Fotografieren war beim Schiebel-Besuch streng verboten. Alle Aufnahmen wurden vom Unternehmen zur Verfügung gestellt
Fotografieren war beim Schiebel-Besuch streng verboten. Alle Aufnahmen wurden vom Unternehmen zur Verfügung gestellt
© Schiebel

Drohnentests am Panzerübungsplatz

Drohnentests am Panzerübungsplatz

Das Wiener Unternehmen Schiebel ist weltweit für zwei Dinge bekannt. Einerseits ist es Weltmarktführer für Minensuchgeräte, andererseits ist es Hersteller der Camcopter-Drohnen. Die bis zu 200 Kilogramm schweren unbemannten Hubschrauber können sechs Stunden in der Luft bleiben und haben eine Reichweite von maximal 200 Kilometern. Mittlerweile ist der Camcopter S-100 rund um den Globus für militärische und zivile Zwecke im Einsatz. Gebaut und getestet wird der Camcopter in und um Wiener Neustadt. Die futurezone erhielt die seltene Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Harpunenschießen im Wald

Da sogenannte Remotely Piloted Aircraft Systems (RPAS) - wie große Drohnen zur besseren Unterscheidung von kleineren Geräten für Privatpersonen genannt werden - in Österreich nicht im zivilen Luftraum benutzt werden dürfen, testet Schiebel seine Drohnen auf militärischem Sperrgebiet. Auf einem riesigen Areal nahe Wiener Neustadt, wo das Bundesheer mit Panzern übt, hat der Drohnenhersteller einige Teststützpunkte eingerichtet. Bereits die Anfahrt ist abenteuerlich.

Man kommt an einer heruntergekommenen ehemaligen Munitionsfabrik vorbei, fährt auf holprigen Feldwegen durch dichten Wald und hohes Gras. Auf einer Lichtung stehen zwei Container. Vor einem davon schwebt ein Camcopter über einer Plattform mit hydraulischen Stützen. Hier wird gerade die so genannte Harpune getestet, erklärt Peter Haueis, der Leiter der Abteilung Flight Operations bei Schiebel. Die Harpune ist eine Pflichtanforderung für Schiffe der NATO. Bei der Landung wird eine Art Lanze mit Widerhaken in ein Metallgitter gestoßen, um das Fluggerät sofort auf der Plattform zu verankern. Das soll ein Verrutschen auf schwankenden Schiffen verhindern.

Manuelles und autonomes Fliegen

Im Container hinter der Plattform arbeiten mehrere Personen. Zwei davon haben "Pilot Control Units" (PCU) angeschnallt, große Fernbedienungen mit Steuerknüppel und Touchdisplay, die in einem Gestell mit Schultergurten getragen werden. Mit den PCUs können die Camcopter manuell gesteuert werden. Erlaubt ist dies nur ausgebildeten Piloten. Daneben überwachen weitere Mitarbeiter Laptop-Bildschirme. Auf diesen sind die Leistungsdaten des Camcopter, die Position auf einer Landkarte sowie die Bilder der Front- und Bodenkamera des Fluggeräts zu sehen.

Laptops und PCUs sind mit einer zentralen Schnittstelle verbunden, dem "Cube". Über den Cube werden die Flugbefehle an den"Autotracker" - spezielle Funkantennen, die wie Tonnen aussehen und die es je nach erwünschter Reichweite in verschiedenen Größen gibt - und von diesem an den Camcopter weitergeleitet. Der unbemannte Hubschrauber kann sowohl manuell geflogen werden, als auch automatisch Flugmissionen ausführen. Dabei werden Wegpunkte, Flughöhen und mehr vordefiniert und vom Camcopter mittels GPS-Navigation verfolgt.

Kopierte Schiffsbewegung

Zusätzlich gibt es noch einen eigenen Landemodus. Dabei kann der Pilot die Position der Drohne besonders präzise verändern. Lässt er den Steuerknüppel los, so wird diese Position gehalten. Die Drohne gleicht dabei automatisch Windströmungen aus. Bei Einsätzen auf Schiffen kann auch die Bewegung des Schiffes mit Sensoren an die Drohne weitergegeben werden. Die Drohne kann so die Bewegung einer Landeplattform exakt nachvollziehen, selbst wenn diese stark schwankt. Genau diese Schiffsbewegungen können mit der hydraulischen Plattform im österreichischen Wald, weit weg vom Meer simuliert werden.

In den Anfangszeiten der Drohnenentwicklung mussten die Schiebel-Techniker mit einer selbstgebastelten Plattform auf einem LKW-Anhänger vorlieb nehmen, mit dem das Team durch die holprige Gegend fuhr, erzählt Haueis. Heute lässt die Auftragslage die Anschaffung aufwändigerer Testeinrichtungen zu. Für die Seestreitkräfte von Australien, China, Deutschland, Italien, Russland, USA und anderen Ländern ist der Camcopter eine nützliche Ergänzung. Die Drohne ist klein genug, um sie auf vielen Schiffen zu stationieren, fliegt wesentlich länger als jeder Hubschrauber und erweitert mit Tag- und Nachtsichtkameras, Radar, Laserscannern oder anderen mitgeführten Instrumenten den sensorischen Radius um ein Vielfaches.

