Browser: Werbebranche gegen Blockade-Funktion
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„Werbe-Blocker sind nichts Neues. Plug-Ins für Mozilla gibt es seit Jahren, auch bei Festplatten-Rekordern gab es die Problematik. Selbst die Sticker, die man auf seinen Briefkasten oder die Haustür klebt, könnte man als Blocker werten“, sagt Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Das Skurrile dabei: „Einerseits verwenden Nutzer AdBlocker, andererseits nutzen sie Facebook. Das ist ein Widerspruch.“ Dass nun gleich zwei Blockade-Methoden fix im Internet Explorer 9 vom Marktführer Microsoft eingebaut sind, wertet er als deutliche Verschärfung der Situation. Musste man bislang Plug-Ins herunterladen, reichen nun ein, zwei Klicks im Menü. „Immerhin ist es nicht von Haus aus eingestellt“, sagt Maurizio Berlini, Chef der österreichischen Agentur Goldbach Media. Da man den Tracking-Schutz aktiv anwählen und einschalten muss, sieht Berlini die Lage aktuell noch entspannt. Er glaubt, dass nur wenige den Schutz-Mechanismus aktivieren werden und es mittelfristig zu keinem verstärkten Blocken kommen wird.
Zwölf Prozent verwenden Blocker
Laut Berlini verwenden rund zwölf Prozent aller deutschsprachigen Web-Surfer Filter, die Zählpixel, Werbung oder Analyse-Tools blocken. Dass diese Zahl dramatisch zunehmen wird, glaubt er nicht. Dass die Zahl aufgrund von IE9 und Firefox steigen wird, ist für ihn aber fix. Grundsätzlich können Nickel und Berlini den Wunsch nach Filtern und Privatsphäre nachvollziehen. Der Sprecher des ZAW etwa sieht lästige Werbeformen als ein großes Problem und Anlass für User, Sperren zu errichten. Er nimmt seine Branche in die Pflicht: „Agenturen müssen genau überlegen, wie weit sie es treiben wollen, wie sehr sie Nutzer irritieren wollen. Manche Formate haben einen hohen Nerv-Faktor. Klar, dass man das blockieren will.“ Die überladene Werbung hat zudem einen weiteren Nachteil: Sie verlangsamt das Laden von Webseiten. Für ihn ist dies ein weiteres Argument für Blocker. Nickel verlangt von der Branche daher, sich Formate zu überlegen, die schnell laden und den Seitenaufbau nicht beeinträchtigen. Denn solange es mit Filter schneller ist, als ohne, sei die Entscheidung der Nutzer klar.
Gut gemachte Werbung stört nicht
Auch Berlini kann den Filter-Einsatz nachvollziehen. Gerade in den USA hätte das Tracking von Nutzern extreme Auswüchse angenommen, die eindeutig limitiert gehörten. Nun schwappe es – gemeinsam mit dem US-Browser Internet Explorer - nach Europa über. Dass die Situation in der EU jedoch eine andere ist, werde in der Diskussion nicht berücksichtigt. Zudem sei Online-Werbung, wenn sie gut gemacht und nicht störend ist, bei Nutzern durchaus akzeptiert. Wenn man dafür kostenlosen und guten Content bekommt, sei Werbung für niemanden ein Problem.
Die Idee mit Listen zu arbeiten, findet Berlini grundsätzlich interessant und spannend. Nur sieht er Sperrlisten als gänzlich falsche Herangehensweise. „Anstatt zu sperren, sollte man erlauben. Whitelists sind viel sinnvoller und effektiver“, so der Agentur-Chef. Alles über einen Kamm zu scheren, gute und schlechte Werber auf eine Ebene zu stellen, sei falsch. Stattdessen plädiert Berlini für ein Gütesiegel und einen EU-weiten Zertifizierungsprozess. Werber, die sich an die Spielregeln halten und Personenrechte respektieren, kommen auf eine Whitelist, alle anderen werden blockiert.
Tracking-Schutz-Listen schwer zu warten
Diese Methode hat auch den Vorteil, dass die Wartung bedeutend einfacher ist. Denn bereits eine Woche nach Erscheinen des IE9 geben diverse Datenschutz-Organisationen zu bedenken, dass das Betreuen einer Liste kaum möglich ist. Schloss Hans Zeger von der ARGE Daten gegenüber der futurezone bereits vergangene Woche aus, eine Liste anbieten zu können, tut dies nun auch Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. „Wir haben das Thema diskutiert und sind übereingekommen, dass wir keine Sperrlisten anbieten. Wir haben nicht die Ressourcen zur Pflege einer solchen Liste. Weiterhin ist die Diskussion über Tracking und Targeting sehr angespannt, so dass das Angebot einer Liste als eine inhaltliche Stellungnahme verstanden werden könnte“, so Weichert zur futurezone. Zudem kenne er derzeit keine Liste für den IE9, die er empfehlen könnte.
Der österreichische Werber Berlini und Nickel vom deutschen Dachverband hoffen jedenfalls, dass sich eine vernünftige Lösung findet. Denn oft sei es eben Werbung, die innovative Ideen oder Projekten überhaupt das Überleben sichert. Würde Werbung blockiert, hätte dies mitunter Einfluss auf die Vielfalt im Internet.
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