© Gerhard Deutsch / Kurier

Österreich

Wiener Lautsprecher lassen Top-Handys klingeln

Wer meint, aktuelle Handys werden vollständig in Fernost gefertigt, der irrt. Ein nicht unwesentliches Bauteil kommt oft aus Wien. Knowles Sound Solutions konzeptioniert und produziert kleine Handy-Lautsprecher und beliefert laut Firmenangaben die gesamte Top-10 der Handy-Branche. Konkrete Firmennamen werden von Unternehmensseite bewusst nicht genannt.

Knowles ist dabei für alles im Smartphone zuständig, was Geräusche macht. In der Regel sind das heutzutage zwei Bauteile: Einerseits der sogenannte Receiver, der an das Ohr gehalten wird und so bei gewöhnlichen Telefongesprächen eingesetzt wird, und andererseits der Speaker, der meist an der Rückseite sitzt und etwa für den Klingelton und die Freisprecheinrichtung zuständig ist.

Der Grundstein der Unternehmens wurde bereits 1929 gelegt, damals noch vom Konzern Philips. Seit  1990 hat sich Knowles auf den Telekom-Markt spezialisiert und konnte im Jahr 1998 die Marktführerschaft bei Handy-Lautsprechern übernehmen. 2011 wurde Sound Solutions schließlich vom US-amerikanischen Konzern Knowles übernommen, wodurch das heutige Knowles Sound Solutions entstand.

Vollautomatisch
Die Lautsprecher werden heute zum Teil auch direkt im österreichischen Standort am Wienerberg produziert. "Wir beschäftigen in Wien derzeit 480 Mitarbeiter", wie Sprecher Alexander Tarzi gegenüber der futurezone erklärt. Daneben wird noch an einem Standort in Peking sowie von einem Auftragsfertiger in der Ukraine mit rund 1.000 beziehungsweise 7.000 Mitarbeitern produziert. "In Wien setzen wir auf die vollautomatische Hochgeschwindigkeitsfertigung", so Tarzi. Im Gegensatz zu anderen Fertigungstechniken kommen hier zum überwiegenden Teil Maschinen zum Einsatz. Um eine bestimmte Qualität zu garantieren, durchläuft jeder Lautsprecher im Rahmen der Produktion mehrere Kontrollpunkte mit Zwischenprüfungen. Ganz am Ende befinden sich mehrere schalldichte Boxen, in denen der richtige Ton des fertigen Produkts gemessen wird.

Am Wienerberg läuft die Produktion rund um die Uhr im Schichtbetrieb. "Ist die Anlage im Vollbetrieb, sind etwa 60 - 80 Personen gleichzeitig hier beschäftigt". Vor Ort scheint es, als wären es noch weit weniger Menschen, die zwischen all den Maschinen für den reibungslosen Ablauf sorgen. Aktuell werden in Wien zwölf verschiedene Produktlinien produziert. Pro Linie kommen aus dem Werk im Jahr rund 40 Millionen Lautsprecher. Je nach Auftragsvolumen und Modell kostet die Smartphone-Hersteller ein Lautsprecher von Knowles zwischen 35 und 50 Cent.

In Peking und der Ukraine wird hingegen auf die halbautomatische Fertigung gesetzt. Das bedeutet schlicht, dass Aufgaben vermehrt von Menschen anstatt von Maschinen ausgeführt werden. "Wenn Kunden individuelle Änderungswünsche an die Produkten haben, wird eher dort produziert", so Tarzi. Der Personalaufwand ist bei diesen Produktionsabläufen höher und es dauert länger, zu produzieren. Das Werk in Peking ist zwar in der Herstellung flexibler, kann aber pro Produktionslinie im Jahr nur etwa fünf Millionen Stück herstellen.

"Die Konkurrenz produziert nahezu ausschließlich in Fernost", so Tarzi. Dass das Unternehmen mit der Produktion in der "Stadt der Musik" bei den Herstellern punkten kann, glaubt er nicht. "Was für die Smartphone-Hersteller zählt, ist Qualität und Preis. Wo produziert wird, ist nebenrangig", erklärt Tarzi. Der Standort in Wien ist laut Tarzi aber auch für die nächsten Jahre gesichert.

Kompromisse
Trotz der Tatsache, dass moderne Smartphones zuletzt immer größer geworden sind, ist für die Lautsprecher-Bauteile immer weniger Platz vorgesehen, wie Entwicklungsleiter Josef Lutz der futurezone erklärt. "Natürlich müssen wir hier Kompromisse eingehen", so Lutz. Rund fünf Prozent des Unternehmensumsatzes werden in Forschung und Entwicklung gesteckt. Dabei hat sich gerade in den letzten sieben bis acht Jahren viel getan: "Seit 2005 konnten wir bei einer Produktlinie die Leistung verdoppeln, ohne, dass das Produkt größer geworden", so Lutz.

Insgesamt haben sich auch die Anforderungen an die Bauteile in den letzten Jahren enorm gesteigert. Das liegt unter anderem an den immer umfangreicheren Funktionen, die Smartphones bieten: "Vor einigen Jahren wurden die Smartphone-Lautsprecher lediglich für den Klingelton verwendet und haben jeden Tag ein paar Minuten geläutet - heute haben wir Anwendungszenarien, bei denen das Handy mehrere Stunden als Radio genutzt wird", so Lutz.

Die Lautsprecher werde auch unter Extrembedingungen getestet. "Teilweise verbringen unsere Produkte tausend Stunden im Kühlschrank", so Lutz. Die Lautsprecher müssen aber nicht nur tiefen Temperaturen trotzen. "Ein Kunde will, dass die Bauteile punktuelle Belastungen von bis zu zehn Kilogramm standhalten".

Kulturelle Unterschiede bei der Tonwahrnehmung
Der Weg zum perfekten Sound ist dabei komplexer als man vielleicht meinen möchte. "Jeder nimmt es anders wahr, dabei werden auch regionale und kulturelle Unterschiede deutlich", wie Lutz erklärt. "Im fernöstlichen Raum ist etwa ein möglichst höhenlastiger Ton mit wenig Bass gefragt, während in Europa eher viele Bässe üblich sind.

Gerade für den Bass brauchen Lautsprecher ein gewisses Rückvolumen, um entsprechend zu klingen. Damit es auch bei wenig Platz ansprechend klingt, setzt das Unternehmen etwa auf eine selbst entwickelte Lösung. Dabei wird die Rückseite des Lautsprechers nicht einfach frei gehalten, sondern mit einem speziellen Material gefüllt, das Adsorption und Desorption von Luftmolekülen ermöglicht. Diese Lösung ist nicht völlig neu: "Früher wurde dafür Aktivkohle verwendet. Allerdings leitet jener, was sich negativ auf die Empfangsleistung auswirkt", so Lutz.

Einen Paradigmenwechsel bei der Produktion von Handylautsprechern erwartet sich Lutz in naher Zukunft nicht: "Das Prinzip der elektrodynamischen Lautsprecher ist rund 100 Jahre alt, vorerst wird es dabei bleiben".

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

mehr lesen
Thomas Prenner

Kommentare