Festgeschnalltes Rotieren

Mit dem Auto geht es weiter durch das Militärgelände. Ein weiterer Container rückt ins Sichtfeld. Daneben ist ein Camcopter mit drehenden Rotoren in einem Käfig eingesperrt und am Boden festgeschnallt. Das Exemplar soll ausgeliefert werden. Zuvor wird jedoch vier Stunden lang die Funktion sämtlicher Bordsysteme am Boden getestet, danach noch einmal vier Stunden im Flug. Erst nach positiver Absolvierung aller Überprüfungen wird das Produkt in Kisten aus sorgfältig ausgewähltem Holz (Einreisebestimmungen des jeweiligen Ziellandes) auf die Reise geschickt. Diese Kisten finden unter anderem im Bauch von gewöhnlichen Passagierflugzeugen Platz.

Hauptstück des Gebäudes ist eine große Produktionshalle

Produktion in Wiener Neustadt

Produziert werden die Camcopter seit 2006 in einem modernen Fabriks- und Bürogebäude direkt neben dem Flugplatz Wiener Neustadt Ost. Bis dahin - Schiebel begann 1994 mit der Drohnen-Entwicklung - wurden die Fluggeräte noch in Wien zusammengebaut. "Wir haben damals im zweiten Stock gearbeitet und mussten den Camcopter in Einzelteilen zerlegt mit dem Aufzug rausbringen", erinnert sich Haueis. Heute sind die Platzverhältnisse geräumiger. In einer großen Halle werden dutzende Camcopter per Hand zusammengebaut.

Die Helikopter bestehen aus Kohlefaser, Aluminium und Titan. Stahl wird aufgrund der drohenden Korrosion beim maritimen Einsatz nicht verwendet. Die Hauptkomponenten konstruiert Schiebel selbst, etwa den Motor, die Rotoren oder die Außenhülle. Dazu kommen Teile von rund 200 Zulieferern. 95 Prozent davon stammen aus Österreich. Vertrauen auf die Partner sei extrem wichtig, meint Haueis. Die Steuerungskomponenten und die Software entwickelt Schiebel selbst.

Bei der Produktion hat Sorgfalt oberste Priorität. Jedes Teil ist markiert und eindeutig identifiziert, jeder Arbeitsschritt wird protokolliert. Die Formalitäten sind äußerst streng. Selbst beim Verschrotten nicht mehr benötigter Bauteile gibt es genaue Regeln. Kundenspezifisch müssen Zeugen eingeladen werden, um die Zerstörung von Komponenten zu bestätigen. Das Arbeitsklima scheint unter diesem Regeldruck nicht zu leiden. "Wir behandeln unsere Leute gut, damit sie bleiben", meint Haueis. In der Branche ist jeder Mitarbeiter potenzieller Geheimnisträger. Laut Haueis gibt es bei Schiebel nur wenig Personalfluktuation.

Gegen Bewaffnung

Dass Schiebel-Drohnen bewaffnete Kampfeinsätze fliegen, hält Haueis für ausgeschlossen. Auf dem Wikipedia-Artikel über den Camcopter S-100 sieht man ein Bild mit einer montierten Rakete. "Wir wissen, dass es dieses Bild gibt, und sind nicht glücklich darüber", erklärt Haueis. Die Rakete sei von einem Munitionshersteller ohne Einwilligung an eine Schiebel-Drohne montiert worden. Das Unternehmen sei aber strikt gegen eine Bewaffnung. Drohnen werden nur geliefert, wenn der Kunde versichert, sie nicht eigenmächtig zu bewaffnen. Dazu kommen strenge Ausfuhrbewilligungen und technische Hürden. Haueis: "Über die Zuladungs-Schnittstelle eine Waffe auszulösen, ist nicht möglich."

Zu Besuch bei Drohnenhersteller Schiebel

Firmengeschichte

Zur Firmengeschichte würden Kampfdrohnen gar nicht passen. Schiebel wurde 1951 gegründet und stellte zunächst Elektronikbauteile her. In den 80er-Jahren spezialisierte sich das Unternehmen auf Minensuchgeräte. Mit einfach herzustellenden, tragbaren Geräten und eigener Software brachte es Schiebel zum Weltmarktführer. 1994 nahm Schiebel an einer Ausschreibung für ein US-Militärprojekt teil, bei dem es um die Entwicklung einer Drohne mit Kameras ging. Vier Mitarbeiter widmeten sich dem Projekt und gewannen die Ausschreibung.

Die Firma hatte die Idee, damit die Grundlagen für die Suche nach Anti-Personen-Minen aus der Luft zu schaffen. Seitdem wurde der Camcopter stetig weiterentwickelt. In seiner heutigen Form existiert der Camcopter S-100 seit 2003. Der Designer Gerhard Heufler ist für sein Aussehen verantwortlich. Durch den internationalen Erfolg des Camcopter konnte Schiebel seine Mitarbeiterzahl rasant aufstocken. Heute arbeiten rund 200 Personen für Schiebel. 70 davon widmen sich Forschung und Entwicklung.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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