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Frauennetzwerk

Business Riot Festival: "Digitalisierung ist kein Selbstläufer"

Digitalisierung – Chance oder Handicap für Frauen?“ So lautete vergangenen Freitag beim zweiten Business Riot Festival im Wiener Donauhof die Ausgangsfrage einer Podiumsdiskussion. Martina Pitterle präsentierte dazu Ergebnisse auf einer Studie des Beratungsunternehmens Accenture: „Digitale Kompetenzen tragen dazu bei, dass die Geschlechterlücke kleiner wird. Es gibt einen empirischen Nachweis, der bestätigt, dass es vor allem bei der Beschäftigungsfähigkeit höhere Chancen gibt.“

"Es braucht Strukturen"

Allerdings sei die Digitalisierung kein Selbstläufer, so die Beraterin. Die Unternehmen müssen weiterhin Rahmenbedingungen schaffen, damit es zu einer Gleichberechtigung bei Frauen und Männern im Beruf komme, erklärte die Expertin. „Da braucht es Strukturen im Unternehmen. Prozesse und Maßnahmen, deren Umsetzung auch gemessen und festgehalten wird.“

Bei derartigen Karriere-Entscheidungen würden oft unbewusste Vorbehalte eine Rolle spielen, die jeder durch seine soziale Prägung mit auf den Weg bekommen hat, sagte Pitterle. „Hier ist es wichtig, Trainings mit Entscheidungsträgern zu machen, damit sie sich bewusst werden, dass all ihre Entscheidungen automatisch beeinflusst sind.“ Derartige soziale Prägungen spielen auch eine große Rolle, wenn es um Frauen und Technik-Berufe geht.

Soziale Prägungen

Ilse Leidl-Krapfenbauer von der Arbeiterkammer (AK) erzählte etwa: „Wenn Männer Informatik studieren, wird ihnen auf die Schulter geklopft. Bei Frauen kommt hingegen immer die Frage: Traust du dir das zu? Oder: Willst du dir das wirklich antun? Solange wir gesellschaftlich so denken, wird es immer einen Unterschied geben.“ Dabei gelte dieses männliche Technik-Bild vor allem für das kapitalistisch patriarchal geprägte Westeuropa. „In Osteuropa ist es durchaus so, dass viele Frauen in IT-Berufen tätig sind.“

Pitterle erklärte, dass gelte nicht nur für Frauen und Technik, sondern auch für Frauen und Start-ups. „Rund 40 Prozent der Gründer von Einzelunternehmen sind weiblich, dabei sind aber viele im klassischen Dienstleistungsbereich. Bei Tech-Start-ups hingegen sind die Gründer zu 85 Prozent männlich. Da gibt es eine sehr große Kluft. Dabei sind technische Kompetenzen ganz klar etwas, mit dem man seine Chancen stärken und fördern kann.“

Querschnittsfähigkeiten

Ursula Holtgrewe vom Zentrum für soziale Innovation (ZSI) regte hier etwa an, dass es hier für den Arbeitsmarkt wichtig sei, auch Querschnittsqualifikationen eine Chance zu geben. „An technische Kompetenzen kommt man durch technische Studiengänge. Es gibt aber gerade im professionellen IT-Bereich viele, die quasi über Umwege einsteigen und die da reinrutschen. Diese Querschnittsfähigkeiten muss man ernst nehmen und umsetzen. Auch bei Frauen und Zuwanderern.“

Doch welche Jobs werden in Zukunft eigentlich noch gefragt sein? Die Digitalisierung killt bekanntlich einige Arbeitsplätze. Julia Böck-Schappelwein vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) merkte an, dass man sich bei der Tatsache, welche Jobs wirklich abgeschafft werden, schon einmal geirrt habe. „Wir dachten früher, dass personenbezogene Dienstleistungen sicher übrig bleiben werden. Aber schauen wir doch mal zu McDonalds. Da bestellt man mit Tablet und zahlt mit Karte. Das, was wir früher geglaubt haben, dass übrig bleiben wird, ist schon Geschichte. Welche Halbwertszeit halt also unser Denken?“

Skills für die Zukunft

Für Leidl-Krapfenbauer werden fachliche Kompetenzen auch künftig sehr wichtig sein. „Außerdem wird es wichtig, vernetzter zu denken. Überfachliche Kompetenzen unterscheiden Menschen von Maschinen. Kreativität, um die Ecke denken, Teamfähigkeit. Das alles ist in einer digitalisierten Welt extrem wichtig. Aber ist auch unser Bildungssystem schon so weit?“

Laut Holtgrewe wird diese Herausforderungen, gerade was Digitalisierung und Frauen betrifft, nicht alleine eine Frage des Bildungssystems sein. „Es wird sich hier weiterhin nichts ändern, wenn wir (Frauen) alle brav sind und alle diese Kompetenzen erwerben und schön flexibel sind. So funktioniert die Arbeitswelt nicht. Wir müssen oft fehlende Kompetenzen hierarchisch übergeordneter Kollegen ausbügeln, oder unsere Leistung wird als Hilfstätigkeit gesehen, als 'mach doch mal gerade'.“

"Zukunft wird ganz anders sein"

Leidl-Krapfenbauer schlug hier etwa vor, dass man Gender-Rollen immer wieder aktiv hinterfragen müsse. „Außerdem müssen wir Vorbilder sein, an denen sich Frauen orientieren können.“ Böck-Schappelwein forderte etwa: "Wir müssen auch die Denkweisen auf Unternehmensebene hinterfragen. Es ist notwendig, dass hier andere Dinge anders gestaltet werden. Das beginnt bei Stellenanzeigen und endet bei der Präsenzzeit im Büro."

Holtgrewe riet außerdem dazu, sich von der „Mainstream-Digitalisierungs-Diskussion und den Männer-Gurus nicht zu sehr beeindrucken zu lassen. Die Zukunft wird ganz anders sein.“

Das Business Riot Festival wird einmal jährlich vom Frauen-Netzwerk Sorority organisiert. Im Jahr 2016 nahmen 350 Frauen daran teil. Über 100 Speakerinnen waren insgesamt beteiligt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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