautos bauen

„Wir haben noch einiges in der Pipeline“, sagte Digital-Chef Johann Jungwirth in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Er sprach von „weiteren
Spielräumen und Möglichkeiten“, die der Wolfsburger Konzern trotz der laufenden Aufarbeitung des Dieselskandals nutzen wolle. Jungwirth, der den neu geschaffenen Bereich Digitalisierung seit Anfang November leitet, nannte jedoch keine Firmen, die VW übernehmen wolle.

Europas größter Autobauer will im nächsten Jahrzehnt einen substanziellen Teil seines Umsatzes von zuletzt mehr als 200 Milliarden Euro mit Angeboten wie Chauffeur- und Taxidiensten auf Abruf sowie Carsharing erzielen. Bei der Kurzzeitmiete von Autos haben hierzulande Konkurrenten Daimler und BMW die Nase vorn. Weltweit ist das Rennen um die besten Plätze auf dem wichtigen Zukunftsfeld der Mobilitätsdienste eröffnet. Hier mischen auch die Rivalen Toyota und GM mit.

VW hat zur Aufholjagd geblasen. Der von der Abgaskrise erschütterte Autobauer will sich an die Spitze der Bewegung setzen. Dazu habe der Konzern mit seinen zwölf Marken die besten Voraussetzungen, meint Jungwirth. „Mit zehn Millionen Fahrzeugen pro Jahr hat man eine Marktmacht und Durchdringungsmöglichkeit in die Märkte hinein.“

In den Kinderschuhen

Noch stecken die Aktivitäten von VW in den Kinderschuhen.Zentraler Bestandteil der neuen Gesellschaft mit Sitz in Berlin soll Gett sein, an der sich die Niedersachsen jüngst mit 300 Millionen Dollar beteiligt haben. Auch an weiteren Kooperationen mit Technologiefirmen sei VW interessiert, erläutert Jungwirth, der zuvor beim IT-Konzern Apple und davor bei Mercedes in den USA gearbeitet hat. Er will das neue Geschäftsfeld möglichst rasch ausbauen. Ausweiten will Jungwirth auch die Präsenz von VW im Silicon Valley, wo die großen IT-Firmen sitzen. Dort soll ein Zentrum für autonomes Fahren entstehen.

Richtig in Fahrt kommen sollen die neuen Mobilitätsdienste, wenn in einigen Jahren selbstfahrende Autos auf den Markt sind. Jungwirth rechnet damit, dass Carsharing dann in den Hintergrund tritt und durch vollautonome Fahrzeugflotten ersetzt wird. Fernziel ist, dass batteriegetriebene Robotertaxis die Kunden automatisch von zuhause abholen und an ihre gewünschten Ziele bringen. „Es wird Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Fahrzeugen geben, die in den Innenstädten dieser Welt Personen und Waren von A nach B transportieren werden“, glaubt Jungwirth. Der Besitz eines eigenen Autos werde dann an Bedeutung verlieren. Die Digitalchef geht nicht davon aus, dass Volkswagen deshalb weniger Fahrzeuge verkaufen wird. Dadurch, dass selbstfahrende Wagen ständig im Einsatz seien, müssten diese in kürzerer Folge ausgetauscht werden. Darin stecke ein
großes Potenzial.

Selbstfahrend

Volkswagen will vorne dabei sein, wenn spätestens Anfang des nächsten Jahrzehnts die ersten vollautomatisierten Autos auf den Markt kommen. „Ich erwarte in den nächsten drei bis fünf Jahren am Markt die ersten Fahrzeuge“, sagt Jungwirth. Jüngst hatte auch der US-Konkurrent Ford für 2021 ein selbstfahrendes Auto angekündigt. „Es wird ein Roll-out nach Städten, Ländern und auch nach Märkten geben, abhängig von den Regulierungsänderungen.“ Für vollautomatisierte Autos müssen zahlreiche Richtlinien und Gesetze geändert werden. Bisher muss der Fahrer die Hände am Lenkrad habe.

Die Unfälle mit einigen Elektrofahrzeugen von Tesla mit eingeschalteten Autopiloten sieht Volkswagen nicht als Anlass, die eigenen Pläne zu überdenken. „Wir erwarten keine negativen Auswirkungen. Die Menschen verstehen, dass die Fahrzeuge, die heute auf dem Markt sind, nur teilautomatisierte Assistenzsysteme haben. Das Self-Driving-System, an dem wir arbeiten, ist 20 bis 30 Mal leistungsfähiger.“ Das System werde über eine künstliche Intelligenz verfügen und durch die Vernetzung mit anderen Fahrzeugen von deren 'Erfahrungen' im Verkehr lernen können.

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